VON HERIBERT PRANTL
Möllemann ist kein Ideologe. Er ist ein Spieler. Nun hat
er eine Partie verloren, diesmal gegen Westerwelle. Aber sein Spiel geht
weiter und die Strategie dabei bleibt die alte: Provokation mit den Mitteln,
die gerade passen. Antisemitismus passt gerade nicht mehr so ganz; deshalb
hat Möllemann eine halbe Entschuldigung abgeliefert, eine Entschuldigung im
Konjunktiv; und er hat auch seinen Schützling Karsli nolens volens auf
Distanz gerückt. Schuldeinsicht war damit nicht verbunden, Möllemann bleibt
uneinsichtig. Er legte auch gleich wieder nach und nahm Michel Friedman von
seiner Entschuldigung aus.
Möllemann ist nämlich erstens ein schlechter Verlierer und
zweitens, um es mit einem schönen juristischen Begriff zu sagen, ein
Omnimodo Facturus: einer, den man zu nichts anstiften kann, weil er ohnehin
zu allem bereit ist. Er war bereit, mit widerlichen Vorurteilen zu spielen,
und er würde es auch wieder tun. Jetzt hat er mit dem Abgeordneten Karsli
einen seiner Würfel weggelegt, weil es opportun war. Ein Ideologe hätte das
nicht so schnell getan. Aber manchmal sind die Spieler gefährlicher als die
Ideologen: weil die Leute dem Spieler leichter auf den Leim gehen als dem
Ideologen.
Zu einer Partie gehören mindestens zwei: Der zweite heißt
Westerwelle. Auch er ist ein Spieler – und deswegen trumpft er auch sofort
wieder auf, sobald sich das Blatt wendet. Das hat er gestern in Berlin
gezeigt: Aus einem fahrigen Fant, der er tags zuvor noch war, wurde auf
einmal wieder ein politischer Zocker, der sich nichts darum schert, dass die
Grenze zwischen Tollkühnheit und Unverschämtheit sehr schmal ist:
Westerwelle ersetzt seine innere Haltlosigkeit bei politischen Grundfragen
durch die Schärfe des Auftritts: Er macht also aus der FDP ein Opfer, lobt
sie für die unsägliche Debatte, die sie selber forciert hat und er tut so,
als sei das eine Leistung gewesen, die sich lohnen muss. Und weil ein
erfolgreicher Spieler großzügig ist, wenn er gewonnen hat, klopft er seinem
Stellvertreter anerkennend auf die Schulter: Gut gemacht, Möllemann!
Und das soll nun alles gewesen sein? Ein bisschen
Entschuldigung? Westerwelle muss mehr machen, wenn es ihm um mehr geht, als
nur darum, Vorsitzender zu sein und zu bleiben. Er muss sich von seinem
unseligen Berater Goergen trennen. Er muss deutlich machen, dass seine
Partei nicht wie Schnittlauch ist, der auf jeder Suppe schwimmt, auch auf
der angebrannten. Liberalität heißt: Kampf gegen Vorurteile. Und das meint
das Gegenteil der Politik, die Westerwelle in den vergangenen Wochen
billigend in Kauf genommen und die er partiell verteidigt hat. Wer so
auftritt und so redet wie Westerwelle bei der gestrigen Pressekonferenz, der
zeigt, dass er zwar über den Parteifreund Möllemann obsiegt, aber den
Möllemann in sich selbst nicht besiegt hat, ja dass er dies auch gar nicht
beabsichtigt. Es geht Westerwelle offenbar weniger um einen klaren Grundkurs
der Partei, es geht ihm um die Herrschaft über den Spieltisch, auf dem um
die 18 Prozent gespielt wird. Er will die Bank sein, womöglich noch der
Croupier und der dominante Spieler – dann kommt ihm die Zockerleidenschaft
der anderen, auch die von Möllemann, zupass.
In den zurückliegenden Möllemann-Festwochen ist des
öfteren darauf hingewiesen worden, dass der Rechtspopulismus der FDP nicht
plötzlich vom Himmel gefallen sei. Er hat tatsächlich Tradition in der
Partei, auch der bräunlich eingefärbte: In den fünfziger und sechziger
Jahren war die FDP eine Partei, die der alten Elite gern Heimat geboten hat
– Ernst Achenbach, einst Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses der
FDP, war ein prominentes Beispiel. Das deutschnationale Alphabet der FDP
reichte von A bis Z, von Achenbach bis Zoglmann; letzterer hat selbst in der
sozialliberalen Koalition noch einige Zeit politisch überlebt. Seitdem
freilich hat die Rechtsaußenideologie wenig Chancen gehabt in der FDP: Die
jüngeren Vorstöße, angeführt von Manfred Brunner in München, einem Heiner
Kappel in Hessen oder von Alexander von Stahl in Berlin, sind gescheitert.
Diese Protagonisten einer anderen FDP hatten ein
geschlossenes Rechtsaußen-Weltbild: Da wurden etwa in einem Berliner FDP-
Papier von 1994 Gleichberechtigung, Feminismus und Apartheid in einem
Atemzug genannt, da wurde Ökologie als Hysterie denunziert, die Integratrion
von Ausländern als gefährliche Ideologie beschimpft. Narreteien dieser Art
hat die FDP nicht hochkommen lassen. Und ein Narr dieser Art ist
JürgenMöllemann nicht. Er war und ist der Vorkämpfer für eine sozialliberale
Koalition, er gehört zu jener Minderheit in der FDP, die den Lauschangriff
ablehnte. Er galt in der FDP immer eher als Linker. Das war und ist er
sowenig, wie er heute ein nationalistischer Ideologe ist. Möllemann spielt
eben nur gern; er spielt die Karten aus, von denen er glaubt, dass sie
stechen. Darin erschöpft sich seine Ideologie.
Spekulationen über einen Parteiaustritt Möllemanns und der
Gründung einer neuen Rechts-Partei waren und sind Unfug: Möllemann braucht
den blau- gelben Mantel der FDP, so wie ein Schill in Hamburg den Talar des
Richters brauchte: Mit einem solchen Umhang wird Populismus nobilitiert.