Rechtsextremistische Bestrebungen und Verdachtsfälle:
Antisemitische Agitation
Aus der Vorabveröffentlichung des
Verfassungsschutzberichtes 2005,
am 22-05-2006.
Die antisemitische Agitation ist weiterhin im
gesamten Spektrum des Rechtsextremismus verbreitet. Die Szene nutzte
einmal mehr tagespolitische Ereignisse und Gedenktage, um ihren
judenfeindlichen Ansichten in der Öffentlichkeit eine breite
Resonanz zu verschaffen. Antisemitismus ist der kleinste gemeinsame
Nenner der heterogenen rechtsextremistischen Szene, er äußert sich
in Publikationen, im Parlament und bei verschiedensten Aktivitäten
von Rechtsextremisten.
Auch 2005 wurden wieder zahlreiche antisemitische Straftaten sowie
Friedhofs-, Synagogen- und Gedenkstättenschändungen registriert
(vgl. Politisch motivierte Kriminalität (PMK), Kap. IM, Nr. 1.2.2
und 1.2.4).
Antizionistischer und sekundärer Antisemitismus
Religiös motivierter Antisemitismus, der "die
Juden" als Kinder des Satans und Feinde der Christen anprangert,
findet in der rechtsextremistischen Szene kaum Anhänger. Hingegen
ist die Judenfeindschaft aus rassistischen, sozialen oder
politischen Motiven weiterverbreitet. Besonders stark ausgeprägt
sind derzeit der antizionistische und der so genannte sekundäre
Antisemitismus.
Der antizionistische Antisemitismus konnte vor dem Hintergrund des
nach der Ausrufung der Zweiten Intifada im Jahr 2000 eskalierten
Nahostkonflikts an Bedeutung gewinnen. Rechtsextremisten nutzen die
im politischen und gesellschaftlichen Diskurs auch in harscher Form
geäußerte, durchaus noch legitime Kritik an einzelnen politischen
Entscheidungen der israelischen Regierung als Vehikel, um mit einer
pauschalen Diffamierung die Existenzberechtigung Israels in Frage zu
stellen. Häufig wird versucht, eine imaginäre Gesamtheit des
Judentums für die politischen Handlungen des Staates Israel
verantwortlich zu machen.78 Ebenso sind Gleichsetzungen
der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern mit den
nationalsozialistischen Verbrechen an den Juden ein gängiges Mittel,
um durch eine rhetorische Umkehr der Opfer-Täter-Rollen eine
Relativierung der Verbrechen im Dritten Reich zu erzielen.
An diesen Gedanken knüpft auch der "sekundäre Antisemitismus" an.
Dessen Anhänger werfen den Juden vor, sie nutzten die Verantwortung
Deutschlands für die nationalsozialistischen Verbrechen und die
ständige Erinnerung daran aus, um das Land finanziell und politisch
zu erpressen und letztendlich ein Wiedererstarken des Staates zu
verhindern. Dieser Vorwurf geht häufig mit der Relativierung der
Opferzahlen oder gar Leugnung des gesamten Holocaust einher.
Allen Formen des Antisemitismus gemein ist die Unterstellung
pauschal negativer Eigenschaften, die die Ausgrenzung,
Benachteiligung, Verfolgung und gar Ausrottung "der Juden" als
"gerechtfertigt" erscheinen lassen soll.79
- 78 Zur Abgrenzung von
antizionistischem Antisemitismus und Israelkritik vgl. Aribert
Heyder/Julia Iser/Peter Schmidt: Israelkritik oder
Antisemitismus? Meinungsbildung zwischen Öffentlichkeit, Medien
und Tabus, in: W. Heitmeyer (Hrsg.): Deutsche Zustände, Folge 3,
Frankfurt/M. 2005, S. 144-165, hier S. 146 f.- 114 -
Rechtsextremistische Bestrebungen und Verdachtsfälle.
- 79 Zur Definition und Beschreibung der
verschiedenen Formen des Antisemitismus vgl. Pfahl-Traughber,
Armin: Antisemitismus in der deutschen Geschichte, Opladen 2002.
Daneben: Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.):
Argumentationsmuster im rechtsextremistischen Antisemitismus.
Aktuelle Entwicklungen, Köln 2005.
