Ein Mann der Wahrheit:
Zum Tod des israelischenDichters
Jehudah Amichai
Einer der
bekanntesten israelischen Dichter, Jehudah Amichai ist tot. Er starb
am Freitag früh im Hadassah Krankenhaus Jerusalem an seinem
Krebsleiden im Alter von 76 Jahren.
Amichai wurde in Würzburg geboren. Seine Familie kam 1936 nach
Palästina und zog nach Jerusalem. Im Zweiten Weltkrieg diente
Amichai in der jüdischen Brigade der britischen Armee. Später wurde
er Mitglied der jüdischen Untergrundbewegung Palmach und beteiligte
sich daran, jüdische Immigranten ins Land zu holen. Im
Unabhängigkeitskrieg von 1948 war er im Negev stationiert.
Amichai studierte schließlich Literatur und Biblische Studien an der Hebräischen
Universität von Jerusalem. Er schrieb schon damals, nach seinem Abschluß 1956,
Gedichte, unterrichtete jedoch in einer Schule und später auch an der
Universität Jerusalem sowie der New York University.
1982 bekam Jehudah Amichai den Bialik-Preis und den Israel-Preis, die höchste
israelische Literatur-Auszeichnung, verliehen. 1990 wurde ihm schließlich die
Ehrendoktorwürde der Hebräischen Universität verliehen.
Die ersten Gedichtbände Amichais erschienen in den 40er Jahren. Sein erster
Gedichtband, Achschaw u beIamim haAcherim (Jetzt und in den anderen Tagen)
erschien 1955.
Seine Gedichte sind modern, sowohl sprachlich wie auch inhaltlich. Sie sind gut
zugänglich, da sie oft alltägliche Themen in die Lyrik mit einbinden. Amichai
nutzte Termen, wie Flugzeug, Tank und Mietvertrag.
Aber er war auch besonders innovativ auf sprachlicher Ebene und kombinierte
biblisches Hebräisch mit zeitgenössischem Slang. Dazu ist sein Werk voller
Ironie, die er auf sich selbst bezog.
Insgesamt publizierte Amichai 16 Anthologien, zwei Kinderlieder, zwei Novellen,
eine Sammlung von Kurzgeschichten, zwei Theaterstücke und zahlreiche Essays.
Seine Gedichte wurden in 33 Sprachen übersetzt und er galt als einer der
führenden Kandidaten für den Literatur-Nobelpreis.
In der israelischen Öffentlichkeit galt Amichai als streitbarer und politischer
Kopf. Kein anderer Autor wird so oft in der Knesseth oder im obersten
Gerichtshof zitiert.
An der Trauerfeier nahmen unzählige Politiker, Dichter, Musiker und Prominente
des Kulturlebens teil, darunter Staatspräsident Mosche Kazaw, Premierminister
Ehud Barak, die Schriftsteller A.B. Jehoschuah, David Grossmann und die bekannte
Sängerin Jehudit Rachwitz.
Premierminister Barak nannte Amichai in seiner Rede "die Person, dessen Worte
unserem Leben hier Bedeutung gaben". Amichais Gedichte hätten "das Herz der
Nation auf den großen Akt der Aussöhnung in dieser Generation, auf die
Aussöhnung mit unseren Nachbarn, vorbereitet."
Amichais Kinder lasen jeweils ein Gedicht des Vaters. Seine Tochter Emanuella
fügte hinzu: "Du warst ein wundervoller Vater und ein wundervoller Mensch. Ein
Mann der Wahrheit. Du wirst mit uns für immer sein."
haGalil onLine 25-09-2000 |