Aus Anlass der 10.
Jahrzeit:
Zum Gedenken an Shmuel
Blumberg sel. A.
Lódz, 9. Aw 5671 – Konstanz, 12. Kislew 5759
(3. August 1911 - 1. Dezember 1998)
Am Sonntag, dem 21.
Dezember 2008 gastierte zum Andenken an den
vor zehn Jahren verstorbenen Oberkantor der
Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz,
Shmuel Blumberg sel.A., der Oberkantor der
Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Shmuel
Barzilai, mit einem Solokonzert im
Kulturzentrum Konstanz.
Barzilai gilt als einer der
derzeit weltbesten Chasanim (Kantoren). Sein
Programm mit Chasanut (jüdisch-liturgischer
Gesang), israelischen und jiddischen Liedern
beigeisterte das Publikum im vollbesetzten
Wolkensteinsaal. Zuvor hatte Benjamin
Nissenbaum, der 1. Vorsitzende der
Konstanzer Kultusgemeinde, an den Konstanzer
Kantor und Maler Shmuel Blumberg erinnert
und mit Rabbiner Usi Teitelbaum und den
Gemeindemitgliedern das 1. Chanukkalicht
gezündet. Das Konzert wurde von der
Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz mit
Unterstützung des Zentralrats der Juden in
Deutschland und der Stadt Konstanz
veranstaltet.
Zu Ehren ihres ehemaligen
Kantors hat die Israelitische Kultusgemeinde
eine kleine Gedenkschrift herausgegeben, die
auch eine Auswahl von Gemälden des Künstlers
Shmuel Blumberg präsentiert und deren Text
hier wiedergegeben ist:
Jaakows Traum:
Erinnerungen an Shmuel
Blumberg
Von Thomas Uhrmann
Shmuel Blumberg wurde am
9. Aw 5671 (3. August 1911) im polnischen
Lódz geboren und kam im Alter von dreizehn
Jahren mit seinen Eltern nach Jerusalem.
Hier besuchte er rabbinische
Schulen und wurde in einer Kantorenschule
zum Chasan (Kantor) ausgebildet. Den ersten
Malunterricht erhielt Shmuel Blumberg von
seinem Vater, mit dem er später zusammen
Wandmalereien in alten Synagogen, darunter
auch in der Hurva-Synagoge im jüdischen
Viertel der Jerusalemer Altstadt, ausführte.
1955 wurde Blumberg als
Oberkantor der Synagogengemeinde nach Köln
berufen. Von 1956 bis 1960 war er Oberkantor
in der Seitenstettengasse-Synagoge der
Israelitischen Kultusgemeinde Wien und
studierte in dieser Zeit an der Akademie für
angewandte Kunst bei Professor Bäumer
Mosaikkunst und Glasmalerei. Fünf Monate
arbeitete er auch im Atelier des Wiener
Malers Professor Ernst Fuchs; zusammen mit
ihm stellte er auch erstmals seine eigenen
Werke aus. Ensemblemitglieder der Wiener
Staatsoper kamen in die Synagoge, um seinen
Gesang zu hören, doch das Angebot eines
Engagements an diesem weltberühmten Haus
lehnte er ab: zu wichtig waren ihm seine
Aufgaben für das jüdische Gemeindeleben.
Von 1960 - 1972 bekleidete
Shmuel Blumberg erneut die Stelle als
Oberkantor der Synagogengemeinde in Köln.
Von hier holte ihn der Gründer der
Israelitischen Kultusgemeinde, Sigmund
Nissenbaum, im Jahre 1973 nach Konstanz, wo
er bis zu seinem Tode als Oberkantor und
Lehrer amtierte und von wo aus er lange Zeit
gleichzeitig der Jüdischen Gemeinde in
Freiburg im Breisgau als Kantor und Lehrer
zur Verfügung stand. Auch als begnadeter
Maler, dessen Werke in jenen Jahren mehrfach
im In- und Ausland ausgestellt wurden,
wandte er sich hauptsächlich religiösen
Themen zu.
Shmuel Blumberg war weit über
die Gemeinde hinausreichend eine angesehene
Person in der Stadt Konstanz und hatte
zahlreiche Kontakte zu Vertretern des
öffentlichen Lebens und zu vielen Bürgern
geknüpft. Wer ihn am Schabbat auf seinem
Weg von zu Hause in die Synagoge und zurück
begleitete, erlebte, wie viele Menschen ihn
grüßten und das Gespräch mit ihm suchten.
