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Ein Erlebnisbericht:
Schabbes bei Sathya Sai Baba

Mittwoch am frühen Abend läutet das Telefon. Eine Frau, die mich von einer Tagung kennt, bittet mich um Hilfe. Sie sei im interreligiösen Dialog engagiert. Am Wochenende finde eine interreligiöse Tagung in der Nähe von Berlin statt, und für die Schabbatfeier mit Rabbi Arie Hirschfeld am Freitagabend bräuchte sie das Schabbatbrot. 

Auf Nachfrage erfahre ich, daß 400 Menschen erwartet werden und sie sich vorstellt, daß 13 oder 15 Brote reichen. Wie sie gerade auf diese Zahl kommt, ist mir schleierhaft, denn es liegt im Wesen des Schabath, daß zwei Chaloth verwendet werden - oder falls mehr benötigt werden - eine gerade Zahl. Wie auch immer: Sie fragt mich, ob ich helfen könne. Mein Vorschlag ist, die jüdischen Tagungsteilnehmerinnen könnten doch die benötigte Challe backen und mitbringen. "Jüdinnen haben wir nicht, aber Sie sind herzlich eingeladen".

Am Freitagnachmittag fahre ich nach Potsdam zum Tagungsort: Eine Tagungsstätte der evangelischen Kirche - die Hoffbauer Stiftung in Potsdam-Hermannswerder. Den ausliegenden Programmblättern entnehme ich, daß das Tagungsthema „Einheit ist Göttlichkeit" heißt.

Die Satya Sai Bewegung, deren Gründer Sai Baba (geboren 1926 in Indien) ist, geht von folgenden Grundannahmen aus:

Alle Religionen sind Facetten derselben Wahrheit.
Alle Schriften sind heilig.
Alle Orte, an denen gebetet wird, sind heilig.
Alle Religionen suchen ein und denselben Gott, obwohl sie ihm verschiedene Namen geben.

Die Tagung beinhaltet so unterschiedliche Themen wie: Die Wahrheitssuche des Buddha, Wahrheit in den Weltreligionen, ein Tag im Leben einer moslemischen Frau, Frieden in den Weltreligionen, Liebe in den Weltreligionen, Liebe in den Weltreligionen...

Am Freitagabend ist eine 40minütige Schabbatfeier geplant. Als ich kurz vor deren Beginn den Tagungssaal betrete, sitzen die Teilnehmer auf Decken oder Meditationskissen auf dem Boden. An den Wänden stehen Stühle für die Älteren. Die Blicke sind nach vorne gerichtet, denn gerade geht das Theaterstück Exodus mit dem Summen von einer Melodie, die immer wieder wiederholt wird, zuende.

Während einer kurzen Pause habe ich Zeit, mich umzusehen. Die Mehrzahl der Teilnehmenden ist mittleren Alters und weiblich. Viele sind in wallende Gewänder in gelb-rot-Töne gekleidet. Auf einem Tisch vorne sehe ich eine siebenarmige Menorah (Leuchter). Mit einer Frau komme ich in ein kurzes Gespräch. Auf meine Frage nach der Zugehörigkeit der Teilnehmer erfahre ich von ihr, daß alle aus einem mehr oder weniger christlichen Hintergrund kommen und meist durch krisenhafte Erfahrungen im Leben eine „Begegnung mit Sai Baba hatten". Auf meine Frage, ob dieser noch lebe, reagiert sie konsterniert und ist sich im Zweifel, ob ich berechtigt sei hier teilzunehmen. Ich erzähle, ich sei zu dieser Feier eingeladen worden, kann also bleiben.

„Das ist der Rabbi" weist sie nach vorne auf einem Mann, der einen Tallit (Gebetsschal) und eine Kippa trägt. Der Tallit am Freitagabend fällt zwar etwas aus dem Rahmen, aber wenn er sich damit wohler fühlt... Der Mann wird als Rabbi Aryeh Hirschfield vorgestellt und greift nun in die Saiten seiner Gitarre. Gleichzeitig ertönt rhythmisches Trommeln und gelegentlich ein Glöckchen. Der Rabbi beginnt „Schabbat Schalom" zu singen - wie ein Mantra - minutenlang und alle singen mit. „Schabbat Schalom" wünscht der Rabbi. Da das „Schabbat Schalom" aus dem Publikum etwas dünn ausfällt, wiederholt es der Rabbi. Nun wird es kräftiger. Er teilt mit, daß „Schabbat" ein Name Gottes sei und „Schalom" auch. Das ist mir neu, ebenso daß „Schabbat Schalom" also eine doppelte Anrufung Gottes sei, und die ertönt nun laut durch den Raum.

