Zur Wahrscheinlichkeit der Kooperation zwischen Rechtsextremen und
Islamisten
Von Jens
Heibach
In der vergangenen Zeit wurde in zahlreichen Zeitungsartikeln und
Berichten über eine befürchtete Zusammenarbeit zwischen
rechtsextremen Gruppierungen und islamistischen Terroristen bei der
Vorbereitung und Ausführung von terroristischen Anschlägen
diskutiert.
Der Großteil der
zu diesem Thema vorzufindenden Berichte erschien unmittelbar nach
dem Auftauchen von
Horst Mahler
und dem
NPD-Vorsitzenden Udo Voigt auf einer Veranstaltung der Hisb ut
Tahrir am 27. Oktober 2002 in der Mensa der TU Berlin, was wohl
an mancher Stelle zu leicht überzogenen und vorschnellen
Schlussfolgerungen geführt hat. Dennoch gibt es durchaus
ernstzunehmende Ansatzpunkte, die auf eine verstärkte Kooperation in
naher Zukunft hindeuten könnten. Gründe für eine solche Annahme
lassen sich vor allem in relevanten Überschneidungen der Ideologie
und Zielrichtung sowie damit verbundenen praktischen Überlegungen
ausmachen.
Es sind im
Wesentlichen zwei Punkte, in denen sich Rechtsextremismus und
islamistische Ansätze berühren. Das ist zum einen ein radikaler
Antisemitismus und Antizionismus, gekoppelt mit dem Infragestellen
des Existenzrechts des Staates Israel, und zum zweiten die den
beiden Denkweisen innewohnenden Verschwörungstheorien, welche
essentiell von einer Weltherrschaft der Juden, beziehungsweise der
von Juden kontrollierten USA, ausgehen.(1)
Außerdem weisen Rechtsextremismus und radikaler Islamismus weitere
punktuelle ideologische Gemeinsamkeiten auf, nämlich:
a) die Ablehnung
der freiheitlichen demokratischen Grundordnung,
b) die Ablehnung des Feindbild Kapitalismus, USA-Imperialismus,
Globalisierung (Antiamerikanismus, anti-westlich, "Ostküste")
c) Autoritarismus
d) sowie einen ausgeprägter Charakter patriarchalischer Herrschaft.(2)
Neben dieser
Verwandtschaft im Geiste sind es vor allem vorübergehende gemeinsame
Interessen im operativen Bereich, die für ein Zusammenwirken von
Islamisten und Rechts-radikalisten sprechen könnten, nämlich:
a) die Logistik
des Lebens im Untergrund,
b) das Beschaffung von Waffen
c) und die aktive Partizipation bei eventuellen Anschlägen. (3)
Gerade von
rechtsextremistischer Seite ist man diesbezüglich angetan von den
organisatorischen Fähigkeiten islamistischer Gruppierungen, etwa bei
der Bildung von Netzwerken oder bei der präzisen Planung und
Vorbereitung von Anschlägen. (4) Diese Art
von Bewunderung der "handwerklichen Fertigkeiten" islamistischer
Terroristen geht über in eine Art Faszination der Opferbereitschaft.
William Pierce beispielsweise nannte die Attentäter von New York und
Washington "people with an sense of pride". Herbert Müller vom
Verfassungsschutz Baden-Württemberg sagt hierzu: "Islamic militants
are strange heroes for the right wing.
The right wing detests Islam, but that kind of commitment shows what
they are lacking."(5)
In diesem
Zusammenhang sind wohl auch die Äußerungen Horst Mahlers zu sehen,
der 1999 auf einer Rede vor einem NPD-Parteitag vom Islamismus als
"heilsame Schockbehandlung für die Deutschen" spricht, der auf ein
"im Westen [vorherrschendes] geistiges Vakuum" trifft.
Bevor im
folgenden die Punkte konkretisiert werden, die einer Zusammenarbeit
entgegenstehen, ist aus Gründen der Vollständigkeit auf die
historischen Verbindungen zwischen Nationalsozialismus sowie
Neonazis und der arabischen Welt hinzuweisen, die an anderer Stelle
bereits anschaulich dargestellt werden. (6)
Erwähnenswert ist hierbei, dass sich Neonazis schon seit Jahrzehnten
– aus bekannten Gründen – mit der PLO solidarisierten. Diese
Solidaritätsbekundungen verlagern sich, parallel zur Entwicklung
innerhalb der PLO, nun immer mehr hin zum islamischen
Fundamentalismus. Weitere Indizien, die zumindest für einseitige
Annäherungsversuche der rechtsextremen an die arabisch-islamistische
Seite sprechen, sind etwa die Intifada-Links, die mittlerweile auf
jeder nennenswerten rechtsextremen Internetpräsenz vorzufinden sind,
die Solidarisierung der Rechten mit dem Irak im Vorfeld des
Irak-Kriegs und die Tatsache, dass unmittelbar vor Kriegsbeginn
Mitglieder des "Freiheitscorps" in SS-Uniformen in Bagdad
verweilten.
