In Israel wurde gestern Abend
erstmals eine komplette Oper von Richard Wagner im Radio übertragen.
Gespielt wird "Tristan und Isolde", dirigiert von Daniel Barenboim.
Damit wird in Israel ein lange gehegter Bann gebrochen.
Bisher wurden höchstens Bruchstücke aus Wagners Werk im Radio gespielt. Auch
Versuche seine Opern öffentlich aufzuführen, waren bisher am Widerstand von
Holocaust-Überlebenden gescheitert. 1981 musste sogar eine Aufführung
abgebrochen werden, als Überlebende die Bühne stürmten und ihre KZ-Nummern ins
Scheinwerferlicht hielten.
Die Verbannung Wagners aus dem musikalischen Repertoire in Israel hängt mit
dessen ausgeprägtem Antisemitismus zusammen. 1850 verfasste er die weithin
bekannte Schrift "Das Judentum in der Musik", in der er behauptete, die Juden
könnten nicht nur nichts zur europäischen Kultur beitragen, da sie ihr gegenüber
"fremd" seien; mehr noch, Juden seien unfähig, "sich uns künstlerisch
mitzuteilen". Zudem fand er, dass "wir uns, bei wirklicher Berührung mit den
Juden von diesen unwillkürlich stets abgestoßen fühlen".
Wagner gilt darüber hinaus als Lieblingskomponist der Nationalsozialisten, seine
Musik ertönte auch in den Konzentrationslagern und begleitete Juden in die
Gaskammern. Diese Tatsachen können in einem Land, in dem heute noch 300 000
Überlebende der Shoah leben nicht einfach übergangen werden. Eine
Differenzierung zwischen Wagners ausgeprägtem Judenhass, der Verehrung seiner
Musik durch Hitler und seine tatsächliche musikalische Leistungen können hier
nur sehr schwer differenziert werden.
Viele Menschen in Israel stehen hinter dem Wagner-Boykott. So auch Efraim Zuroff
vom Simon-Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem. Er begründet seine Position mit dem
Hinweis darauf, dass der Staat Israel schließlich auf der Idee basiert, die
Gefühle von Holocaust-Überlebenden zu respektieren.
Bisher hielten sich auch die Orchester in Israel an das unausgesprochene Tabu.
Am 27. Oktober möchte das Orchester von Rischon leZion jedoch den Boykott
brechen. Auf dem Programm steht Wagners "Siegfried-Idyll" aufgeführt werden.
Orchester-Manager Ehud Gross, der die Zeit für ein Konzert mit Wagners Musik für
gekommen sieht, hat allerdings nicht alle seine Musiker auf seiner Seite;
bereits vier Mitglieder des Orchester haben erklärt, dass sie für das Konzert
nicht zur Verfügung stehen. So bleibt vor allem die Reaktion des israelischen
Publikums gespannt abzuwarten.
haGalil onLine
13-08-2000
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