Der Schabbat ist - als siebter Tag - eine Schöpfung Gottes. Das Judentum spricht den Namen Gottes nicht aus, und zwar aus Respekt und weil man mit dem Aussprechen Gott begrenzen würde, der unbegrenzt ist. Wo in der Torah der Name Gottes auftaucht, wird er durch „adonai" (Herr) ersetzt. Wenn Gott als Gerechter oder Barmherziger bezeichnet wird, dann sind das Aspekte, die uns deutlich werden. Aber in seiner Ganzheit können wir ihn nicht erfassen. Deshalb gibt es im Judentum keine Anrufungen Gottes im Sinn von Akklamationen. Und selbst die Niggunim, die in mystischen Richtungen zur Kavanah verhalfen, sind Lieder ohne Worte.

Der Rabbi aus Amerika erzählt einiges zum Schabbat - von heftigen Glockengeläut der Kirche nebenan unterbrochen. Den einzigen Grundgedanken, den ich als aus der jüdischen Tradition kommend identifizieren kann, ist die Feststellung, daß der „Schabbat ein Tempel in der Zeit ist" (Heschel) und daß nicht gearbeitet wird. Ansonsten geht es mehr um Einheit und Harmonie. Dabei ist gerade im Judentum die Unterscheidung wichtig, zwischen Alltag und Schabbat (Feiertag), zwischen Reinem und Unreinem ... 
Daß der Schabbat als „Braut" bezeichnet wird, bekommt die Deutung, daß hier die Harmonie in der Schöpfung, die Harmonie des Gegensätzlichen gefeiert wird. Hochgradig unwohl fühle ich mich, als ausgeführt wird, der Messias sei gekommen um die Tränen abzuwischen. Ich habe mich nicht verhört. Der Rabbi spricht englisch, und tatsächlich „Messiah came" ist eindeutig Vergangenheitsform.

Die Hinführung zum Lichterzünden erfolgt mit einer Atemübung. Außerdem soll dies Lichtenergie an die Stelle zwischen den Augen leiten.
Der Segensspruch zum Lichterzünden wird in der traditionellen hebräischen Form gesprochen. Danach wird eingeladen, wer will, nach vorne zu kommen, um eine Kerze zu entzünden. Eine Prozession setzt sich in Bewegung. Erst werden die Kerzen auf der Menorah entzündet, dann viele Teelichter.

Warum es eine besondere Rolle spielt, daß am Schabbat zwei Kerzen gezündet werden, was deren Bedeutung ist und auch, daß und warum erst die Kerzen gezündet werden und dann der Segensspruch gesagt wird, ist alles kein Thema.

Es ertönt "ma jaffe hajom", dann ist das Segnen der Kinder dran. Ihnen soll die "Schechina eingeblasen" werden, was wieder mit einer Energie-Übung mit erhobenen Händen eingeleitet wird. Kann es sein, daß hier etwas durcheinander geht - - egal ob „Schechina" (Einwohnung Gottes; weibl. Aspekt Gottes) oder „Ruach" (Hauch - Atem) ist doch alles irgendwie jüdisch - was soll`s - und was Segnen im Judentum bedeutet, darf auch jeder nach eigenem Gusto interpretieren, auch wenn es dann mehr in buddhistische Bahnen geht.

Nun werden Gläser mit rotem Traubensaft gefüllt und verteilt mit dem Kommentar, wer nichts bekomme, der dürfe sich spirituell eingeschlossen fühlen. In der jüdischen Tradition ist derartiges undenkbar. Da geht es um das praktische Tun. Wenn wir also Wein trinken, dann tun das alle. Spirituelle Ebenen, wo das praktische Tun durch das sich zugehörig und eingeschlossen fühlen ersetzt werden, gibt es in der jüdischen Tradition nicht. Wein ist auch Ausdruck der Freude und des Feierns. Mit jedem Glas Wein feiern wir auch die Schöpfung und die Quelle des Lebens - Gott: Und das ganz konkret!
Arie Hirschfeld setzt mit dem traditionellen Segensspruch an, aber warum führt er ihn nicht auf die traditionelle Art zuende?