Trotz all der
eben angeführten Punkte, die für eine potentielle Zusammenarbeit
beider extremistischer Gruppen spricht, ist nach Abschluss dieser
Internet-Recherche nur ein einziges Indiz gefunden worden, dass auf
eine konkrete Kooperation rechtsextremistischer Aktivisten mit
islamistischen Terroristen schließen lässt. So berichtete die
Mailänder Zeitung Corriere della Sera unter Berufung auf
deutsche Geheimdienstkreise, dass bin Laden im Vorfeld des
G8-Weltwirtschaftsgipfel im Sommer 2001 in Genua begonnen haben
soll, rechtsextreme Kreise in ganz Europa finanziell zu
unterstützen, um deren Mithilfe bei der Vorbereitung von Anschlägen
zu gewinnen. (7)
Gegen die
Zusammenarbeit von Neonazis und Islamisten sprechen dem gemäß eine
Reihe triftiger Gründe. Trotz punktueller Gemeinsamkeiten und dem
gemeinsamen Feindbild der Juden und der USA trennen beide
gleichzeitig tiefe ideologische Gräben. Vor allem den
Rechtsextremisten "auf der Strasse" scheint eine solche
Interessengemeinschaft schwer vermittelbar. Von der ideologischen
Seite sehen sich Rechtsextremisten als Beschützer
der abendländischen Kultur, egal ob diese einen heidnischen,
christlichen oder atheistischen Anstrich hat. Rechtes Gedankengut
ist vor allem völkisch-nationalistisch geprägt und widerspricht
somit der internationalen Ausgerichtetheit des Islams. Ihrem
rassistischem Weltbild entsprechend verurteilten etwa die
Republikaner (REP) und die Deutsche Volksunion (DVU) die Attentate
des 9/11 als "barbarische Akte" und verknüpften sie mit
fremdenfeindlichen Forderungen, da die Attentäter größtenteils ihre
Ausgangsbasis in Deutschland hatten. Etablierte Politiker aller
Parteien trügen die Verantwortung dafür, dass deutsche Städte "durch
den ungezügelten Ausländerzustrom (...) zu Terrornestern und zu
Stützpunkten ausländischer Fanatiker geworden" seien. Aus diesen
Worten ist dann auch nicht mehr viel von einer arabisch-deutschen
Bruderschaft herauszuhören.
Folgerichtig
gehen die Einschätzungen vieler Experten von einer geringen
Wahrscheinlichkeit der Zusammenarbeit aus.
"Right wing extremists are so xenophobic that we can't imagine a
deep structural connection between these groups. But we are keeping
an eye on it", wird beispielsweise die Sprecherin des Berliner
Verfassungsschutzes, Isabelle Kalbitzer, in der Los Angeles Times
zitiert. Auch der Sprecher des Bundesamtes für Verfassungsschutz,
Hans-Gert Lange, hält nach dem Erscheinen Mahlers und Voigts auf der
erwähnten Veranstaltung der Hisb ut Tharir derartige
Befürchtungen aufgrund der rassistischen Einstellung der NPD für
übertrieben. Es sei für ihn "momentan nicht erkennbar, dass über
Einzelkontakte hinaus eine Zusammenarbeit funktionieren könnte."
Aus
islamistischer Perspektive sprechen ebenfalls einige schwerwiegende
Gründe gegen ein gemeinsames Vorgehen. Für den radikalen Islamisten
steht der Islam im Zentrum aller Lebensbereiche, er muss also alle
seine Handlungen am Islam ausrichten. Langfristiges Ziel, zumindest
von einigen Gruppierungen, ist die Herrschaft des Islams,
Zwischenziel ist die Islamisierung der Heimat- und/oder
Aufenthaltsländer beziehungsweise der muslimischen Gemeinschaft in
der unmittelbaren Umgebung. "Dem Islamismus sind Rassismus,
Materialismus und Klassenkampf fremd; kein überzeugter Islamist
würde sich mit nach seiner Auffassung verkommenen, gottlosen
Nicht-Muslimen verbünden (...)."(8) Diese
Aussage bestätigen beispielsweise die Worte Scheichs Omar Bakri
Muhammad. Der in London lebende radikale Kleriker kündigte im
Gespräch mit dem portugiesischen Magazin Publica an, dass
mehrere militante Muslim-Gruppen Anschläge in London vorbereiten.
Die al Qaida Europa sei sehr gut organisiert und für eine
"große Aktion bereit. Wir machen keine Unterschiede zwischen
Zivilisten und Nicht-Zivilisten, zwischen Unschuldigen und
Schuldigen – nur zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen. Und das Leben
eines Ungläubigen ist wertlos."(9) Gerade
der letzte Satz zeugt von der vehementen Ablehnung und Befremdung
radikaler Islamisten, mit der man Andersgläubigen gegenübertritt.
