Haider auf deutschen Fernseh-Kanälen:
Der Hetzer als Bübchen
Von Kurt Axtmann
Zum Plausch am vergangenen Sonntag bei der auch sonst meist
hoffnungslos überforderten Sabine Christiansen konnte die Redaktion
keine "hochrangigen Gesprächspartner" für Jörg Haider auftreiben und lud
den FPÖ-Chef wieder aus. Michel Friedman hatte sich geweigert, Haider
medial aufzuwerten, Bundesinnenminister Schily zog nach. Wie angemessen
diese Entscheidung war, bestätigte sich zweifach; am Freitag in der ARD,
im Torheits- (oder "Infotainment")-Format "Farbe bekennen" und am
Sonntag beim milden Talk-Onkel Erich Böhme auf n-tv.
Miserabel vorbereitet gingen Sigmund Gottlieb (BR) und Marion van
Haaren (WDR) auf Sendung. "Farbe" sollte Haider "bekennen", genau
besehen ein merkwürdiges Ansinnen. Statt ihn mit Dokumenten zu
konfrontieren, akribisch zu zeigen, wie die FPÖ auf Kosten von
Minderheiten Stimmen gewinnt, Macht und Einfluß sammelt, durfte sich der
Hetzer als Bübchen präsentieren, das schon mal über die Stränge schlägt,
ansonsten aber doch rechtschaffen demokratisch, unermüdlich fleißig
gegen allerhand Missstände zu Felde zieht.
Als tolle investigativ-journalistische Form erwies sich das
Pseudo-Zitat, a la: Was sagen Sie denen, die Ihnen vorwerfen...", "was
antworten Sie auf...". Die unpräzis-schlaffen Fragen - von Gottlieb wie
halbherzig-pflichtgemäß gestellt, von van Haaren indigniert und von
Blicken begleitet, die sie wohl für bohrend hält – parierte Haider
lässig. Ob er ehrgeizig sei, wollte Gottlieb dringend herauskriegen.
Hier war dann der FPÖ-Führer derart entspannt, dass er mit einer
österreichisch Relativ-Konstruktion antwortete. Er sei halt kein
Politiker, "der was nur seinen Sessel verteidigt".
Kanzler will er werden, nicht mehr allzu lange in Kärnten als
Landeshauptmann schmoren, bestätigte er am Sonntag als Hauptdarsteller
in der Berliner Runde von Erich Böhme. Der hatte überwältigend
einfältiges Verfahren ausgedacht, nach dem Muster von Multiple-Choice
Selbsteinschätzungs-Fragebögen: "Sind Sie ein Neo-Nazi", bat Böhme
höflich um Auskunft, "oder ein National-Konservativer", oder ("nach
einigen weiteren zur Auswahl angebotenen Etiketten) "der nette Jörg".
Was, geneigter oder ungeneigter Leser, hätten Sie gewählt ?
Richtig. Fürs Nett-Sein entschied sich der Haider Jörg, und den Böhme
hab ich mir vorgestellt, wie er dem Goebbels die ingeniös formulierte
Frage stellt: "San Sie vielleicht ein Kinderschänder oder nicht doch ein
Volksfreund ?". Noch miserabler als das Duo Gottlieb/von Haaren war
Böhme präpariert. Zitate ohne Quelle – Haider fragt nach und der
Talkmaster kaut hilflos an der Brille. Ein Parlamentsantrag wird Haider
vorgehalten – aber der ist aus den Fünziger Jahren und Haider antwortet
gelassen und wahrheitsgemäß, er käme als Autor nicht in Frage: "Da war
ich vier Jahre alt".
Unbillig wärs, die genannten Fernseh-Journalisten etwa an den
Leistungen des Altmeisters Günter Gaus zu messen. Simple handwerkliche
Grundlagen aber wären auch vom tristen Trio einzufordern. Statt die
Wahrheit übers faschistoide Modell der FPÖ zu befördern, boten sie
Parteiführer Haider die willkommene Gelegenheit, kommod im Rampenlicht
zu plauschen.
haGalil onLine 07-02-2000
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