Am Donnerstag geht der Leiter
der zentralen Stelle für die Aufklärung von NS-Verbrechen in
Ludwigsburg, Willi Dreßen nach über dreißig Jahren in Ruhestand. Die
Bilanz seiner Amtszeit fällt ernüchternd aus.
Die Ergebnisse der Arbeit seien "nicht allzu
berauschend", so der Oberstaatsanwalt im Deutschlandfunk. Obwohl es
Vorermittlung gegen 100 000 Personen gegeben habe, seien letztlich nur knapp 6
500 verurteilt worden. Die Bilanz sei vor allem auch deshalb enttäuschend, weil
viele Verfahren noch vor der Verjährung eingeleitet worden seien.
Dreßen kritisierte schließlich, dass vor der
ausführlichen Diskussion über Rechtsextremismus in diesem Sommer das Thema
vernachlässigt worden sei. Man hätte schon viel früher ernsthaft etwas gegen
dieses Phänomen unternehmen müssen. Daher forderte Dreßen ein härteres
Durchgreifen gegen die Straftäter: "Wenn man einen ansteckenden Kranken hat,
dann muss man auch zunächst sehen, dass man ihn von der Straße bekommt und erst
danach versuchen, die hygienischen Verhältnisse zu verbessern."
Die Ludwigsburger Behörde galt lange als
"Schandfleck'' und schon bei ihrer Gründung 1958 gab es zahlreiche Stimmen, die
der Meinung waren, nun müsse doch endlich mal Schluss sein mit der Aufarbeitung
des Nationalsozialismus. "Man sagte mir, ich solle bei der Zimmersuche auf
keinen Fall sagen, wo ich arbeite, sonst bekäme ich keine Wohnung'', erzählt
Dreßen. Die Stimmung in Ludwigsburg sei nicht gut gewesen, der damalige
Oberbürgermeister habe von einem "Geruch'' gesprochen, der über der Stadt hänge.
Mittlerweile hat die Behörde allerdings ein
hohes Renommee. Vor allem im Ausland genießt die Ludwigsburger Stelle
allerhöchstes Ansehen, obwohl sie nicht mal den Status einer Staatsanwaltschaft
hat. Sie führt nur Vorermittlungen durch und gibt ihre Erkenntnisse dann an die
jeweils zuständige Staatsanwaltschaft weiter.
Parallel zu den noch laufenden
Ermittlungsverfahren wird mit Hilfe des Bundesarchives Koblenz derzeit die
Umwidmung der Behörde in ein Archiv und Dokumentationszentrum für Historiker und
Wissenschaftler vorbereitet. Denn irgendwann wird der letzte Fall abgeschlossen
sein. Aus biologischen Gründen.
haGalil onLine
30-08-2000
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