Offener Antisemitismus
Aufgrund eines in der Öffentlichkeit
vorherrschenden Konsenses gegen Antisemitismus einerseits und der
Aufmerksamkeit der Strafverfolgungsbehörden andererseits beschränken
sich zahlreiche Rechtsextremisten in ihrer antisemitischen Agitation
auf Andeutungen. Offen artikulierter Antisemitismus ist insbesondere
noch in der Skinhead-Szene virulent, deren Musikgruppen äußerst
aggressive Texte verbreiten. Häufig handelt es sich um im Ausland
produzierte und nach Deutschland importierte Tonträger.
Antizionistisch motiviert ist die Gleichsetzung des Staates Israel
mit dem Judentum in dem Lied "Panzer rollen in Israel vor" auf der
CD "The Hateshow" der Skinhead-Band "Murder Squad".
80 Die Band propagiert die
Zerschlagung des israelischen Staates:
"Die Deutschen kommen, ihr Juden habt Acht, denn eure Vernichtung
wird zum Ziel uns gemacht. Wir fürchten vor Tod und vor Teufel uns
nicht, an uns die jüdische Hochburg zerbricht. Es rasseln die
Ketten, es dröhnt der Motor, Panzer rollen in Israel vor.... Heiß
über Israel, die Sonne sie glüht, unsere Panzermotoren, die singen
ihr Lied. Deutsche Panzer im Sonnenbrand stehen zur Schlacht gegen
Zions Land."
Doch auch in Deutschland soll gegen Juden mit
Waffengewalt vorgegangen werden. So heißt es auf derselben CD in dem
Lied "Kameraden steht auf:
"Mit Panzern und Granaten und schwerem MG, mit
Mörsern, Raketen und TNT, die Terrorwelle, sie schwappt über's Land,
wir stecken den Zentralrat der Juden in Brand."
Mit Blick auf zu erwartende Exekutiv- und
Indizierungsmaßnahmen äußern sich nur wenige hiesige Bands so
unverhohlen in ihren Liedern. Eindeutige Texte finden sich deshalb
vor allem bei ausländischen Bands, deren CDs in der deutschen Szene
deshalb Popularität genießen. So erschien im Jahr 2005 der Tonträger
"Nor Cal Hate Core" 81
der US-amerikanischen Band "Frontline". Dort heißt es in dem Lied
"Final Solution" mit direktem Bezug auf den Holocaust:
"I think that it is finally time for the jews
to pay for all their crimes. Pre-pare for war, A White Revolution.
The time is near for jewish execu-tion. Cleansing begins, we get our
retribution. Lets wipe 'em out, Final Solution ... They've gone too
far and now they will show their regret, 'cause Six Million ain't
nothing yet."
("Ich glaube, dass es endgültig an der Zeit ist, dass die Juden für
alle ihre Verbrechen bezahlen. Bereite dich auf einen Krieg, auf
eine Weiße Revolution vor. Der Zeitpunkt für eine jüdische
Hinrichtung ist nahe, die Säuberung beginnt, wir bekommen unsere
Vergeltung. Lasst sie uns auslöschen, Endlösung.... Sie sind zu weit
gegangen und nun werden sie ihr Bedauern zeigen, denn sechs
Millionen sind noch gar nichts.")
Wie diese "Endlösung" geschehen soll, erläutert
die Band in dem Lied "Frontline":
"For the red white and blue we shed our blood,
cleaning up the streets, taking out the muds, this is our war."
("Für das Rot, Weiß und Blau vergießen wir unser Blut, säubern die
Straßen, holen die Juden raus. Dies ist unser Krieg.")
Im Zusammenhang mit zahlreichen
Hausdurchsuchungen, die seit Anfang Juni bei mutmaßlichen Verteilern
der von Wieland KÖRNER verfassten antisemitischen Schrift "Die neue
Sicht von Auschwitz" durchgeführt wurden, schrieb der ehemalige
NPD-Funktionär Horst MAHLER am 30. Juni auf der Homepage des
"Adelaide-Instituts":
"Die Willkür der OMF-BRD
82 wird maßlos - als Volksverhetzung gilt nun
alles, was den Juden missfallen könnte ... Die Vasallen-Justiz probt
den Aufstand gegen Recht und Gesetz und gegen folgerichtiges Denken.
Es soll der Boden bereitet werden für die Hinnahme des
übergesetzlichen Befehls 'Verboten und strafbar ist jede
Gedankenäußerung, die der Fremdherrschaft mißfällt'."