Die Wohnung in der Konstanzer
Richentalstraße 5 war Atelier und Galerie
zugleich: eine Staffelei stand im größten
Zimmer, an den Wänden hingen seine Bilder
dicht an dicht, weitere Werke standen
aneinandergelehnt in den Ecken aller Räume,
und die Fenster waren bemalt mit Szenen aus
der Schöpfungsgeschichte. Zu den
Hauptmotiven seiner Kunst zählen
Landschaften in Israel, Beter in Synagogen,
biblische Erzählungen wie die abgewendete
Opferung Izchaks, Jaakows Kampf mit dem
Engel oder – immer wieder in verschiedenen
Varianten – König David mit der Harfe, um
nur einige zu nennen.
Hier empfing Shmuel Blumberg
oft und gerne Gäste und Bewunderer seiner
Kunst, Juden wie Nichtjuden. Wer bei ihm zu
Gast war, konnte viel über jüdische Religion
und Musik erfahren, konnte mit ihm gemeinsam
historische Tondokumente aus seiner reichen
Schallplattensammlung mit Aufnahmen
berühmter Chasanim (Kantoren) hören oder
lebhaften Schilderungen aus seinem bewegten
Leben, angereichert mit Anekdoten oder
hintergründigem Witz, lauschen. Auch in
Gesprächen über andere Themenbereiche, die
ihn stets beschäftigten – Theater,
Literatur, Geschichte oder aktuelle Politik
– zeigte sich die universelle Bildung Shmuel
Blumbergs. Tiefe Religiosität und Humanität,
Weisheit und Humor strahlte seine
Persönlichkeit bei diesen Begegnungen wie
auch in seinem Wirken für die Israelitische
Kultusgemeinde, die er in all den Jahren so
entscheidend prägte, aus.
Shmuel Blumbergs letztes
vollendetes Gemälde war ein Glasfenster im
Auftrag von Benjamin Nissenbaum für die
Israelitische Kultusgemeinde in der
Sigismundstraße, auf dem Jaakow und sein
Traum von der Himmelsleiter mit den Engeln
dargestellt ist. Die Installation an der
Ostseite des Gemeindezentrums im ersten
Stock konnte er selbst noch miterleben, und
in den letzten Monaten seines Lebens leitete
er die G’ttesdienste vor dem direkt daneben
auf gestellten Aron ha-Kodesch (Heilige
Lade; Toraschrein), als die Synagoge im
Erdgeschoss baulich erweitert und neu
gestaltet wurde.
Die Paraschat Wajeze (Bereschit
[1. Buch Mose], 28,10 – 32,2), der
Wochenabschnitt aus der Tora, in der die
Szene von Jaakows Traum beschrieben ist, war
an jenem Schabbat drei Tage vor seinem
plötzlichen Tod zur Lesung in der Synagoge
an der Reihe - und damit die letzte
Paraschat, die Shmuel Blumberg vor seiner
Gemeinde vortrug.
Zum Gedenken an
Shmuel Blumberg sel. A.
Aus Anlass der 10. Jahrzeit : Jaakows
Traum - Erinnerungen an Shmuel Blumberg
sel. A. / von Thomas Uhrmann.
Herausgeber: Israelitische
Kultusgemeinde Konstanz, Benjamin
Nissenbaum
Konstanz: Israelitische Kultusgemeinde,
5769 [2008]
[5] ungez. S. : Ill.
Enth. auch unter dem Titel "Als G'tt
noch ein Dichter war" internationale
Pressestimmen zu den Ausstellungen von
Shmuel Blumberg. - Mit Abbildungen von
Gemälden Shmuel Blumbergs
kann über die
Israelitische Kultusgemeinde Konstanz
Sigismundstr. 19
78462 Konstanz
Tel.: 07531/28 27 00
Mail: ikgkonstanz@t-online.de
bestellt werden. Unkostenbeitrag:
Rückporto für einen Din A-4-Umschlag
(normales Gewicht) in Briefmarken. |
"Als G’tt noch ein Dichter war" - Bilder
aus dem Judentum:
Internationale Pressestimmen zu den
Ausstellungen von Shmuel Blumberg
"Wie ruhig und kühn sind die
Gesichter seiner Menschen, die im Zentrum
der Landschaft wandeln. Immer wieder aber
ist es das Land Israel, das er zu zeigen
versteht wie kein anderer."
