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Sehr geehrter Herr Professor Wiesinger, sehr
geehrter Herr Präsident der IVG,
wie die meisten Kollegen habe ich in den letzten
Wochen die Lage in Österreich mit großer Sorge verfolgt. Als "Austriazist", der
sich seit Jahren um den Aufbau eines Österreich-Schwerpunktes an der Universität
Coimbra bemüht, muss die jetzige Entwicklung mich umso schmerzlicher
berühren. Als Gebot der Stunde kann ich nur
zwei Ziele erkennen: alles zu
vermeiden, was der Regierung auch nur die
geringste Möglichkeit bietet, ihr
schäbiges Image etwas aufzupolieren; alles zu
unternehmen, was denjenigen,
die in Österreich gegen diesen unseligen
Rechtspopulismus kämpfen, auf
irgendeine Weise helfen kann.
Wohlgemerkt: ich weiß aus eigener,
schmerzvoller Erfahrung, was eine faschistische Diktatur bedeutet -
schließlich bin ich unter einer solchen
aufgewachsen. So begehe ich weder den groben
Fehler, Österreich als einen faschistisch infizierten Staat zu
betrachten und den Widerstand gegen diesen
Staat zu heroisieren, noch den
ebenso groben Fehler, die großen, riesengroßen
Risiken der jetzigen Lage
zu unterschätzen. So liegt mir die Idee eines
Pauschalboykotts denkbar fern;
gleichzeitig bin ich mir aber darüber im
Klaren, dass - leider - es nicht
immer möglich sein wird, die jetzige Regierung
zu isolieren, ohne auch
Österreich zu isolieren.
Zustand des stabilen Weltuntergangs
Diese Überlegungen stelle ich im Zusammenhang mit
einer Frage an, die mich
seit Wochen beschäftigt und die ich in diesem
Zeitraum mit einigen Kollegen
intensiv erörtern konnte: Darf der
IVG-Kongress überhaupt in der
vorgesehenen Form stattfinden? Die Antwort ist
für mich ein klares und
entschiedenes Nein. Mir ist völlig klar,
welche Folgen dieses Nein nach sich
ziehen muss - ich bitte, mir zu glauben, dass
ich es erst nach reiflicher
Überlegung ausspreche.
Der reibungslose Ablauf einer großen
internationalen Veranstaltung wie dieser kann in der Tat nur als ein Zeichen der
Normalität aufgefasst werden und der Regierung helfen, den Zustand des stabilen
Weltuntergangs, den sie eigentlich verkörpert, zu kaschieren. Die einzige Lösung
wäre dementsprechend m.E. - und ich glaube viele Kollegen
werden eine ähnliche Meinung teilen - die völlige Umgestaltung des
Kongresses, indem alles "Offizielle" vermieden
wird (inklusive die
Schirmherrschaft durch den Bundespräsidenten)
und er zu einer Veranstaltung
umfunktioniert wird, die der
Selbstverständigung über die Stellung und Rolle
der Germanistik in einem demokratischen Europa an erster Stelle dient. Ich
weiß, es ist eine riesige Verantwortung und
eine überaus schwere Aufgabe,
die damit in die Hände des von Ihnen
geleiteten Vorstandes gelegt wird.
Sollte ein solcher mutiger, wichtiger Schritt
getan werden, so bin ich
sicher, dass die IVG keinen Schaden
davontragen würde, im Gegenteil; auch
die österreichischen Kollegen wären, glaube
ich, damit gestärkt. Mit einem
solchen Schritt wäre ich völlig solidarisch
und ich würde mit ganzen Kräften zu seinem
Gelingen beitragen wollen - auch durch Mittragen von eventuell
entstehenden finanziellen Belastungen.
Sollte eine solche Umgestaltung aus irgendeinem
Grunde nicht erfolgen und
das jetzige Programm unverändert beibehalten
werden, möchte ich Ihnen schon
jetzt mitteilen - ich brauche nicht
hinzuzufügen, mit welch großem Bedauern - dass
ich mich gezwungen sehen werde, meine Teilnahme am Kongress
abzusagen.
Mit freundlichen, solidarischen Grüssen
António Ribeiro
haGalil onLine
15-03-2000
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