- 80 "Murder Squad": The Hateshow, von der Bundesprüfstelle
für jugendgefährdende Medien indiziert (Liste B), vgl.
Bundesanzeiger Nr. 89 vom 30. April 2005. Es besteht keine
Identität der hier zitierten Band mit der gleichnamigen
schwedischen Death Metal Band.
- 81 "Frontline": Nor Cal Hate Core, von der Bundesprüfstelle
für jugendgefährdende Medien indiziert (Liste A), vgl.
Bundesanzeiger Nr. 186 vom 30. September 2005. "Nor Cal" steht
für "Northern California".
- 82 OMF ist ein ursprünglich von Carlo Schmid kreierter
Begriff und steht für "Organisationsform einer Modalität der
Fremdherrschaft". Er soll bei MAHLER als Umschreibung für die
angeblich von einer jüdischen Weltmacht beherrschte
Bundesrepublik Deutschland dienen.
Angedeuteter Antisemitismus
Fühlen sich Bands durch Produktion und Vertrieb
ihrer CDs im Aus-
|anc|. fälschlicherweise - vor der deutschen
Strafverfolgung sicher
und propagieren ihren Judenhass offen, so
beschränken sich Rechtsextremisten in Deutschland bei
CD-Produktionen und Publikationen auf Andeutungen, die nicht
unmittelbar strafrelevant sind.
Bei antisemitischer Agitation wird häufig auf
Zitate jüdischer Persönlichkeiten zurückgegriffen. Das Zitat soll
entweder als Beleg für rechtsextreme Verschwörungstheorien dienen
oder eine antijüdische Aussage legitimieren. Gleichzeitig erfolgt
durch die Zitierweise eine scheinbare Distanzierung vom Inhalt der
Aussage. So fragte die "National-Zeitung/Deutsche Wochen-Zeitung"
(NZ): "Für Hitler noch mal 100 Milliarden zahlen? Neue
Wiedergutmachungsrechnung aus Israel". Hier wird ein Bild Israels
und der Holocaustüberlebenden als geldgierige Juden suggeriert, die
Deutschland finanziell ausbeuten. Diesen Eindruck verstärken soll
der Hinweis auf Norman Finkelsteins Buch "Die Holocaust-Industrie".
"Finkelstein ... zählt zu den prominentesten jüdischen Kritikern der
Methoden führender zionistischer Kreise hinsichtlich
.Vergangenheitsbewältigung' und .Wiedergutmachung'". Das Buch erhebe
den Vorwurf, "das jüdische Leid zur Hitlerzeit werde zum Zwecke
eines .Wucherbetriebs' ausgebeutet".83
Die NPD-Fraktion in Sachsen zeigt ihre
antisemitische Einstellung bei ihren Landeshaushaltsvorschlägen
durch gezielte Kürzungen im Bereich jüdischer Einrichtungen und der
Zusammenarbeit mit Israel, während andere Religionsgruppen
unbehelligt bleiben:
"Beim Staatsministerium für Kultus sollen folgende
Kürzungen vorgenommen werden: Je 81 800 Euro Zuschuß für den
Landesrabbiner, 810 000 bzw. 500 000 Euro Zuschuß für den Bau des
Gemeindezentrums der Synagoge in Leipzig, ein Zuschuß in Höhe von
242 000 Euro für den Bau der Synagoge in Chemnitz .... Im Einzelplan
01 (Sächsischer Landtag) beantragte die nationaldemokratische
Fraktion mehrere Kürzungen. ... Die Mittel für die internationale
Zusammenarbeit, hier insbesondere die Zusammenarbeit mit Israel
wurde im NPD-Antrag komplett gestrichen (12 500 Euro)."84
83 NZ Nr. 20/2005, S. 1.
84 Pressemeldung der Fraktion vom 13. April
2005.Rechtsextremistische Bestrebungen und Verdachtsfälle -117-
Mahnmai-Debatte Einen Schwerpunkt der
antisemitischen Agitation bildete 2005 die Debatte um das in Berlin
errichtete Mahnmal für die ermordeten Juden Europas. Ausgangspunkt
ist eine primär Holocaust-relativierende Motivation. Durch die
exponierte Lage und entsprechende Medienpräsenz des Mahnmals wird -
gemäß rechtsextremistischem Duktus - ein "Schuldkult" gepflegt, der
dem Vorhaben von Rechtsextremisten, die deutsche Geschichte
"reinzuwaschen", zuwiderläuft.
