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Nachdem sie die Rolle und das Kostüm einer dominierenden, querulanten Mutter
abgelegt hat, braucht Orna Porat bis zum Erscheinen in der Bühnentür (nach drei
Ovationen) genauso lang, wie der letzte Zuschauer, um den Saal zu verlassen.
Sieht man diese in die Jahre gekommene Schauspielerin, die soeben in "The
Beauty Queen", einer Produktion des Beersheba Theaters, gemütlich in einem Café
in der Nähe des Theaters sitzen, fällt vor allem auf, wie unglamourös sie
eigentlich erscheint. Die Vierundsiebzigjährige Porat sieht in ihren Jeans und
T-Shirt und mit ihrem locker nach hinten gebundenen Haar eher aus wie eine
enthusiastische Großmutter (das ist sie auch), die gerade von einer
Schultheateraufführung ihrer Enkelkinder zurückkommt, als wie die Grand-Dame des
israelischen Theaters.
Hebräisch, Englisch,
Deutsch und Jiddisch
Besonders mag sie am Theaterspielen das An- und Ablegen von Rollen. "Ich kann
so viele verschiedene Leben ausleben und immer noch ich selbst bleiben", erklärt
Porat, die in vier verschiedenen Sprachen versiert ist. Ohne Mühe spielt sie in
Hebräisch, Englisch, Deutsch und Jiddisch. Die Schauspielerin mit der Vorliebe
für ernste Rollen – "für Drama, das etwas aussagt" – hat von Jean d’Arc über
Elektra bis hin zu Maria Stuart bereits sämtliche tragischen Charaktäre der
Weltliteratur dargestellt. Ein halbes Jahrhundert umfaßt mittlerweile ihre
Karriere auf der Bühne – in etwas kleinerem Ausmaß auch im Film. Porat, die sich
bei Weitem nicht auf dem Abstellgleis befindet, ist davon überzeugt, das das
Schauspielern mit dem Alter immer besser wird. "Ich bringe die Erfahrungen eines
ganzen Lebens mit auf die Bühne, sowie die Einstellung, dass ich mich nicht mehr
selbst beweisen muß. In meinem Alter – was macht’s da schon, wenn ich keinen
Erfolg habe", bemerkt sie mit humorvollem Glitzern in den Augen.
Erfolgreich war sie natürlich schon längst. Fast wie eine Einkaufsliste hört
sich die Liste der Preise an, mit denen sie ausgezeichnet wurde – so lang ist
sie. Bereits 1979 erhielt Orna Porat den Israel Preis, 1983 den Israel Theater
Critics Award. Der Kinor David wurde ihr gleich dreimal überreicht, außerdem
eine Auszeichnung der Knesset und ein B’nai Brith Award, um nur einige zu
nennen. Die Bar Ilan University und das Weizmann Institute verliehen der
Schauspielerin die Ehrendoktorwürde. In Haifa erhielt sie den Haifa University’s
Humanitarian Award of Merit. Für ihr Lebenswerk wurde Porat 1997 mit dem Israel
Theater Lifetime Achievement Award ausgezeichnet.
Bei einem Glas Weißwein beschreibt Orna Porat ihre Wandlung von einer in
Deutschland geborenen Protestantin zu einer der führenden Persönlichkeiten in
Israels Theaterwelt. Geboren wurde sie als Irena Klein in Köln. Dort studierte
sie auch Drama. Nach dem Krieg hatte sie jedoch nur noch einen Wunsch:
Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen.
Fast wie ein Märchen klingt die Geschichte vom Kennenlernen ihres Mannes
Ya’acov Porat (damals noch Joseph Fruter). Da Deutschland nach dem Krieg noch
von den Alliierten besetzt war, mußte sich die Schauspielerin einer Befragung
durch einen britischen Geheimdienstoffizier unterziehen, um das Land verlassen
zu können. Der besagte Offizier – selbst ursprünglich in Deutschland geboren –
wurde ihr Ehemann.
1947 immigrierten die Porats nach Israel. Nachdem ihre Bewerbung um die
Mitgliedschaft in einem Kibbutz abgelehnt worden war, ließen sie sich in Tel
Aviv nieder. Orna konvertierte zum Judentum und die beiden adoptierten zwei
Kinder. Während Ya’acov für den israelischen Geheimdienst arbeitete ("Er war der
beste Schauspieler. Niemand konnte glauben, was er hinter seinen unschuldigen
Augen verbarg."), startete Orna ihre Bühnenkarriere und wurde 1949 festes
Mitglied des Cameri Theater Ensembles.
"Während der frühen Jahre des Staates war
Theater ein kollektives Unternehmen", erinnert sich Porat mit einem gewissen
nostalgischen Sehnen. "Keiner wurde bezahlt und jeder sorgte für jeden." – Eine
zynische Stichelei in Richtung dessen, was Porat als die heutige professionelle
"Hund-frißt-Hund-Welt" der Verträge und der Egos bezeichnet. Als ihr Israel
Bonds 1956 nach einem dreimonatigen Fundraising in den USA einen Bonus von 5000$
überreichte, gab sie den Scheck einfach an das Cameri Theater weiter.
Sozialistischen Prinzipien
treu geblieben
Ihre sozialistischen Prinzipien hat Orna Porat niemals aufgegeben. Unter der
Aufsicht des Erziehungsministeriums gründete sie 1970 das nationale Kinder- und
Jugendtheater, das 19 Jahre lang unter ihrer Leitung stand. Dies war ihr Weg,
die Herzen und den Verstand aller Kinder zu berühren, betont sie. Das Orna Porat
Kinder- und Jugendtheater – ein perfektes Erziehungsmittel – erreicht mit seinen
gesellschaftsbewußten, moralisch orientierten Stücken jährlich 400.000 Kinder in
250 Städten und Dörfern in Israel.
Ein schwerer Schlag für die Schauspielerin war der Tod von Ya’acov Porat vor
zwei Jahren. "Er war mein strengster Kritiker und mein begeistertster Fan",
seufzt Porat, die irgendwie die innere Kraft gefunden hat, weiter zu machen.
Zweimal in der Woche treibt sie Sport. Wenn es das Wetter erlaubt, geht sie
täglich um 6.30 im Meer schwimmen. Neben der Arbeit an ihrer Autobiographie,
steht sie weiter auf der Bühne und vor der Kamera. In ihrem neuesten Film "White
Lies" spielt sie eine Holocaust-Überlebende. Auch "Two Sisters", ein
jiddischsprachiges Theaterstück, basiert auf dem Holocaust. Es stammt aus der
Feder ihrer Tochter Lital.
Neben der Schauspielerei ist Ornas größte Leidenschaft das Reisen. Sie war
bereits in Süd- und Nordamerika, in Alaska, Ostasien und Europa. Zehn Tage
verbringt sie jeden Winter in den Alpen. "Ich liebe das Geräusch beim Laufen in
frisch gefallenem Schnee, die Farben der Eiszapfen ... die frische Luft, die
Ruhe", sagt sie träumerisch, fast schon entrückt. "Ach, es ist so schön."
(Nach einem Artikel von Shelley Kleiman / Tarbuton)
haGalil onLine
15-03-2000
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