In der Allgemeinen habe ich vor
kurzem über Streit und Misstöne um den Bau der Mainzer Synagoge gelesen. Ich
erinnerte mich an das Wort "Magenza".
Im Mittelalter war das jüdische Mainz
"Schild und Panzer aller Gemeinden". Die Mainzer Gemeinde war zu dieser Zeit
ein bedeutendes Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit. Noch heute ist "Magenza"
für jeden gelehrten Juden ein Begriff.
Das sollte die heutige jüdische
Gemeinde in Mainz zur Verantwortung verpflichten, für die Gesetze und die
Tradition des
Judentums. Wenn
heute ein jüdischer Gelehrter von den Auseinandersetzungen, z.B. rund um den
Synagogenbau in Mainz erfährt, wird er tiefe Trauer empfinden wegen der
banalen Streitigkeiten, wo doch eigentlich große Freude über das Vorhaben
herrschen sollte.
Leider steht Mainz mit diesen Querelen
nicht allein, überall im Land gibt es Streitereien in den Gemeinden über
Banalitäten. Aber mit Banalitäten
dürfen sich die Gemeinden heute nicht verzetteln, es gibt so viel
Wichtigeres, wenn die jüdische Gelehrsamkeit hierzulande auch in Zukunft
erhalten bleiben soll.
Wenn jüdische
Kinder im frühen Alter keine emotionale Bindung an das Judentum
erfahren, sind sie als Erwachsene dafür verloren und können es auch nicht an
ihre Kinder weitergeben. Wenn für Jugendliche die Gemeindearbeit nicht
attraktiv ist, können sie auch nicht zu Vermittlern der jüdischen Religion
und Kultur werden. Wenn das Gemeindeleben sich in inhaltsarmen Streitereien
erschöpft und die Gottesdienste zu reinen Ritualen verkommen, werden auch
die Erwachsenen das Interesse an solchen Gemeinden verlieren und wegbleiben.
Und dann... "Tora, wer wird dich nun erheben".
Man kann keine Wunder erhoffen.
Attraktive Gottesdienstgestaltung kann man von unausgebildeten Laien nicht
erwarten. Aber wo sollen sie ausgebildet werden? Gibt es irgendwo noch so
ein geistiges Zentrum im deutschen Sprachraum, wie es Mainz einmal war?
Wir brauchen dringend solche
Lehranstalten, um alle die Rabbiner und Kantoren und anderen Kultusbeamten
auszubilden, die den geistig verarmten Gemeinden neues Leben einhauchen
können. Solche Schulen müssten hier in Deutschland die Gelehrten ausbilden.
Denn "importieren" kann man solche Leute kaum, weil die immense
Schwierigkeiten haben, die deutschen Gemeindemitglieder emotional und
geistig zu erreichen.
Groß ist die Verantwortung der
Gemeindevertreter, die allein die Macht haben, ihre Gemeinden mit den
benötigten Gelehrten auszustatten und mit ihnen die Kompetenzen zu teilen.
In den Gemeindesatzungen spielen die Gelehrten keine Rolle und werden nicht
einmal erwähnt. Dabei haben sie doch die wichtige Aufgabe das geistige Leben
in den Gemeinden zu fördern und zu erhalten.
Rabbiner David Polnauer
haGalil onLine
06-04-2000
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