Zu direkten Angriffen auf das Mahnmal kam es seit
der Eröffnung des Mahnmals am 10. Mai in zwei Fällen:
Anlässlich des Staatsbesuchs des israelischen
Präsidenten Moshe Katsav am 1. Juni wurde eine Hakenkreuzschmiererei
bekannt; am 18. November wurden Davidsterne auf sechs Stelen
festgestellt.
Vor allem der publizistische Rechtsextremismus
machte das Mahnmal zur ideologischen Zielscheibe. Während sich
einige rechtsextremistische Publikationen darauf beschränkten,
einseitig negative Kritik aus anderen Medien zu zitieren, weisen
andere immer wieder auf die hohen Kosten des Mahnmals hin und
fordern - mit der Motivation, den Holocaust zu relativieren -
Mahnmale für deutsche Opfer des Krieges:
"Ungeachtet des wirtschaftlichen Niedergangs in
der Bundesrepublik, des finanziellen Bankrotts von Bund, Ländern und
Gemeinden sowie der Massenarbeitslosigkeit und wachsenden Armut
weiter Teile der Bevölkerung halten die herrschenden Politiker
offenbar die Unsummen zur Erhaltung der inzwischen bald 6.000
Holocaust-Mahnmale und den Bau immer neuer antideutscher
Gedenkstätten für das, was Deutschland heute am notwendigsten
brauche. Vergeblich sucht man hingegen zentrale Mahn- und
Dokumentationsstätten, die deutschen Opfern beispielsweise der
Vertreibung, des alliierten Luftterrors oder der ungezählten in den
Lagern der Sieger ums Leben Gekommenen gewidmet wären." (NZ Nr.
29/2005, S. 5)
Weiter ging das rechtsextremistische
Informationsportal "Störtebeker-Netz". Die Kontroverse um den
Backenzahn eines jüdischen Holocaustopfers, den die
Mahnmal-Mitinitiatorin Lea Rosh in einer der Stelen aufbewahren
wollte, kommentierte die "Schriftleitung" am 11. Mai:
"Vielleicht handelt es sich bei diesem Zahn gerade
um den, den Hitler damals dem Judentum insgesamt gezogen hat."-118-
Rechtsextremistische Bestrebungen und Verdachtsfälle
Antisemitische Verschwörungstheorien
Man könne "nicht versprechen, daß er eine Garantie
dafür ist, daß diese Prozedur irgendwann einmal von neuem
durchgeführt wird". Betrachte man das "Verhalten der
Denkmalsnutznießer in Deutschland seit den letzten Jahrzehnten, so
ist diese Möglichkeit keineswegs auszuschließen". Bezug nehmend auf
frühere Äußerungen des NPD-Parteivorsitzenden VOIGT, das Denkmal
gebe ein Fundament für die neue Reichskanzlei ab, schlugen die
Autoren letztlich vor, "angesichts der Bauweise und der Absicherung
mit Natodraht" das Gelände des Holocaustmahnmales zukünftig "als
eine Art Freiluftgehege für eine bestimmte Spezies" zu verwenden.
Auch hundert Jahre nach Erscheinen der "Protokolle
der Weisen von Zion"85 üben diese 1921 als Fälschung enttarnten
.Aufzeichnungen" eine ungebrochene Faszination auf antisemitisch
agierende Verschwörungstheoretiker aus.
In diesen Kreisen kursiert die Annahme, dass "die
Juden" durch ihre finanzielle Macht weltweit Medien, Regierungen und
Banken steuern. Die angebliche Konspiration eines machthungrigen
Weltjudentums zur Erlangung der Weltherrschaft und der Errichtung
einer "Neuen Weltordnung", die die Verschwörungstheoretiker
insbesondere durch die "Protokolle" untermauert sehen, wird durch
scheinbare Beweise zu belegen versucht. Die Tatsache, dass es sich
um Fälschungen handelt, wird von den Verschwörungstheoretikern als
Lüge interessierter Kreise abgetan.
Um ihre verschwörungstheoretischen Anfeindungen zu
verschleiern, nutzen Rechtsextremisten häufig die Begriffe
"Ostküste" (der USA), "internationale Hochfinanz" sowie "ZOG"
(Zionist Occupied Government) synonym für die angeblich die USA
beherrschenden jüdischen Bankiers bzw. die vermeintlich unter
jüdischem Einfluss stehenden Regierungen. Diese Codewörter genügen
in rechtsextremistischen Kreisen, um ohne Überschreiten der
Strafbarkeitsgrenze das Bild der jüdischen Weltverschwörung aufrecht
zu halten.
