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Sicherungsmechanismen gegen das Wirken pathologischer Charaktere:
Möllemann ins Kloster

Von Bernd Späth

Was politisch in der letzten Zeit schief gelaufen ist, das sehen wir. Was in Jürgen W. Möllemann selbst schief läuft, können wir nur erahnen. Aber ich befürchte, es liegt erheblicher Therapiebedarf vor. Und so wundere ich mich: Hat die Politik tatsächlich keine Sicherungsmechanismen gegen das Wirken pathologischer Charaktere?

Ist das auch in der Fachliteratur beschriebene Charisma des Gestörten so unwiderstehlich, dass man nur Zuschauer dabei sein kann, wie einer im Prozess seiner Selbstzerstörung andere mitzieht? Und da, meine ich, hätte Heribert Prantl in seinem Leitartikel (Eine Partei, zwei Spieler / SZ vom 7. Juni) ruhig auch die Konsequenzen nennen sollen: Die Demokratie muss solchen öffentlichen Inszenierungen der eigenen Symptomatik klare Grenzlinien ziehen, denn die Schäden trägt in erster Linie das Land.

Jemand wie Möllemann muss aus der deutschen Politik verschwinden. Es genügt nicht, eine unbedeutende Figur wie Jamal Karsli – wenn auch zu Recht – aus Partei und Fraktion auszuschließen. In manchen asiatischen Kulturen würde einer wie Möllemann jetzt erst einmal für drei Monate zur Meditation in ein Kloster gehen. Wenigstens etwas Abgeschiedenheit und etwas Einzeltherapie, das wäre schon das Mindeste, was man verlangen könnte.

Leserbriefe / Samstag/Sonntag, 15./16. Juni 2002
Seite 46

Eine Partei, zwei Spieler

VON HERIBERT PRANTL

Möllemann ist kein Ideologe. Er ist ein Spieler. Nun hat er eine Partie verloren, diesmal gegen Westerwelle. Aber sein Spiel geht weiter und die Strategie dabei bleibt die alte: Provokation mit den Mitteln, die gerade passen. Antisemitismus passt gerade nicht mehr so ganz; deshalb hat Möllemann eine halbe Entschuldigung abgeliefert, eine Entschuldigung im Konjunktiv; und er hat auch seinen Schützling Karsli nolens volens auf Distanz gerückt. Schuldeinsicht war damit nicht verbunden, Möllemann bleibt uneinsichtig. Er legte auch gleich wieder nach und nahm Michel Friedman von seiner Entschuldigung aus.

Möllemann ist nämlich erstens ein schlechter Verlierer und zweitens, um es mit einem schönen juristischen Begriff zu sagen, ein Omnimodo Facturus: einer, den man zu nichts anstiften kann, weil er ohnehin zu allem bereit ist. Er war bereit, mit widerlichen Vorurteilen zu spielen, und er würde es auch wieder tun. Jetzt hat er mit dem Abgeordneten Karsli einen seiner Würfel weggelegt, weil es opportun war. Ein Ideologe hätte das nicht so schnell getan. Aber manchmal sind die Spieler gefährlicher als die Ideologen: weil die Leute dem Spieler leichter auf den Leim gehen als dem Ideologen.

Zu einer Partie gehören mindestens zwei: Der zweite heißt Westerwelle. Auch er ist ein Spieler – und deswegen trumpft er auch sofort wieder auf, sobald sich das Blatt wendet. Das hat er gestern in Berlin gezeigt: Aus einem fahrigen Fant, der er tags zuvor noch war, wurde auf einmal wieder ein politischer Zocker, der sich nichts darum schert, dass die Grenze zwischen Tollkühnheit und Unverschämtheit sehr schmal ist: Westerwelle ersetzt seine innere Haltlosigkeit bei politischen Grundfragen durch die Schärfe des Auftritts: Er macht also aus der FDP ein Opfer, lobt sie für die unsägliche Debatte, die sie selber forciert hat und er tut so, als sei das eine Leistung gewesen, die sich lohnen muss. Und weil ein erfolgreicher Spieler großzügig ist, wenn er gewonnen hat, klopft er seinem Stellvertreter anerkennend auf die Schulter: Gut gemacht, Möllemann!