Nun ist der Segen über die Brote dran. Der tiefere Sinn hinter dieser Handlung und überhaupt wenn wir den Segen über Nahrungsmittel sagen - so der Rabbi - sei es, daß die göttlichen Funken (divine sparks) darin befreit werden. Überhaupt ist sehr viel von „energy" und „divine sparks" die Rede.
Die traditionelle Deutung jedoch besagt beispielsweise, daß wer ein Nahrungsmittel zu sich nimmt ohne den Segensspruch zu sagen, wie einer ist, der etwas Gestohlenes zu sich nimmt. Wir machen uns durch den Segensspruch bewußt, daß Gott als Schöpfer derjenige ist, der uns versorgt.

Nun werden die Brote einzeln verteilt und die Teilnehmer aufgefordert, sich um ein solches Brot zu gruppieren, dieses zu berühren, oder wo dies nicht möglich ist, eine andere Person zu berühren. Salz spielt keine Rolle, auch nicht, daß zwei Challot genommen werden und diese eigentlich erst mal bedeckt waren. Das Ganze erinnert mich eher an Fernsehübertragungen von Abschlußgottesdiensten der Kirchentage.
Nun sagt der Rabbi abschnittweise den Segensspruch auf und alle sprechen nach. Und auch hier setzt er mit dem traditionellen Segensspruch ein - ergänzt durch eine Zwischenpassage, die hier absolut nicht üblich ist - und führt ihn dann zuende.
Die Brote werden in Stückchen gebrochen und verteilt - durch Hintergrundmusik untermalt. Eine Happening-Stimmung kommt auf. Alles ist entspannt, happy und relaxt, und nun wird getanzt - mit oder ohne Challe ...

Alle waren sehr bemüht, interessiert und aufmerksam. Was ich erlebt habe, war ein Ritual eigener Art: Eine Art Wochenabschluß. Sie haben getan, was sie für jüdisch halten und gehen mit dem „Gefühl" nach Hause Schabbat gefeiert zu haben. Mit Jüdischkeit hatte es nichts zu tun - auch wenn man sich einiger jüdischer Elemente bedient hat - wie in einem Selbstbedienungsladen. Wie sollte es auch - fast ohne Juden.

Ist das der respektvolle Umgang mit anderer Leute Traditionen, der immer wieder proklamiert wird, wenn es um interreligiösen Dialog (egal was man darunter versteht) geht? Ich verstehe, daß Nichtjuden gern wissen möchten, was Schabbat ist, und wie das praktisch aussieht.
Man kann froh und glücklich sein, wenn man dazu von Juden eingeladen wird.
Daß dies nur sehr beschränkt möglich ist, aufgrund des hohen Interesses der Nichtjuden und der kleinen Zahl von Juden, dürfte deutlich sein. Und warum das so ist, dürfte auch aufgrund der Geschichte dieses Landes klar sein.

Würde der Respekt gegenüber den hier lebenden Juden und ihren Traditionen nicht gerade darin bestehen, es auszuhalten, daß es eben nicht oder nur sehr beschränkt möglich ist, Schabbat oder andere jüdische Feiertage mitzufeiern statt sich einen Rabbi aus den Staaten einzufliegen und sich Versatzstücke aus anderer Leute religiöser Tradition zu räubern?

Nun kann man durchaus sagen, daß der Schabbat universelle Aspekte hat: Das Judentum hat die Idee eines freien Tages in die Welt gebracht und andere haben das übernommen. - warum auch nicht. Warum überlegen Leute aus einem christlichen Kontext nicht, wie sie diese Grundidee für sich fruchtbar machen können - beispielsweise in Form einer Wochenschlußandacht wie es sie in der evangelischen Kirche durchaus gibt - vielleicht auch mit Stille, meditativen Elementen oder was auch immer?

Iris Noah
[Forum - Schabbes bei Baba]

haGalil onLine 31-07-2000

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