85
Bei den Protokollen der Weisen von Zion handelt es sich um eine
antisemitische Fälschung der zaristischen Geheimpolizei Ochrana, die
1903 zunächst in Russland veröffentlicht wurde. Bis heute werden sie
von Rechtsextremisten - aber auch Islamisten - als Beweis für die
Existenz einer jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung zitiert,
(vgl. Ernst Pieper: Die jüdische Weltverschwörung, in: Julius H.
Schoeps, Joachim Schlör (Hrsg.) Antisemitismus. Vorurteile und
Mythen, München Zürich, 1995).
Zur Entstehungsgeschichte der Protokolle vgl. Hadassa Ben-Itto:
"Die Protokolle der Weisen von Zion" -Anatomie einer Fälschung,
Berlin 1998 sowie Norman Cohn: "Die Protokolle der Weisen von Zion".
Der Mythos der jüdischen Weltverschwörung, Zürich 1998.
Zum Einfluss der "Protokolle" auf die nationalsozialistische
Politik vgl. Wolfram Meyer zu Utrup: "Kampf gegen die jüdische
Weltverschwörung'". Propaganda und Antisemitismus der
Nationalsozialisten 1919-1945, Berlin 2003.Rechtsextremistische
Bestrebungen und Verdachtsfälle -119-
So hieß es am 18. Februar auf der NPD-Homepage
unter dem Titel "US-Ostküste und Israel arbeiten an der weltweiten
Überwachung zum .Schutz' der Juden", dass ein am 16. Oktober 2004
unterzeichnetes Sondergesetz zur "weltweiten Überwachung von
judenkritischen Tendenzen" von den "finanzkräftigen und Medien
dominierenden projüdischen Kräften in den USA mit Freude zur
Kenntnis genommen" worden sein dürfte:
"Auch Israel hat vor kurzem solch ein weltweit
gültiges Gesetzt verabschiedet und setzt so seine bisherige Politik
fort. ... Der weltweite jüdische Naturschutzpark' ist in vollem
Aufbau."
Noch verdeckter, jedoch für Rechtsextremisten
ebenso eindeutig, titelte die NZ "Die Israel-Lobby im Deutschen
Fernsehen", um im Text den Verkauf des Leo-Kirch-Unternehmens durch
den "US-jüdischen Medienmogul Haim Saban" an den
Axel-Springer-Verlag zu thematisieren. Neben der Medienkonzentration
und der vermeintlichen Kontrolle durch jüdische Medienmagnaten wird
die angeblich einseitige proisraelische Ausrichtung des Konzerns
angeprangert:
"Haim Saban (.Mein Anliegen ist Israel') kann sich
übrigens fest darauf verlassen, dass sich an der Ausrichtung von
ProSieben/Sat.1 nichts ändern wird. Dafür bürgt ein Springer-Verlag,
der seine Redakteure vertraglich zur .steten Wahrung israelischer
Interessen' verpflichtet. Zudem soll Saban Vorsitzender des
TV-Beirats des fusionierten Konzerns werden, von dem er auch einige
Anteile erwerben will." (NZ Nr. 33/2005, S.1)
In einen ähnlichen lautenden Artikel in derselben
Ausgabe wird sogleich eine Anzeige eingebettet, in der die NZ als
"Gegengewicht zur Meinungsindustrie" gepriesen wird.86
Antisemitismus Verschwörungstheorien bilden den
Anknüpfungspunkt für antisemiti-in der Esoterik sc|-,e Agitation in
der zu konspirativem Denken neigenden, ansonsten
jedoch unpolitischen Esoterikszene.87 Die
"Protokolle der Weisen von Zion" bilden auch hier immer wieder das
Fundament für antisemitische Äußerungen.
86
NZ Nr. 33/2005, S. 14, "Israel als Anliegen".
87 Als Esoterik wurde ursprünglich die nur einem ausgewählten
Kreis zugängliche, nicht literarisch fixierte Philosophie
bezeichnet, darunter auch jene Piatons. In der Neuzeit werden
Geheimlehren als Esoterik bezeichnet, die in ihrem Inhalt und ihrer
Verbreitung nur einem bestimmten Personenkreis zugänglich sein
sollten. Dabei werden meist unterschiedliche Elemente aus
Astrologie, Okkultismus und Religion verbunden. Vgl.