Und das soll nun alles gewesen sein? Ein bisschen Entschuldigung? Westerwelle muss mehr machen, wenn es ihm um mehr geht, als nur darum, Vorsitzender zu sein und zu bleiben. Er muss sich von seinem unseligen Berater Goergen trennen. Er muss deutlich machen, dass seine Partei nicht wie Schnittlauch ist, der auf jeder Suppe schwimmt, auch auf der angebrannten. Liberalität heißt: Kampf gegen Vorurteile. Und das meint das Gegenteil der Politik, die Westerwelle in den vergangenen Wochen billigend in Kauf genommen und die er partiell verteidigt hat. Wer so auftritt und so redet wie Westerwelle bei der gestrigen Pressekonferenz, der zeigt, dass er zwar über den Parteifreund Möllemann obsiegt, aber den Möllemann in sich selbst nicht besiegt hat, ja dass er dies auch gar nicht beabsichtigt. Es geht Westerwelle offenbar weniger um einen klaren Grundkurs der Partei, es geht ihm um die Herrschaft über den Spieltisch, auf dem um die 18 Prozent gespielt wird. Er will die Bank sein, womöglich noch der Croupier und der dominante Spieler – dann kommt ihm die Zockerleidenschaft der anderen, auch die von Möllemann, zupass.

In den zurückliegenden Möllemann-Festwochen ist des öfteren darauf hingewiesen worden, dass der Rechtspopulismus der FDP nicht plötzlich vom Himmel gefallen sei. Er hat tatsächlich Tradition in der Partei, auch der bräunlich eingefärbte: In den fünfziger und sechziger Jahren war die FDP eine Partei, die der alten Elite gern Heimat geboten hat – Ernst Achenbach, einst Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses der FDP, war ein prominentes Beispiel. Das deutschnationale Alphabet der FDP reichte von A bis Z, von Achenbach bis Zoglmann; letzterer hat selbst in der sozialliberalen Koalition noch einige Zeit politisch überlebt. Seitdem freilich hat die Rechtsaußenideologie wenig Chancen gehabt in der FDP: Die jüngeren Vorstöße, angeführt von Manfred Brunner in München, einem Heiner Kappel in Hessen oder von Alexander von Stahl in Berlin, sind gescheitert.

Diese Protagonisten einer anderen FDP hatten ein geschlossenes Rechtsaußen-Weltbild: Da wurden etwa in einem Berliner FDP- Papier von 1994 Gleichberechtigung, Feminismus und Apartheid in einem Atemzug genannt, da wurde Ökologie als Hysterie denunziert, die Integratrion von Ausländern als gefährliche Ideologie beschimpft. Narreteien dieser Art hat die FDP nicht hochkommen lassen. Und ein Narr dieser Art ist JürgenMöllemann nicht. Er war und ist der Vorkämpfer für eine sozialliberale Koalition, er gehört zu jener Minderheit in der FDP, die den Lauschangriff ablehnte. Er galt in der FDP immer eher als Linker. Das war und ist er sowenig, wie er heute ein nationalistischer Ideologe ist. Möllemann spielt eben nur gern; er spielt die Karten aus, von denen er glaubt, dass sie stechen. Darin erschöpft sich seine Ideologie.

Spekulationen über einen Parteiaustritt Möllemanns und der Gründung einer neuen Rechts-Partei waren und sind Unfug: Möllemann braucht den blau- gelben Mantel der FDP, so wie ein Schill in Hamburg den Talar des Richters brauchte: Mit einem solchen Umhang wird Populismus nobilitiert.

hagalil.com 18-04-2002


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