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Juden in Deutschland:
"Bessere Antennen für 
antisemitische Gefahren"

Ein Interview mit dem Historiker 
Schlomoh Schafir über Juden in Deutschland

Manarah

Kibbutz Afikim

Der Zentralrat der Juden in Deutschland begeht an diesem Mittwoch sein 50-jähriges Bestehen. Der israelische Historiker Shlomo Shafir hat den Werdegang der jüdischen Gemeinden in Deutschland nach Kriegsende aufmerksam verfolgt. Er war in Deutschland aufgewachsen, seine Mutter wurde 1941 in Litauen ermordet, sein Vater, der im Getto überlebte, starb nach der Befreiung 1945. Dass es heute eine deutsch-jüdische Gemeinschaft gibt, ist gut, sagt der 76-Jährige: Für Juden in Deutschland, in Europa und in Israel.

Sie kamen 1948 nach Israel. Glaubten Sie damals, dass es für Juden in Deutschland keine Zukunft gibt?

Shlomo Shafir: Um diese Zeit bestimmt. Unsere zionistische Organisation der Überlebenden konzentrierte sich nach dem Krieg darauf, nach Palästina, nach Israel zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt hielt ich Juden in Deutschland für eine Resterscheinung.

Wann änderten Sie Ihre Einstellung?

In Israel gehörte ich von Beginn an zur Arbeitspartei und dort zu jenen Vorkämpfern, die schon 1951 eine staatliche Normalisierung zu Deutschland bejahten, insbesondere die Aufnahme der Verhandlungen über Wiedergutmachung. Die aus Polen Eingewanderten waren eher strikt dagegen.

Die Akzeptierung staatlicher Beziehungen ist eine Sache, eine andere die Akzeptierung persönlicher Lebensentscheidungen, die man selbst für falsch hält.

Ich kam wahrscheinlich über die deutsch-israelischen Beziehungen zur Anerkennung der jüdischen Gemeinde in Deutschland. Das erste Mal besuchte ich Deutschland wieder im Winter 1961/62. Aber meine Beziehungen zum Zentralrat der Juden begannen erst Anfang der 70er-Jahre. Ich traf Alexander Ginsburg, den Generalsekretär, und erkannte seinen Einsatz nicht nur beim Aufbau der jüdischen Gemeinden in Deutschland, sondern auch bei der Unterstützung der Bemühungen Israels um Wiedergutmachung.

Entwickelten Sie daraus Verständnis für den Entschluss von Juden, in Deutschland zu bleiben?

Nicht allzu sehr. Vergessen Sie nicht, dass die jüdischen Gemeinden in zwei Wellen geschaffen wurden. Zunächst von Leuten, die die Konzentrationslager überlebt hatten. Dann gingen auch Israelis zurück in der Erwartung, dass es ihnen dort besser gehe. In der Bundesrepublik begann das Wirtschaftswunder, es gab Briefe: Kommt zurück. Aber ein solcher Schritt war in Israel verpönt. Damals hat Yitzhak Rabin selbst Israelis, die nach Amerika übersiedelten, als "Verräter" beschimpft. Die Intellektuellen aus Amerika und aus Palästina, die wie zum Beispiel Arnold Zweig in die DDR gingen, waren eine andere Liga: Pro-Kommunisten, die überzeugt waren, dass die DDR das bessere Deutschland aufbauen würde. Überzeugte Sozialdemokraten wie ich gingen nicht zurück.

Wann änderte sich Ihre Einstellung?

Ende der 60er, Anfang der 70er wurde mir klar, dass die jüdischen Gemeinden in Deutschland weiter wachsen würden. Eingeprägt hat sich mir, wie der Vorsitzende der Gemeinde in München 1972 sagte: "Wir sitzen nicht auf gepackten Koffern." In den 80er-Jahren dann habe ich auch publizistisch die Überzeugung vertreten: Die Existenz einer deutsch-jüdischen Gemeinschaft ist gut. Für Juden in Deutschland, in Europa und in Israel.

Aus welchem Grund?

Sie haben einfach bessere Antennen für antisemitische Gefahren oder neue rechts-reaktionäre Erscheinungen als Israelis. Das hat sich schon 1985 in der Diskussion um Bitburg gezeigt, als der Zentralrat und die amerikanischen Juden viel stärker gegen den Besuch von Ronald Reagan auf dem deutschen Soldatenfriedhof protestierten als Israel. Israel war ja immer angewiesen auf deutsche Unterstützung, wenn nicht militärisch, dann technologisch, wirtschaftlich oder politisch im Hinblick auf den deutschen Einfluss in der Europäischen Union.

Haben Sie selbst einmal überlegt, nach Deutschland zu ziehen?

Nein, das nicht. Ich besuche aber Deutschland sehr gern und verbringe sogar meinen Sommerurlaub dort. Ich gehöre zu jener kleinen Minderheit in Israel, die Anteil an den Debatten über die Rede Martin Walsers oder den Preis für Ernst Nolte nimmt. Mich geht das etwas an.

Lange hatten die Juden in Deutschland selbst ein schlechtes Gewissen, im Land der Täter zu leben. Wann entwickelte sich ein neues Selbstbewusstsein?

Viele hatten Anteil, vor allem Heinz Galinski und Ignatz Bubis. Ganz wichtig war, dass der Jüdische Weltkongress 1990 erstmals in Deutschland zusammentrat, auch wenn er nicht enthusiastisch über die deutsche Vereinigung war. Das war keine selbstverständliche Angelegenheit: Die mit ihm liierte Jewish Agency, die zionistische Weltorganisation, die sehr auf Israel zentriert ist, weigerte sich.

Wie sehen Sie die Identität der Juden in Deutschland?

Juden in Deutschland ist passé, das passte nach dem Krieg. Auch der Titel des Zentralrates "der Juden in Deutschland" kann ruhig geändert werden in "Zentralrat der deutschen Juden". Jüdische Deutsche - da bin ich vorsichtig, der Begriff ist mir zu nahe am Holocaust.

Machen Ihnen heute neonazistische Tendenzen in Deutschland Angst?

Mich beunruhigt eher, dass seit der deutschen Vereinigung das Tabu unter der rechten Intelligenzia gebrochen ist. Ich verstehe die Historisierung, man kann nicht herumlaufen mit einem ständigen mea culpa auf den Lippen. Aber nach dem, was zwischen Deutschen und Juden passiert ist, sollte die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit noch ein paar Generationen weitergehen. Auch deshalb bin ich für das Holocaust-Mahnmal.

Artikel vom 19. Juli 2000
Das Gespräch führte Inge Günther.

haGalil onLine 19-07-2000

 

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