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Avi Primor:
»...mit Ausnahme Deutschlands«
Als Botschafter Israels in Bonn

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IIIf.Teil:
Vor schwierigem Terrain

Das erste große deutsche Unternehmen, das auf wirtschaftlicher Basis seine Fabrikate nach Israel zu schicken wagte, war die Volkswagen AG. Offensichtlich ging es dem Konzern nicht darum, besondere Gewinne zu erzielen. Seiner Führung war klar, daß der israelische Markt, ohnehin sehr begrenzt, große Schwierigkeiten bereiten würde.

Im Vordergrund stand, ähnlich wie für Adenauer, als er sich für die Idee der Wiedergutmachung einsetzte, der Gedanke an die Förderung des deutschen Ansehens, hier speziell in Bezug auf den Anspruch eines großen bekannten Wirtschaftsunternehmens. Für den angestrebten Durchbruch auf den Weltmärkten schien eine angemessene Akzeptanz in der Weltöffentlichkeit notwendig, die sich durch normale Kontakte und Beziehungen zu den Israelis erreichen ließ.

Von den Problemen, denen sich der Konzern in Israel gegenübersah, auf die er aber vorbereitet war, stand der generelle Widerstand gegen deutsche Hersteller und ihre Waren an erster Stelle. Darüber hinaus war der Name »Volkswagen« in Israel besonders berüchtigt. Es war bekannt, daß Hitler persönlich den Namen 1935 erfunden und das erste VW-Produkt 1938 mit viel Pomp eingeweiht hatte. Die Stadt Wolfsburg war von den Nazis geplant und errichtet worden, nicht etwa, um dort sofort Autos herzustellen, sondern um sie zu einem Zentrum der Rüstungsproduktion werden zu lassen. Wie Sklaven, unter mehr als unmenschlichen Bedingungen, waren dort während des Krieges Tausende von Zwangsarbeitern in diese Produktion eingespannt.

Trotzdem sind es gerade die VW-Konzernchefs gewesen, die nach dem Krieg ihre Fühler nach Israel ausstreckten. Sie fanden hier einen Agenten, der bereit war, sich für den Vertrieb von Volkswagen einzusetzen. Ungeachtet der zu erwartenden Widerstände begann er vorsichtig, Behördenmitarbeiter als Kunden zu gewinnen. Offiziere, Polizisten und höhere Beamte, die berechtigt waren, auch privat einen Dienstwagen zu fahren, wurden, wenn sie auf die preisgünstigen Angebote eingingen, mit Volkswagen beliefert. Später, um auch andere Kunden zu gewinnen, startete er in den Medien eine VW-Werbekampagne – die Öffentlichkeit sollte sich allmählich an die Existenz eines solchen Wagens gewöhnen, der ja durchaus seine Vorzüge hatte. Leicht hatte es der Vertreiber nicht. Die ersten, die sich in einem VW auf israelische Straßen wagten, wurden nicht selten beschimpft oder fanden ihr Fahrzeug beschmiert und mit in den Lack eingekratzten Hakenkreuzen vor.

Unvergeßlich ist mir bis heute ein Aufruhr, der fast einem öffentlichen Skandal gleichkam. Da es noch kein Fernsehen gab, ließ Werbung sich nur in Zeitschriften oder über den staatlichen Rundfunk verbreiten. Es existierten nur wenige Sender, so daß fast die gesamte Bevölkerung die gleichen Radionachrichten verfolgte. Wer ihr Land kennt, der weiß, wie hochpolitisiert die Israelis sind und mit welch geradezu leidenschaftlichem Interesse sie an den öffentlichen Nachrichtensendungen hängen, auch heute noch. Früher allerdings, als man allein auf das Radio angewiesen war, wurden, um den Etat des jeweiligen Senders aufzubessern, die teuersten Werbespots ausgerechnet während der Nachrichten verlesen, und zwar direkt von handbeschriebenen Zetteln, die man den Sprechern und Sprecherinnen während der Sendung zuschob.

Ich war Ohrenzeuge, als eines Tages die Nachrichtensendung mit dem größten Höreranteil plötzlich unterbrochen wurde. Es war eine Sekunde still, dann hörte man ein nervöses Flüstern, danach trat wieder Stille ein, bis schließlich, ohne daß die Sendung beendet worden war, ein ganz anderes Programm begann. Mein erster Eindruck war, daß, wie in einem mit Spannung geladenen Land gleich dem unseren häufig, etwas Schlimmes geschehen sein mußte. Terroranschläge, der Ausbruch eines Kriegs, Tragödien wurden uns damals nicht immer sofort mitgeteilt. Ich schaltete das Radio nicht aus und wartete beklommen auf die Fortsetzung. Die aber kam nicht. Erst am nächsten Tag war in den Zeitungen zu lesen, was geschehen war.