Eine erfolgreiche Zusammenarbeit, auch gegen einen gemeinsamen
verhassten Feind, dürfte für Muslime dieses Kalibers eine schwer zu
überwindende Barriere darstellen. Deswegen verwundert es nicht, wenn
Shaker Assem, Chef der Hisb ut Tahrir in Deutschland, zur
Anwesenheit Voigts und Mahlers auf der Hisb ut Tahrir-Veranstaltung
sagt: "I was astonished.
I
didn't know who he was until someone told me."
Shaker glaube
außerdem nicht an eine Zusammenarbeit.
"We have very different ideas."(10)
>>>Weiter
Anmerkungen:
(1) In
Bezug auf Verschwörungstheorien um die Anschläge von 9/11 bietet
sich von islamistischer Seite kein einheitliches Bild. Zudem muss
zwischen öffentlichen und nicht-öffentlichen Äußerungen
unterschieden werden. Hisb ut tahrir beispielsweise leugnet
in einer Erklärung zu den Anschlägen von New York und Washington die
Verantwortung der al Qaida, ohne dabei jedoch den Fehler zu
begehen, sich öffentlich zu Verschwörungs-fantastereien a la Horst
Mahler zu bekennen. Die Positionen der verschiedenen islamistischen
Organisationen weltweit zu diesem Thema sind einzusehen unter
http://www.stura.uni-leipzig.de/~farao/gruppen/. Selbst al
Qaida hat bis zum heutigen Tag offiziell noch keine
Verantwortung für die Attentate übernommen. Es muss die Frage
gestellt werden, inwieweit hiermit von Anfang an beabsichtigt wurde,
zur Entstehung solcher Verschwörungstheorien beizutragen.
(2) In
diesem Zusammenhang sollte auch auf das soeben erschienene Werk
"Liberalismus und Terror" des amerikanischen Publizisten Paul Berman
hingewiesen werden, der mit Bezug auf die hier aufgeführten Punkte
im gegenwärtigen Islamismus eine Fortsetzung totalitärer Bewegungen
des 20. Jahrhundert zu erkennen glaubt. Den "Islamofaschismus", so
Bermans Terminologie, vereine mit Faschismus und Kommunismus
im Kern deren Feindbild des Liberalismus. Für die Kritik an der
Begrifflichkeit vgl. SZ vom 10./11./12. April 04, S.13.
(3) Diese
Punkte werden von Johannes und Germana von Dohnanyi vorgebracht;
vgl.
http://www.oraclesyndicate.org/pub_g/fux/ver_09-02_1.htm .
Islamistische Organisationen wie etwa die Hisb ut Tahrir
operieren hingegen meistens in kleineren Zellen von 5-7 Personen,
was wesentlich zu deren Effizienz beiträgt. Warum also, könnte man
fragen, sollte der Kreis der Mitwisser bei der Vorbereitung von
Anschlägen vergrößert werden. Schließlich gilt: je größer die Anzahl
der beteiligten Personen, desto schwieriger und umfangreicher der
Grad der erforderlichen Kommunikation. Um so größer ist
dementsprechend die Gefahr, aufzufliegen. Und wenn der Kreis der
Beteiligten ausgeweitet werden soll, warum dann nicht mit
Gleichgesinnten bzw. Gläubigen?
(4)
Vgl. Jeffrey Fleishman: Shared hatred draws groups
closer: Authorities eyeing neo-Nazis, Islamists, in: Los Angeles
Times vom 19. Januar 2003; im Internet
erhältlich unter
http://www.boston.com/dailyglobe2/019/nation/Shared_hatred_
draws_groups_closerP.shtmls.
(5) Ebenda.
(6) Vgl.
hierzu etwa den Aufsatz von Anton Maegerle und Heribert Schiedel:
Krude Allianz. Das arabisch-islamistische Bündnis mit deutschen und
österreichischen Rechtsextremisten, erhältlich im Internet unter
http://doew.at/frames.php?/thema/rechts/allianz.html.
(7) Dieser
Bericht von Corriere della Sera wird zitiert in einem Artikel
von Paul Lungen: Holocaust denial finds new home, in: Canadian
Jewish News vom 22. Februar 2001, im Internet erhältlich unter
http://www.cjnews.com/pastissues/01/feb22-01/main.asp.
(8)
Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Gemeinsame
Ziele? Ansätze und Perspektiven der Zusammenarbeit rechter, linker
und islamistischer Extremisten, August 2003, S.3.
(9) zit.
nach SZ vom 20. April 2004, S.7.
(10)
http://www.boston.com/dailyglobe2/019/nation/
Shared_hatred_draws_groups_closerP.shtmls
hagalil.com
08-08-2004
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