iw 2000 / TSh''S
Der iw Brennpunkt vom 26. Mai
2000 / 21 Ijar 5760
Barak hält Wort:
Die Jungs
kommen heim!
Vor einem Jahr gewann Ehud Barak
die Wahl. Sein wichtigstes Versprechen hat er gehalten: Diese Woche hat
Zahal den Libanon verlassen. Zum ersten Geburtstag erhielt Barak gute
Ratschläge, ein Ansteigen der Gewalt und viel Kritik von Freund und
Feind.
Von Michael Glück
Während seines Wahlkampfes hielt
Kandidat Ehud Barak seine Ziele schriftlich auf einer kleinen Karte
fest, die er an die Wähler verteilte. Er verpflichte sich, stand darauf,
Frieden zu bringen und die ökonomische Lage jedes Einzelnen zu
verbessern.
Ein Jahr nach seiner Wahl hat
Barak diese Karte aus seiner Westentasche gezogen, um sich und sein
Kabinett zu rühmen: «Wir sind eine Regierung, die sich nicht um schöne
Worte und Verpackungen kümmert. Uns geht es um Taten.» Er sei sicher,
dass sein Team auf dem bisher eingeschlagenen Weg fortfahre.
«Ima, ich bin zu Hause», tönt es
jubelnd
Am 24. Mai hat Barak sein
zentrales Versprechen erfüllt: Der letzte israelische Soldat hat den
Libanon verlassen. «Ima, ich bin zu Hause», jubelten viele Soldaten
ihren besorgten Müttern zu, als sie im Laufe des 23. Mai definitiv ihre
Stellungen im Südlibanon verliessen. Ursprünglich für den 7. Juli
vorgesehen, entwickelten sich die Ereignisse so schnell, dass der Abzug
etwas überstürzt und überraschend erfolgte. Es ist Barak zwar nicht
gelungen, den Abzug im Einverständnis mit Syrien zu vollziehen. Doch
viele Israelis haben das Gefühl, dass ein neues Zeitalter beginnt. Die
internationale Gemeinschaft anerkennt nun die internationale Linie als
Nordgrenze Israels. Das ist nicht nur eine Formsache. Es bedeutet, dass
jeder Angreifer zum vornherein als Schuldiger dasteht. Die Konsequenz:
Israel hat die weltweite Unterstützung zurückzuschlagen – was als
Abschreckung recht effektvoll sein könnte.
Viele Fragen sind aber noch
offen: Wie wird sich die Lage in Nordisrael entwickeln? Werden die neuen
Nachbarn im Südlibanon, die shiitischen Hisbollamilizen, Ruhe geben?
Wird die Hisbolla mit neuen Forderungen aufwarten? Wird die Unifil in
der Lage sein, ihre Aufgabe zu erfüllen? Sicher ist lediglich: In den
vergangenen Tagen haben viele Bürger von Kirjat Schmone die Stadt
verlassen; sie hatten es satt, stundenlang in den Bunkern auszuharren.
Nun will die Regierung Budgetmittel locker machen, um die Krisenregion
zu stärken. Auch psychologische Unterstützung von höchster Ebene ist zu
vermelden: Erziehungsminister Jossi Sarid hat im Norden Wohnsitz
genommen. Drei Tage pro Woche will er nahe der Grenze verbringen.
Ein Jahr nach der Wahl Baraks
sieht sich Israel aber an mehreren Fronten mit einem Gewaltausbruch
konfrontiert, wie es ihn schon lange nicht mehr erlebt hat. In den
besetzten Gebieten schiessen palästinensische Polizisten auf israelische
Soldaten, steinewerfende Jugendliche erinnern an den Aufstand während
der Intifada, und im Südlibanon haben in den vergangenen Wochen die
Angriffe der schiitischen Hisbollamilizen zugenommen. Auch an der
politischen Front sind viele Flops zu verzeichnen: Die Verhandlungen mit
den Syriern sind gescheitert, und nur noch unverbesserliche Optimisten
rechnen damit, dass sie in absehbarer Zeit wieder aufgenommen werden.
Die Gespräche mit den Palästinensern stagnieren – Chancen auf
Fortschritte hätten die Geheimverhandlungen in Stockholm bringen sollen,
zu denen Barak Polizeiminister Schlomo Ben-Ami delegiert hat. Doch wegen
der Strassenschlachten in den palästinensischen Gebieten hat Barak die
Delegation zurückgeholt.
Auch wirtschaftlich nicht
erfolgreich
Zwölf Monate nach der Wahl sind
viele enttäuscht, weil Barak bisher keinen nachhaltigen
Konjunkturaufschwung eingeleitet hat, der eine Besserung bei der
Arbeitslosigkeit gebracht hätte. Im Gegenteil: Sie steigt Monat für
Monat an. In einer Meinungsumfrage gaben dem ehemaligen Generalstabschef
nur 28 Prozent eine befriedigende Note – das ist weniger als Netanjahu
ein Jahr nach seiner Wahl hatte. «Die Leute sind unsicher, ob ihm ein
Frieden mit den Syriern und mit den Palästinensern gelingen wird»,
erklärt der Meinungsforscher Hanoch Smith das äusserst schlechte
Abscheiden des ehemaligen Hoffnungsträgers, «es ist derzeit unklar, wie
sich die Dinge entwickeln, da alles blockiert scheint.»
Als ob der aussen- und
wirtschaftspolitischen Probleme nicht genug wären, hat Barak auch Mühe,
seine heterogene Koalition zusammenzuhalten. Die National-Religiöse
Partei will austreten, und auch die Schas-Minister drohen mit dem
Abspringen, falls ihr Schulsystem keine zusätzlichen Gelder erhält.
Vorerst konnte die Krise zwar beigelegt werden – aber sie kann jederzeit
wieder ausbrechen.
Weitere Themen in der aktuellen
Ausgabe:
- -Schweiz: Der Schweizerische
Israelitische Gemeindebund (SIG) tagt wieder einmal in Genf
- -Zürich: Noam-Schule –
Exklusivinterview mit dem designierten Rektor, Rabbiner Michael
Goldberger (noch Rabbiner in Düsseldorf)
- -Basel: Agudas Achim jubiliert
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