Ein neues Buch über die progressive
Halacha
Nach der hebräischen und fast gleichzeitig mit der englischen Ausgabe
erschien nun auch auf Deutsch eine klar und einfach geschriebene
Abhandlung über die Geschichte und gegenwärtige Bedeutung der
progressiven Halacha.
Der Autor, Rabbiner Moshe Zemer, der 1963 aus den USA nach Israel einwanderte,
leitet seit 1990 zusammen mit Rabbiner Walter Jacob das der Weltunion für
progressives Judentum angeschlossenen Freehof Institut für progressive Halacha
in Tel Aviv.
Das Institut stellt sich zur Aufgabe, mittels zeitgenössischer Interpretationen
und Responsen - eben der progressiven Halacha als der "Neuauslegung des
Geoffenbarten" - zu zeigen, wie die Thora nach den vernunftgemäßen und ethischen
Kriterien einer modernen, liberalen Gesellschaft interpretiert werden kann.
Zemer geht dabei von zwei Grundsätzen aus: "Die Halacha ist ein sich
entwickelndes System" und "Die Halacha ist ihrem Wesen nach ethisch".
Zemer entwickelte im Laufe der Zeit ein Gegenmodell zur erstarrten
Rechtsprechung und zu öffentlich gewordenen Mißständen des israelischen
Oberrabbinats, auf die er mit zahlreichen Artikeln in der israelischen Presse
reagierte. In der Orthodoxie beobachtet er erstens die Tendenz, daß heutige
Rabbiner nicht mehr als einzelne zu entscheiden wagen, sondern immer den Konsens
mit zeitgenössischen Autoritäten suchen. Zweitens stellt er fest, "daß heutige
Dezisoren dasselbe Gesetz so viel strenger auslegen, selbst wenn bereits
anerkannte halachische Entscheidungen eine erleichternde Auslegung ermöglichen".
Diese Haltung geht zum Teil auf den einflußreichen Preßburger Rabbiner Chatam
Sofer zurück, der erklärte: "Das Neue ist in jedem Fall von der Tora verboten…
Wer verändert, ist immer in der schwächeren Position."
An zahlreichen Beispielen, vor allem was so sensible Fragen wie Konversion,
Stellung der Frau oder die Haltung zu den Nichtjuden im israelischen Staaten
betrifft, zeigt Zemer auch die Willkür und Widersprüchlichkeit religiöser
Entscheidungen in Israel auf und diskutiert den Beschluß der argentinischen
Rabbiner, in ihrem Land bis ans Ende der Tage keine Konversionen durchzuführen.
Das
Buch beantwortet die Frage, ob es in der zeitgenössischen Halacha eine
moralische Entwicklung gibt, und zeigt liberalen Juden, welche Alternativen es
zur gängigen starren religiösen Praxis der Orthodoxie innerhalb des flexiblen
Rahmens der Halacha gibt.