Eine bekannte Nachrichtensprecherin, Yael Ben-Yehuda, erhielt während der Sendung einen Werbetext, den sie zwischen den Meldungen vorlesen sollte. Sie sah ihn sich an, erschrak und ließ das Blatt fallen – es war eine Werbung für Volkswagen. Als die Sprecherin auch nach dem Hinweis auf ihre redaktionellen Pflichten sich beharrlich weigerte, den Spot vorzutragen, wurde sie fristlos entlassen. Der Vorfall löste unter der Bevölkerung allgemeine Entrüstung aus. Selbst Leute, die deutsche Waren nicht strikt ablehnten, mochten nicht begreifen, daß man eine Sprecherin entließ, nur weil sie sich geweigert hatte, für ein Produkt aus Deutschland Reklame zu machen. Immerhin haben die Proteste und Sympathiebekundungen für Frau Ben-Yehuda, die inzwischen zum Star geworden war, zu ihrer Wiedereinstellung geführt.

Später erzählte mir Yael Ben-Yehuda, die heute noch für den staatlichen Rundfunk arbeitet, die persönliche Seite ihrer Geschichte. Yael ist wie ich in Israel geboren, ebenso ihre Familie. Vom Verstand her, sagte sie, sei ihr damals durchaus klar gewesen, daß man in den sechziger Jahren deutsche Importe nicht einfach mehr ablehnen konnte. Auch habe sie verstehen können, daß Importeure Werbung für ihre Waren brauchten, genauso wie die Sender die Einnahmen für ihren Etat. Auch hätte sie es natürlich vorgezogen, wenn einer ihrer Kollegen den Text verlesen hätte. Zugleich jedoch habe sie gewußt, daß sie allein und niemand sonst diese peinliche und schmerzhafte Tortur auf sich nehmen müsse. Was sie vor dem Werbespruch stocken ließ, war der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte, denn der Text lautete: »Volkswagen – ein Auto ohne Probleme.« »Für mich«, sagte Yael, »war gerade Volkswagen mit Problemen belastet.«

Im Mai 1996, zweieinhalb Jahre nach dem Amtsantritt in Bonn, flog ich als Gast des VW-Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch nach Israel. In der Sondermaschine saßen weitere Vorstandsmitglieder, auch der VW-Aufsichtsrat und Ministerpräsident von Niedersachsen Gerhard Schröder und sein Wirtschaftsminister Peter Fischer. Anlaß der Reise war die Unterzeichnung eines Vertrags zwischen der Volkswagen AG und einem israelischen Chemie-Unternehmen, den »Salzmeer-Werken« am Toten Meer. Das Abkommen dient der gemeinsamen Herstellung von Magnesium für die Autoproduktion. Nach Empfängen bei Staatspräsident Weizman und Premierminister Peres flog die deutsche Delegation nach Tel Aviv weiter, dem Sitz der »Champion Motors«-Gesellschaft, die Autos von VW importiert. Den Besuch krönte ein riesiger Empfang, an dem alles teilnahm, was Rang und Namen in der israelischen Wirtschaft, in den Medien und im öffentlichen Leben hat.

In einem Interview, das an jenem Abend vom Hauptfernsehkanal in den Nachrichten ausgestrahlt wurde, sagte ich, die Volkswagen-Involvierung in der israelischen Wirtschaft sei »eine Pionierleistung und der Einsatz in der Magnesium-Erzeugung die erste bedeutende deutsche industrielle Investition in Israel«. Ich ginge davon aus, daß dies der beispielhafte Beginn der Investitionen anderer deutscher Unternehmen in Israel sei, an denen bisher absoluter Mangel herrschte, trotz des seit Jahren bestehenden umfangreichen Handelsverkehrs zwischen beiden Ländern. In diesem Sinne wurde dann auch der Vertrag am nächsten Tag von allen Medien begrüßt.

Anfang der sechziger Jahre hätte niemand an ein solches Ereignis zu denken gewagt. Allein das Volkswagenwerk, wenn auch vorerst nur als Exporteur, verstand seine damaligen Visionen offenbar zielstrebig umzusetzen und wirkte damit in der Tat beispielgebend auf andere deutsche Firmen.

Die zögernde Annäherung auf diesem Gebiet und in anderen Bereichen konnte indessen nicht darüber hinwegtäuschen, daß es noch immer keine offiziellen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland gab. Deutschland war immer noch, auch wenn es die meisten gar nicht mehr so genau wußten, »Feindesland«. Noch immer waren unsere Pässe in aller Welt gültig – mit Ausnahme Deutschlands. War es nicht längst an der Zeit, das Verhältnis zu normalisieren und in dem einen Land Interessenvertretungen des anderen einzurichten, offizielle Niederlassungen mit dem Status einer Botschaft?

Es war tatsächlich höchste Zeit. Zu den ersten ideellen Wegbereitern dieses Schritts gehörte in Deutschland der Verleger Axel Springer. Gegenläufigen Zeitströmungen zum Trotz setzte er sich tatkräftig für eine Politik ein, welche die Erblast des Dritten Reiches konsequent in moralische Verpflichtungen und praktische Hilfe zugunsten Israels umsetzte. »Israel ist nicht irgendein Staat«, schrieb Axel Springer 1973, acht Jahre, nachdem es endlich zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen gekommen war.

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Erschienen 1997 beim Ullstein-Verlag, Berlin


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