Westlicher Revisionismus und
arabisch-islamischer Revisionismus
Von Jens
Heibach
Trotz des hier bislang undifferenziert gebrauchten und eher
allgemein gehaltenen Terminus "Revisionismus" für die Auswüchse
westlicher und arabisch-islamischer Vertreter dieses Genres ist es
notwendig, zwischen den genauen Vorstellungen und Ziele beider
Seiten zu unterscheiden.
Während es das
Hauptziel der Revisionisten hierzulande ist, über die Leugnung der
Shoah zu einer Befreiung von der Last der Erinnerung, Verantwortung
und Schuld zu gelangen und aus dieser rückgewonnenen moralischen
Stärke neue Schichten von Rechtsextremen zu rekrutieren, stellt sich
die Frage, welche konkreten Absichten europäische Revisionisten mit
ihrem nahöstlichen Engagement verfolgen. Sieht man einmal von einer
Befriedigung von Eitelkeiten ab, dürften die Interviews in
nahöstlichen Medien doch zur Steigerung der eigenen Reputation
beitragen und zumindest eine leichte Rückwirkung auf Ansehen und
Bekanntheitsgrad im Heimatland haben. Die Expansion des westlichen
Revisionismus dürfte an die Hoffnungen finanzieller Unterstützung
geknüpft sein, die – wie am Beispiel Iran ersichtlich wird – nicht
ganz unbegründet sind. Gleichzeitig wird man hoffen, dass sich eine
gesteigerte Akzeptanz durch die Präsenz in islamischen Ländern
förderlich auf eine partiell angestrebte Allianz zwischen
Rechtsextremisten und islamistischen Gruppierungen in Europa
auswirkt. Und letzten Endes ist alles, was zur Schürung des
arabischen Antisemitismus beiträgt und sich gegen das verhasste
Israel richtet, aus rechtsextremer und revisionistischer Sicht
begrüßenswert.
Das Hauptziel des
Revisionismus von arabischer Seite hingegen ist die Delegitimierung
des Existenzrechts Israels. Hierzu wird die Shoah als
Gründungsmythos des Staates Israel dargestellt und schlichtweg
geleugnet und/oder verharmlost. Die Grundlage der Akzeptanz des
Revisionismus in der arabischen Bevölkerung bilden wiederum der
dortige Antisemitismus. Dieser speist sich aus einem Antijudaismus,
der in traditionellen islamischen Quellen begründet liegt, aus
antisemitischen Stereotypen europäischen und christlichen Ursprungs
und gipfelt schließlich in der Gleichsetzung des Zionismus mit dem
Nationalsozialismus.
Sofern
überhaupt schon von einem speziellen arabischen Revisionismus
gesprochen werden kann, erfährt diese arabische Variante eine
leichte Abwandlung. Ausgesprochen aktiv bei der Schaffung eines
arabischen Revisionismus zeigt sich die Gruppe um den Jordanier
Ibrahim Alloush, (1) die ja bekanntlich
die Schaffung eines "Arab Committee of Historical Revisionism" zum
Abschluss der Amman-Konferenz anregte. In seinem Aufsatz in der
revisionistischen Zeitschrift VffG (2)
verdeutlicht er seine Vorstellungen zur spezifischen arabischen
Stoßrichtung. Hierin schreibt er: "So
bemerkte ich zum Beispiel bei der Lektüre der Literatur vieler
revisionistischer Historiker, dass sie der Rolle und dem Interesse
westlicher Regierungen, den "Holocaust"-Mythos gewaltsam
aufrechtzuerhalten, nicht genügend Aufmerksamkeit schenken. Das
Dilemma könnte man wie folgt beschreiben: wenn wir darin
übereinstimmen, dass der Tod von Juden während des Zweiten
Weltkrieges weder einzigartig noch unvergleichbar ist, und wenn wir
darin übereinstimmen, dass die Zahlen massiv übertrieben wurden und
dass die Gaskammern nicht zur Tötung von Juden verwendet wurden,
sondern zur Ausmerzung von Seuchen, so stellt sich doch eine
wichtige Frage: Warum sind die Juden dann nach Palästina
gekommen? Es ist tatsächlich historisch nachgewiesen, dass die
europäischen Kolonialmächte die Einwanderung von Juden in ihre
Länder verhinderten, so dass die Juden statt dessen nach Palästina
gingen. Warum geschah dies?" [Hervorh. i.O.]
Die Antwort liegt für Alloush auf der Hand: "Die europäischen
Kolonialmächte hatten ein Interesse an der Bildung einer
demographischen Barriere mitten in der arabischen Welt (...)." Und
weiter: "Man merke: dies geschieht nicht, weil die armen westlichen
Regierungen durch irgendeine zionistische Verschwörung manipuliert
sind, sondern weil die westlichen Regierungen Vorteile durch die
Schaffung und Unterhaltung einer Kolonialbasis haben, welche die
östliche von der westlichen arabischen Welt trennt und sie im ganzen
schwächt." Alloushs nationalistische Ausführungen orientieren sich
also direkt an einem nasserschen Panarabismus. In erster Linie
erkennt er in der Aufrechterhaltung des "Holocaust-Mythos" nicht das
Werk jüdisch infiltrierter westlicher Marionettenregime, wie es
herkömmliche antisemitische Verschwörungstheorien vorsehen, sondern
das strategische Interesse der westlichen Staatenwelt an der
Spaltung eines von ihm ersehnten Großarabiens.
Diese Interpretation geht im Grunde an die Wurzeln des
verschwörungstheoretischen motivierten westlichen Revisionismus und
birgt an und für sich Potential für einen zukünftigen Konflikt
zwischen beiden revisionistischen Strömungen in sich. Außerdem – um
in den Kategorien realistischer Geopolitik zu bleiben – verböte sich
somit die beschworene deutsch-arabische Bruderschaft von selbst, da
von arabischer Seite nicht einzusehen wäre, warum sich die
angebliche westliche Politik der Spaltung unter völkisch-nationalen
Regierungen ändern sollte.
Die deutsch-arabischen Freundschaftsbande werden hier als das
entlarvt, als was sie deren Prediger auch konzipiert haben,
gegenüber ihren rechten Straßenschlägern jedoch schwerlich
eingestehen können – bloße Zweckbündnisse.
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Anmerkungen:
(1) Eine Vielzahl revisionistischer Texte lässt
sich etwa in dem von Ibrahim Alloush et al. herausgegebenen
Periodikum "Free Arab Voice" und deren Internetpräsenz finden. Vgl.
http://www.freearabvoice.org/.
(2) Ibrahim Alloush: Die Geschichte eines Forums,
das nicht stattfinden sollte. Das freie Arabien und der
Revisionismus, in:
Vierteljahreshefte für freie
Geschichtsforschung
5(2) (2001), S. 124-136.
hagalil.com
08-08-2004
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