Regierungsbildung in Israel:
Vage Worte zum Friedensprozess
Ein Palästinenser-Staat wird in der Koalitionsvereinbarung
zwischen Likud und Arbeitspartei nicht erwähnt
Thorsten Schmitz (SZ vom 25.3.2009)
Der Eintritt von Ehud Baraks Arbeitspartei in die neue
israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu könnte einen Konflikt
zwischen Washington und Tel Aviv vermeiden. Die US-Regierung setzt sich
gemeinsam mit den Europäern, den UN und Russland im Rahmen des sogenannten
Nahost-Quartetts für die Gründung eines palästinensischen Staates ein. Genau
dies hat Netanjahu bislang vehement abgelehnt.
Der designierte Premier und Chef der rechten Likud-Partei
wollte die Friedensgespräche mit den Palästinensern, an deren Ende die
Schaffung eines Staates stehen soll, durch eine Konzentration auf die
wirtschaftliche Entwicklung in den Palästinenser-Gebieten ersetzen. Barak
hingegen, der bisher Verteidigungsminister in der Koalition mit der
Kadima-Partei war und dieses Amt behalten soll, ist ein klarer Befürworter
der Friedensverhandlungen mit den Palästinensern und der
Zwei-Staaten-Lösung.
Ob Barak Netanjahus Rechtskurs dämpfen kann, ist unklar. Die
Koalitionsvereinbarung zwischen Likud und Arbeitspartei ist beim Thema
Friedensverhandlungen vage gehalten. Dort heißt es lediglich allgemein,
Israel werde an einer "umfassenden Friedenslösung" für die Nahost-Region
arbeiten. Netanjahu verspricht zudem, alle internationalen Verpflichtungen
Israels einzuhalten. Die Bildung eines Palästinenserstaates, wie sie der
Friedensfahrplan des Nahost-Quartetts vorsieht, wird in dem
Koalitionsvertrag dagegen nicht explizit erwähnt.
Die Übereinkunft sieht vor, dass illegal errichtete Außenposten jüdischer
Siedlungen im Westjordanland zerstört werden sollen - ebenso wie illegal
errichtete Palästinenserhäuser. Ein Stopp des Ausbaus jüdischer Siedlungen
im Westjordanland, wie er im Friedensfahrplan des Nahost-Quartetts gefordert
wird, wie ihn die Europäer vehement und die USA immer offener verlangen,
findet in der Koalitionsvereinbarung keine Erwähnung. Netanjahu hat
angekündigt, jüdische Siedlungen würden ausgebaut, um der Nachfrage an
Wohnraum in Folge von Geburten nachzukommen.
Zudem sitzt neben der Arbeitspartei auch die ultranationalistischen Partei
von Avigdor Lieberman, "Unser Haus Israel", in der neuen israelischen
Regierung. Sie verfügt mit 15 Mandaten in der Knesset über zwei Sitze mehr
als Baraks Arbeitspartei, die bei der Parlamentswahl vor fünf Wochen das
schlechteste Ergebnis seit ihrer Gründung erzielt hatte. Lieberman ist im
Wahlkampf vor allem durch anti-arabische Parolen aufgefallen. Netanjahus
dritter Koalitionspartner ist die ultra-orthodoxen Schas-Partei. Zusammen
mit Schas, der Arbeitspartei und "Unser Haus Israel" kann sich Netanjahu auf
66 der 120 Knesset-Abgeordneten stützen. Der designierte Premier
beabsichtigt, auch noch die fünf Abgeordneten der ultra-orthodoxen Partei
"Vereinigtes Torah-Judentum" mit in die Koalition aufzunehmen.
In der von Arabern bewohnten israelischen Stadt Umm al Fahem kam es am
Dienstag zu Ausschreitungen, nachdem dort radikale jüdische Siedler durch
die Straßen gezogen waren. 16 Polizisten und etwa ebenso viele
Protestierende wurden verletzt.
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