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Was tun, wenn der aufregende junge
Mann, in den man gerade im Begriff ist sich zu verlieben, einem
erklärt, in der nächsten Woche werde er zu den Fallschirmjägern
eingezogen? Ihn bedauern? Die Affäre sein lassen? Jossi reagiert mit
einem Wachtraum: "Ich sah ihn sich auf beschwerlichen Nachtmärschen
inmitten der Wüste quälen, Bäche von Schweiß fließen über seinen
geschmeidigen Rücken, ich erwarte ihn am Endpunkt mit
Schokoladenkuchen, den ich selbst gebacken habe."
Jossi, der Held aus Jossi Avnis
Erstlingsroman "Der Garten der toten Bäume", ist um die dreißig und
lebt in Tel Aviv - dort, wo das liberale Herz des jungen Israel
schlägt. Tagsüber arbeitet er in einem x-beliebigen Büro; sein Leben
aber kreist um ganz andere Pole. Da ist zum einen seine Mutter, die
ihn - und sich - mit der immer gleichen Frage malträtiert: Wann er
nur endlich heiraten werde?
Natürlich ahnt sie die Wahrheit
längst, doch einstweilen versucht sie, das kommunikative Loch in der
Familie durch sinnlos üppige Essenseinladungen zu stopfen. Und je
mehr sie kocht, desto rüder reagiert Jossi. Ob ihm eines Tages
dämmern wird, dass seine Kuchenphantasie nach dem selben
Sehnsuchtsmuster funktioniert wie der Kochwahn seiner Mutter?
Wichtiger noch als die Abwehr der
aufdringlichen Mame ist für Jossi die Suche nach dem Traummann.
Nicht dass es an homoerotisch aufgeladenen Situationen oder
sexuellen Begegnungen mangelte. Die große Liebe jedoch lässt sich
nicht finden. Nicht in den ständig neu eröffnenden Szenelokalen,
nicht im titelgebenden "Garten der toten Bäume", dem nächtlichen
Park, nicht auf den heißen Straßen Tel Avivs - und auch nicht im
Land Jossis heimlicher Sehnsucht, in Deutschland.
So idealistisch der tragische Held
Jossi die Dinge des Herzens betrachtet, so penibel notiert er den
Weg seiner Enttäuschung: Jede gescheiterte Liebe vermerkt er in
einem "Totenbuch". "Und dann nahm ich einen Stift, fügte dem Ende
der Liste einen Namen hinzu, notierte das Datum und auch die
Uhrzeit, schrieb: 'schöner Mann' und 'Kibbuznik', faltete das Papier
sorgfältig und legte es zurück in die Schublade."
Keine Frage - Jossi Avnis
literarischer Namensvetter gehört zum vertrauten Typus des
leidenden, bindungsgestörten Homosexuellen. Nichts Neues also am
Horizont der Homo-Literatur? Keineswegs, denn wie der 1962
geborene israelische Autor die Fäden seiner éducation
sentimentale spinnt und sie auf oft verblüffende Art miteinander
verknüpft, ist spannende moderne Literatur. Mehr als einmal werden
sich deutsche Leser bei Avnis Schilderung flüchtiger Parkszenen oder
bei den in Jossis Umfeld allenthalben unternommenen Fluchten in
heterosexuelle Beziehungen an Rosa von Praunheims Film "Nicht der
Homosexuelle ist pervers, sondern die Gesellschaft, in der er lebt"
erinnert fühlen. Dabei liegt dem Autor jede Form gesellschaftlicher
Analyse fern.
In Avnis Israel der Neunzigerjahre
gibt es eine aufbrechende schwule Subkultur, aber erstaunlicherweise
kaum Beispiele für manifeste antischwule Gewalt. Nicht einmal das
allgegenwärtige Militär erscheint als Hort konkreter oder auch nur
latenter Unterdrückung. Bewahrt der hohe Grad an Heimlichkeit vor
Diskriminierung? Eher schon drohen bei Entdeckung einer schwulen
Beziehung drastische familiäre Sanktionen: Psychiatrisierung,
Verleumdung bei den Nachbarn. Kein Wunder, dass Jossi sich mit dem
Coming-out gegenüber seiner Mutter so schwer tut.
Die immerhin hat irgendwann mit einer
Mischung aus Schmerz und Stolz die erste schwule Kurzgeschichte
ihres Sohnes in der Zeitung gelesen. Auf dem Anrufbeantworter
erklärt sie ihm später, sie habe "ein Psychologiebuch gelesen und
daraus ein paar sehr, sehr kluge Sätze abgeschrieben". Womöglich die
Sätze, die sie ihm am nächsten Tag auf Band spricht? "Und dann
wartete sie zögernd und sagte: 'Und noch etwas', holte schnell ein
raschelndes Papier an den Hörer und las feierlich ab: 'Du sollst
wissen, dass ich dich so liebe, wie du bist' und legte auf."
Rezension
taz - 5.9.2000 Seite 15 Kultur
Kommentar REINHARD KRAUSE
Jossi Avni:
"Der
Garten der toten Bäume"
Aus dem Neuhebräischen
von Katharina Hacker und Markus Lemke.
MännerschwarmSkript Verlag, Hamburg 2000.
190 Seiten, 34 DM
Dieses Buch führt in ein anderes Israel, abseits
der bekannten Orte, Wege und historischen Stätten. In dreizehn
Episoden schildert der junge israelische Autor Yossi Avni das Leben
eines Homosexuellen in Israel: seine Fremdheit, die zur Wut des
Schreibenden wird, seine Scham inmitten einer Gesellschaft, die
traditionell auf die Familie aufbaut, seine Einsamkeit, seine
Sehnsucht nach einer Begegnung, deren verzweifeltes Scheitern.
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haGalil onLine
05-09-2000
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