Gefillte Fisch per
Mausklick
VON KAROLINE KLAS
Nov.'98 - Gefillte
Fisch im koscheren Online-Shop bestellen? Auf jiddisch chatten oder eine
Israelreise planen? Noch ist man für all diese Anliegen bei haGalil-Online
an der richtigen Adresse. Doch es ist unsicher, wie lange unter der Adresse
www.hagalil.com noch Service und Informationen geboten werden können. Der
größte jüdische Online-Dienst in Europa steht vor dem Aus.
Seit zwei Jahren
gestalten, unterhalten und betreiben die beiden Herausgeber, Eva Ehrlich
und David Gall, haGalil-Online auf privater, nichtkommerzieller Ebene. 60
Stunden ehrenamtliche Arbeit investieren die Münchner wöchentlich. Ihr
Ziel ist zu zeigen, "daß es in Deutschland trotz allem ein jüdisches Leben
gibt", und "daß das Judentum keine Geheimniskrämerei ist, sondern eine
offene Religion mit einer Aussage", wie es im Editorial heißt. Viele Juden
in Deutschland hätten kaum Kontakte zu jüdischen Gemeinden, jüdisches
Leben spiele sich im privaten Bereich oder in abgesicherten
Gemeindehäusern ab. "Von Unbefangenheit kann keine Rede sein."
Doch nun geht den beiden
Herausgebern das Geld aus, und neben einer vollen Arbeitswoche ist das
Engagement für den Online-Dienst nicht zu leisten. Ende November wäre
haGalil am Ende, wenn sich nicht doch noch irgendwo Geld auftreiben ließe.
Die Hoffnung darauf haben Eva Ehrlich und David Gall nach über einem Jahr
intensiver Suche nach Werbekunden oder Fördermitteln aus Politik und
Wirtschaft fast aufgegeben.
Dabei scheint die
Nachfrage die Notwendigkeit eines jüdischen Online-Dienstes zu bestätigen:
Über eine Viertelmillion Zugriffe können die Herausgeber pro Monat
verzeichnen, täglich erreichen sie ungefähr 100 E-Mails aus Europa,
Amerika und Nahost.
Die Kontaktbörse und
Diskussionsforen werden eifrig genutzt: Ora aus München sucht einen
Hebräischlehrer für ihre Kinder, Roberto Schaffer aus Sao Paulo, dessen
Familie auf der Flucht vor den Nazis nach Brasilien kam, fragt, warum es
nach allem, was passiert ist, in Deutschland noch Juden gibt.
Der Inhalt der
haGalil-Seiten ist breit gefächert und trägt der Vielfalt des Judentums
Rechnung. Eine eigene Suchmaschine macht es möglich, sich dennoch schnell
zurechtzufinden. Die Nachrichtenseiten bieten einen aktuellen
Nachrichtenüberblick zu jüdischen Belangen. Das Archiv erleichtert die
Suche nach Themengebieten. Ausführliche Informationen mit vielen
Abbildungen und Audiodateien zu den Grundlagen des jüdischen Glaubens, zu
Gebeten, Riten und dem jüdischen Festkalender finden sich unter den
Menüpunkten "Judentum" und "Kalender". Auch Einführungskurse für Iwrith
und Jiddisch sind dabei. Kinder, die etwas über das Judentum lernen
wollen, können bei "haGalil hakathan", dem kleinen haGalil, mit Mona und
Daniel die Unterschiede zwischen der christlichen und der jüdischen
Religion entdecken.
Ein weiterer
inhaltlicher Schwerpunkt liegt bei Israel. Neben Nachrichten und
Informationen über Land und Leute mit vielen Links - etwa zur Botschaft,
zu Universitäten oder zu Kol Israel, wo man Nachrichten auf Englisch und
Hebräisch anhören kann - finden sich auch besondere Seiten zum Thema
"Israel und die Diaspora" und dem Friedensprozeß im Nahen Osten. Als
Service bieten die Herausgeber einen Reisedienst und einen Bestellservice
für Bücher und CDs und für Lebensmittel im ersten koscheren Online-Shop
Europas an.
Daß für einen solchen
Informations- und Kommunikationsdienst in Deutschland keine Fördergelder
zu haben sind, und die Enttäuschung, die sie bei der Suche nach
Werbekunden erleben mußten, ist für die Herausgeber ein Skandal. "Häufig
wurde ich unverblümt auf reiche Juden, z.B. jüdische Bankdirektoren
verwiesen", beschreibt Eva Ehrlich ihre Erfahrungen.
Ende August wurde in
Berlin der "Förderverein haGalil" gegründet, um die Arbeit von
haGalil-Online wenigstens auf privater Ebene finanziell zu unterstützen.
30 Mitglieder haben sich inzwischen gefunden, die jährlich 50 Euro
Mitgliedsbeitrag zahlen - ein Tropfen auf den heißen Stein. Mitglied
werden kann hier jeder, unabhängig von Religionszugehörigkeit und
konfessioneller Bindung. "Wir fördern aber einen eindeutig jüdischen
Online-Dienst," sagt Klaus Parker vom Förderverein. "Wer das will, kann zu
uns kommen."
© 1998 Verlag
DER TAGESSPIEGEL - 3. November 1998
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