Brockhaus-Enzyklopädie, 19. Auflage, Mannheim 1988, Band 6, S. 584.-
120 - Rechtsextremistische Bestrebungen und Verdachtsfälle
Vorreiterrolle hatte das Buch
"Geheimgesellschaften und ihre Macht im zwanzigsten Jahrhundert" von
Jan van HELSING (Pseudonym), das seit seinem Erscheinen Anfang der
90er Jahre in hoher Auflage in der Esoterikszene verbreitet wurde.
Viele Autoren suchen in seinem Fahrwasser Erfolge zu erzielen und
liefern inhaltlich fast identische Bücher.
Julius H. BARKAS greift in dem Buch "Wahrheit ans
Licht"88 die Ideen van HELSINGs - aber auch die anderer
rechtsextremistischer Autoren - auf. So wird darin u. a. in
revisionistischerweise verbreitet, der Zweite Weltkrieg sei im
Interesse jüdischer Großbanken entfacht worden:
"Dann war Adolf Hitler also der Urenkel des M.A.
Rothschild. Jetzt macht alles Sinn. ... Die irre Kriegtreiberei,
unterstützt von einem naiven und trägen Volk, das dem mordenden
Treiben keinen Einhalt gebot und sogar noch munter mitmarschierte.
Die Finanzierung eines großen Krieges, des II. Weltkrieges, mit nur
Verlierern auf Seiten der Betroffenen. Und wieder, wie im
englisch-französischen Krieg und im amerikanischen Bürgerkrieg,
finanzierte die Familie Rothschild beide Parteien."
Ebenso unterstellt BARKAS eine gezielte
Unterdrückung des deutschen Volkes durch das Erinnern an den
Holocaust:
"Das ganze Thema Antisemitismus und die ständigen
Aufwärmaktionen dienen einem Zweck, denn zufällig geschieht hier gar
nichts. Ein Mensch mit einem schlechten Gewissen, aufgepfropften
Schuldgefühlen, ständig in Angst vor Krankheit oder Terror, der ist
gelähmt und steht an der Seite, anstatt aktiv für das Gute einstehen
zu können. Dem deutschen Volk wurde wahrlich ein Bastard (Hitler) im
doppelten Sinne untergejubelt."
88 Julius H. BARKAS: Wahrheit ans Licht.
Geld-Macht-Politik-Gesundheit-Natur. Argo-Verlag, Marktoberdorf,
2004, S. 189 f.Rechtsextremistische Bestrebungen und Verdachtsfälle
- 121 -
Die antisemitische Agitation im gegenwärtigen
Rechtsextremismus ist weder in Inhalt noch in Intensität eine neue
Entwicklung. Wie bei früheren Gelegenheiten werden tagespolitische
Ereignisse zum Anlass genommen, Aversionen gegen Juden zu
artikulieren. Eine derartige Agitation zielt in erster Linie auf
Personenkreise mit latent antisemitischen Einstellungen. Deren
Anteil liegt unterschiedlichen sozialwissenschaftlichen Studien
zufolge innerhalb der Bevölkerung dauerhaft bei bis zu 20 Prozent.
89 Ob und in welcher Weise antisemitische Agitation auf diese
Personenkreise wirkt, wurde bisher noch nicht untersucht. Ein
Kausalzusammenhang zwischen der Entwicklung antisemitischer
Agitation, antisemitischer Einstellungspotentiale und
antisemitischer Straftaten ist jedenfalls nicht belegbar.
89 Vgl. die zusammenfassende Darstellung zu den Ergebnissen der
Einstellungsforschung: Werner Bergmann, Wie viele Deutsche sind
rechtsextrem, fremdenfeindlich und antisemitisch? Ergebnisse der
empirischen Forschung von 1990 bis 2000, in: Wolfgang Benz (Hrsg.),
Auf dem Weg zum Bürgerkrieg? Rechtsextremismus und Gewalt gegen
Fremde in Deutschland, Frankfurt/M. 2001, S. 41-62.
Vgl. auch Oliver Decker, Elmar Brähler: Rechtsextreme
Einstellungen in Deutschland; in: Aus Politik und Zeitgeschichte,
Nr. 42/2005 vom 17. Oktober 2005, S. 8-17.
hagalil.com
03-11-2005
|