Anne Frank:
Die ganze Geschichte
Anne Frank wäre 2004 75 Jahre alt geworden. VOX zeigt am 27. und am 28.
August den Spielfim "Anne Frank" in zwei Teilen als TV-Premiere...
Ein Gespräch mit Hannah E.
Pick-Goslar:
"Das
Vermächtnis von Anne Frank bewahren"
Die
Familien Frank und Goslar emigrierten nach der Machtergreifung der
Nationalsozialisten 1933 aus Deutschland nach Holland...
Hannah Pick-Goslar und ihre Schulfreundin:
Erinnerungen an Anne Frank
Die von Alison Leslie Gold
1997 auf Englisch herausgegebenen Erinnerungen der heute 72-jährigen
Hannah Pick-Goslar an ihre Schulfreundin Anne Frank sind in der
deutschen Übersetzung der Anne-Frank-Spezialistin Mirjam Pressler im
Ravensburger Buchverlag erschienen. |
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Die Geschichte der Anne Frank ist
weltweit bekannt. Das Tagebuch der Anne Frank und die von Anne
Frank-Vereinen auf der ganzen Welt organisierten Ausstellungen über ihr
Schicksal haben eine Trademark geschaffen, die zum Allgemeingut geworden
ist, deren Geschichte jedes Schulkind der westlichen Welt kennt. Die
Erinnerungen der in Jerusalem lebenden ehemaligen Schulfreundin der Anne
Frank bieten somit keine neuen Inhalte. Sie bieten aber die Perspektive
einer Augenzeugin, die das Schicksal der Anne Frank bis zu deren Tod im März
1945 teilte. Und der es gelingt, ihre Eindrücke und Erfahrungen als zunächst
kleines Kindergartenkind im Exil, später als Halbwüchsige im
Konzentrationslager selbst im Rückblick nach mehr als fünf Jahrzehnten nicht
nur detailgetreu sondern auch in der kindlichen und jugendlichen Sprache zu
erzählen, in der sie ihre Erfahrungen gemacht hat, und mit der sie sich
ihrem Hauptzielpublikum - Kinder und Jugendliche - gut verständigen kann.
Die Vorgeschichte begann 1933, als
die Wege von Hannah und Anne sich mit der Emigration ihrer Familien aus
Deutschland zu kreuzen beginnen, als die Franks aus Frankfurt und die
Goslars aus Berlin kommend ihren neuen Wohnsitz am Amsterdamer Merwedeplein
auf Nummer 37 und 31 bezogen. Hannah und Anna sind gemeinsam in den
Montessori-Kindergarten und zur Schule gegangen und verbrachten ihre
Freizeit miteinander. Über die gleichaltrigen Töchter Anne und Hannah
freunden sich auch die Familien an und verbringen die meisten Feiertage
gemeinsam. Die Familien teilten ein ähnliches Schicksal und waren doch
grundverschieden: Im Gegensatz zu den Franks lebten die Goslars religiös und
waren traditionell zionistisch eingestellt. Während Otto Frank Geschäftsmann
war, arbeitete Hans Goslar als Staatssekretär im Innenministerium in Berlin,
in den Niederlanden eröffnete er ein Büro für Flüchtlingsberatung.
Die von Alison Leslie Gold
aufgezeichneten Erinnerungen Hannah Pick-Goslars beginnen mit dem 7. Juli
1942, als Hannah Anne von zuhause abholen und bei dieser Gelegenheit eine
Küchenwaage für ihre Mutter von Frau Frank ausleihen wollte. Dabei musste
sie erfahren, dass Anne und ihre Familie in die Schweiz abgereist waren -
vom Versteck der Franks im Hinterhaus des Frank'schen Opekta-Vertriebs
erfuhr sie erst bei der Begegnung mit Anne kurz vor deren Tod im
Konzentrationslager Bergen-Belsen.
Hannahs
Erinnerungen an das Leben in den von deutschen Truppen besetzten Amsterdam
ergänzen Anne Franks Aufzeichnungen vom Leben im Versteck. Im Juni des
folgenden Jahres, 1943, wurden auch Hannah Goslar und ihre Familie
deportiert, zunächst in das Konzentrationslager Westerbork, wo ihr Großvater
starb, danach in das Konzentrations- und vorgebliche "Austausch"-Lager
Bergen-Belsen, wo sie schließlich im März 1945 wieder auf Anne traf, die
gemeinsam mit ihrer Schwester Margot vom Konzentrationslager Auschwitz
kommend nach Bergen-Belsen "evakuiert" worden war.
Über den Stacheldraht hinweg tauschen
die beiden Halbwüchsigen ihre Erfahrungen während der vergangenen
zweieinhalb Jahre aus. Kurze Zeit später stirbt Anne Frank, kurz nach ihrer
Schwester Margot, an Thyphus. In ihrer Tagebucheintragung im Hinterhaus in
der Amsterdamer Prinsengracht hatte Anne Frank noch vermutet, dass ihre
Freundin Hannah, die sie Hanneli nannte, umgekommen wäre, während sie selbst
noch leben dürfte. Dass es genau umgekehrt gekommen ist, und Hannah
Pick-Goslar als glückliche Mutter und Großmutter von 12 Enkelkindern in
Jerusalem lebt, während Anne Frank nicht am Leben bleiben durfte, versteht
Pick-Goslar als Verpflichtung, Anne Franks Vermächtnis zu bewahren.
Mit ihren nun publizierten
Erinnerungen, über die sie seit ihrer Pensionierung 1990 auch in Schulen in
Israel und Deutschland - 1998 war sie dreimal nach Deutschland eingeladen -
erzählt, erfüllt sie diese Aufgabe mit Energie und Zuversicht auf eine
bessere künftige Welt. Die im Ravensburger Verlag herausgegebenen
Erinnerungen sind kurzweilig zu lesen und stellen eine gute Ergänzung zu
Anne Franks Tagebuch dar, und bieten genau das, was die ebenfalls im Vorjahr
aufgelegte Anne Frank-Biographie von Melissa Müller nicht zu bieten vermag
und in vielen Bereichen sogar unterschlägt: authentische Zeugenschaft.
Das Nachwort zum Buch von Lea Rosh
stellt die Erinnerung an Anne Frank schließlich in den unabdingbaren
größeren Kontext der deutschen Tätergeschichte. Lea Rosh nutzt die
Gelegenheit, um ein Denkmal für die ermordeten Juden in Deutschland zu
fordern: "Zur Erinnerung an Anne Frank. Aber auch zur Erinnerung an die
Rühmanns, die den Arm erhoben und den Weg bereitet haben." (Ein Foto von
Heinz Rühmann, der sich ohne sichtbaren Widerstand der
nationalsozialistischen Unterhaltungsindustrie verschrieben hatte, hing in
Anne Franks Hinterhaus-Zimmer.)
Zu empfehlen für alle LeserInnen ab
dem Teenage-Alter.
Erinnerungen an Anne Frank
Ravensburger Buchverlag. ISBN 3-473-35185-7
Preis: Euro 4,95
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Das
Vermächtnis von Anne Frank bewahren
Ein Interview mit Frau Hannah
E. Pick-Goslar in ihrer Wohnung in Jerusalem,
geführt von Anton Legerer, Jr. am 26.8.1996
Anton Legerer, Jr. / haGalil onLine
10-01-2000
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