Homosexuelle als
NS-Staatsfeinde
Bis Mitte der
Dreißigerjahre galt Homosexualität in Deutschland
als Krankheit; schwuler Sex wurde nur auf Antrag verfolgt.
Das NS-Regime verschärfte den Paragrafen 175.
Nun galt Homosexualität auf jeden Fall
als strafwürdig; Schwule wurden faktisch als Staatsfeinde gesehen.
SS-Angehörigen, die gleichgeschlechtlicher Handlungen bezichtigt wurden,
drohte die Todesstrafe. Homosexualität war ein beliebter Vorwurf bei
Denunziationen.
Psychiatrie und Psychologie während
des Dritten Reiches kritisierten libertäre Vorstellungen vom
Sexuellen. Homosexualität - über deren "Unausrottbarkeit" sich die
NS-Elite keine Illusionen machte - stand vor allem deshalb unter
Strafandrohung und sozialer Stigmatisierung, damit das Bild des
deutschen Mannes als Soldat durch Abschreckung besser konturiert
werden konnte.
Viele tausend schwule Männer sind bis
zur Kapitulation Hitlerdeutschlands 1945 verhaftet, verurteilt und
in Konzentrationslagern getötet worden. Wer seine Homosexualität zu
verbergen verstand, wer sich nie erwischen ließ und niemals Opfer
einer Denunziation wurde, konnte das Dritte Reich überleben.
Eine Wiedergutmachung erhielten
Homosexuelle nach einer KZ-Inhaftierung nicht. Anfang der
Fünfzigerjahre erkannten die höchsten Richter der jungen
Bundesrepublik, dass die Verfolgung nach Paragraf 175 (auch in der
Nazifassung) kein spezifisches NS-Unrecht gewesen sei. Nach dieser
Logik stand Schwulen keine moralische und finanzielle Rehabilitation
zu - denn sie galten ja als Kriminelle.
Der Nationalsozialismus bedeutete für
Schwule und Lesben nicht nur eine Bedrohung ihrer Leben, sondern vor
allem den Verlust ihrer kulturellen und sozialen Infrastruktur
(Kneipen, Bars, Bibliotheken, sonstige Treffpunkte, Institute), die
von der SA und anderen NS-Organisationen und -Institutionen
zerschlagen wurden.
Eine Wiederbelebung dieser
Verhältnisse begann erst von 1969 an - als der Paragraf 175 in
seiner Nazifassung endlich aufgehoben wurde (die DDR hatte ihn 1957
entnazifiziert).
Homosexuelles Leben war bis 1969
faktisch eines im Untergrund. Schwule und lesbische Vereine
organisierten sich als Freundeskreise, ihre Mitglieder lehnten das
Wort "schwul" schon aus Gründen des Selbstschutzes als anrüchig ab.
Zeitschriften mussten in der Schweiz gedruckt werden, ihr Versand in
die Bundesrepublik erfolgte selbstverständlich im geschlossenen
Umschlag.
Rosa von Praunheim karikierte Anfang
der Siebzigerjahre in seinem Film "Nicht der Homosexuelle ist
pervers, sondern die Situation, in der er lebt" dieses Leben im
Konspirativen als spießig und verklemmt, verkennend, dass es eine
öffentliche Debatte nicht hatte geben können.
Während der ersten zwanzig Jahre
Bundesrepublik wurden jährlich mehr Homosexuelle nach Paragraf 175 -
wiederum oft mit Hilfe von DenunziantInnen - angezeigt und
verurteilt als im Dritten Reich. Höchstrichterliche Urteile
(beispielsweise 1956) verweigerten mit Hinweis auf das gesunde
(heterosexuelle) Volksempfinden jeden Respekt vor Homosexuellen.
Literatur:
Peter von Rönn: Politische und psychiatrische
Homosexualitätskonstruktion im NS-Staat, in: Zeitschrift für
Sexualforschung, Juni und September 1998, Enke, Stuttgart 1998,
jeweils 41,30 Mark;
Andreas Pretzel/Gabriele Roßbach: Homosexuellenverfolgung in Berlin
1933-1945, 352 Seiten, 32 Mark;
Joachim Müller/Andreas Sternweiler: Homosexuelle Männer im KZ
Sachsenhausen, Schwules Museum Berlin, 402 Seiten, 36 Mark, beide
Verlag Rosa Winkel, Berlin 2000 JAF
taz Magazin / 2.9.2000,
TAZ-Bericht JAF
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Juden und Homosexualität
haGalil onLine 12-09-2000
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