Ernst Fuchs in
"Neue Welt", Wien, Januar 1960
"... er ist als Maler ein
Unikat. Die Propheten, Tempelruinen und
biblischen Landschaften, die er im Bild
festhält, sind zwar mit geradezu kindlicher
Schlichtheit komponiert, doch eben durch sie
wird besser als durch irgendwelche sublimen
Kunstgriffe etwas von der archaischen
Urgewalt der dargestellten Themen sichtbar."
Manfred Vogel im
Österreichischen Rundfunk, Januar 1960
"...grosser Atem geht durch
Blumbergs Bildwelt, das macht ihren Reiz
aus."
"Neues Österreich",
Wien, 13. Januar 1960
"...der entdeckungsfreudige
Ernst Fuchs musste ihn erst dazu überreden,
seine Bilder auszustellen – und vielleicht
ist dies einer der Gründe, warum sie derart
überzeugen. Da steckt kein Bestreben
dahinter ‚Kunst zu machen’ und zu wirken, da
findet man die Eigenschaften unserer
vormittelalterlichen und mittelalterlichen
Meister wieder, denen das Schaffen ebenso
selbstverständlich wie notwendig war..."
"Die Ostschweiz",
St. Gallen, Januar 1960
"Blumberg empfindet die
Psalmen noch als Gesangstexte, er sagt, die
Musik gebe ihm die Kraft und die Phantasie.
In seinen Darstellungen glaubt man eine
Begegnung mit einer ganz anderen Welt zu
spüren."
"NRZ an Rhein und
Ruhr", Düsseldorf, September 1965
"...gelangen ihm visionäre
Untermalungen zu den weihevollen
Sprachschöpfungen der Psalmen. Die in Worte
nicht fassbare Atmosphäre der Farben, der
weichen verfließenden Formen sind von
altjüdischem Geisteserbe durchtränkt."
"Wiener Zeitung",
Wien, 10. November 1965
"Blumberg, ein Mensch von
seltener Empfindsamkeit, veranschaulicht in
seinen Gemälden mittels seiner pathetischen
Ausdruckskraft die jüdische Religion."
"La Laterne",
Bruxelles, 21. Januar 1967
"Der Ernst, die Strenge und
das Mysterium dieser Bilder, die den Büchern
Jesajas und Jeremias entnommen sind, hören
nicht auf, uns in Erstaunen zu setzen,
gleichwie die Mischung aus Demut und Stolz."
"La Phare Dimanche",
Bruxelles, 29. Januar 1967
"'Eine wunderbare Welt, worin
alles in jedem Augenblick möglich ist',
schwärmte der Kunstkritiker Roger Fry,
nachdem er in London eine Ausstellung
russischer Ikone gesehen hatte. Auch über
das Werk Marc Chagalls - dieses
volkstümlichen Träumers ließe sich solches
sagen. Und daß der in den Bildern des gleich
tief im Judentum verwurzelten Shmuel
Blumberg im Hintergrund anwesend ist, läßt
sich nicht übersehen.
Blumberg jedoch ... ist nicht der
Mythenerfinder und der Kolorist von Gottes
Gnaden. Er malt keine feingesponnenen
Kunstmärchen und macht nicht 'peinture'.
Keine hochfliegenden Hähne weit und breit,
keine mondsüchtigen Kühe - verrückte
Hochzeiten. Keine Bella. Blumberg hält sich
an das durch die Schrift beglaubigte
Ereignis. Er erzählt von einer Zeit, da die
Engel noch unter die Menschen gingen. Und
die Luft voll war von Flügelrauschen. Da
Gott noch ein Dichter war und die Welt
konkrete Poesie.
Moses, der die Gesetzestafeln empfängt, und
den Rabbiner mit der Tora in seiner frommen
Düsternis behandelt Blumberg mit geduldiger
Zärtlichkeit. Hin und wieder entrückt er ein
Bild der Alltagsrealität, indem er es auf
eine goldgrundierte Spanplatte montiert.
Will es über den intimen Rahmen des
Andachtsbildchens hinaus ins Große, ertrinkt
es ihm im emotionalen Strom der Farbe."
V.B., Badische
Zeitung (Kultur), Freiburg im Breisgau, 6.
November 1982
hagalil
04-01-2009 |