Aufwind:
Jiddische Lieder und Klesmermusik
AUFWIND CD ,,AWEK DI JUNGE JORN"
Informationen zu den einzelnen Stücken
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1 Klespourrie
Unsere Klespourrie-Zusammenstellung entstand ursprünglich
als Vorspann für eine Theaterinszenierung.
Eine Dojna ist ein lmprovisationsstück in metrisch
ungebundener Form. Unsere Dojna fanden wir auf einer
Schellackplatte mit dem Klarinettisten Naftule Brandwein aus dem Jahr
1923. ln einer anderen Quelle wird sie auch
Rumanian Dojna genannt.
Als Hora bezeichnet man einen rumänischen Tanz im
3/8-Takt mit rhythmischer Akzentuierung auf den 1. und 3. Schlag (sie ist
nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen israelischen Tanz). Die
Komposition unserer
Hora stammt aus der Feder unserer Geigerin Claudia.
Chassidim tanz nennen wir den nächsten Teil von
Klespourrie
(in anderen Quellen auch ,,Jüdischer Tanz" oder einfach
,,Frejlechs"
genannt). Der türkische Charakter animierte uns, diese Tanzmelodie im
Terkisch" Rhythmus zu arrangieren. Der jüdische Terkisch
ist in Herkunft und Tanzform ein Import aus dem griechisch-türkischen
Raum. Sein treibender Rhythmus ähnelt dem des Tango.
Die folgende Scher ist ein populärer osteuropäisch
jüdischer Tanz im 2/4-Takt, wobei das Tempo etwas langsamer als bei
vergleichbaren Melodien wie Bulgars oder Frejlechs ist.
Lechajim, ein Stück aus den Megille-Liedem von Itzig
Manger, ist das Finale von Klespourrie. Im Text fordert der Meister
seine Gesellen auf, mit dem Purimspiel zu beginnen, worauf
gläserklirrend angestoßen wird. Der in das Lied eingeflochtene
Odessa bulgarisch stammt von Aufnahmen des ,,Abe Schwartz Orchestra"
von 1919.
2 In schtetl Nikolajew
Ssurele verliebt sich unsterblich in ihren Schuster. Sie feiern
Hochzeit mit den besten und schönsten(!) Musikanten des Ortes. Doch diese
Liebe ist nicht von Dauer, da der Schuster zum Militär einberufen wird
Ssurele kann das nicht verwinden und nimmt sich mit Gift das Leben.
Melodie und Text von Nikolajew stammen von einer alten
Schellackplatte, aufgenommen im Jahr 1923. Dort wurde es von David Medoff
gesungen, der auch unter dem Namen Igor Petrenkow auftrat.
3 Jidisch tango
Spielt mir einen Tango in Jiddisch - den Tango eines
vertriebenen und verstreuten Volkes - auf daß die Großmutter und die
Kinder danach tanzen. Spielt mir einen Tango der nicht arisch und barbarisch
ist, damit die Feinde sehen, daß ich noch tanze. Spielt mir einen Tango vom
Frieden, der kein Traum bleiben soll, auf daß Hitler und sein Reich im
Erdboden versinkt. Oh, wird das ein Tanz für euch!
Jidish Tango - Schpil ssche mir a tango ojs in
jidisch |
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Ebenso wie ,, Muess" (Titel 8) befindet sich dieses Lied
in dem Buch ,,Lider fun getos un lagern", veröffentlicht 1948 von Schmerke
Kaczerginski. Die Melodie wurde bekannter mit dem Text und Titel ,,Schpil
ssche mir a lidele in jidisch".
4 Bajm rebn in Palestine / Terkisch jale w'jowe tanz
Die Hora ,, Bajm rebn in Palestine" stammt von Aufnahmen
der BRODER KAPELLE aus dem Jahr 1929. Wir fügten in das Stück einen
Improvisationsteil ein und verbanden es mit dem Terkish jale w'jowe tanz
(Brandwein-Aufnahme von 1923). Wie der Name schon andeutet ein
Terkish' den wir teilweise mit 7er und 9er Takten rhythmisch
veränderten.
5 HuIjet, bejse wintn
Ein Lied über die ,,bösen Winde", die starken Stürme, die die
Felder verwüsten, die Vögel vertreiben und die Häuser zerstören Ihr Stürme,
jetzt ist eure Zeit. Der Winter wird noch lange dauern, der Frühling ist
noch weit.
Der Poet Abraham Reisen wird auch als der ,,Heinrich Heine der
jiddischen Sprache" bezeichnet. Sein Lied, ursprünglich ,,Zum winter"
genannt, entstand unter dem Eindruck des harten Winters im Jahre 1900.
Jüdische Arbeiter veränderten 1904/5 die letzten Zeilen in
hoffnungsvollere: ,,lang wet dojern
nit
der winter, friling is nit wajt''... Ebensolches
ist aus dem Warschauer Ghetto überliefert.
6 Schojn awek der nechtn
Das Gestern ist schon fort, das Morgen noch nicht da, es ist
nur das bißchen Heute da. Darum stört es nicht mit Sorgen. Trinkt noch einen
solange ihr am Leben seid, denn in der kommenden Welt wird man euch - so
Gott will - nichts geben.
Die Gesellschaft flur Jüdische Volksmusik in Petrograd
publizierte das Lied als anonymes Volkslied im Jahre 1917. Textliche und
melodische Passagen lassen auf einen chassidischen Ursprung schließen.
7 Don un Donje
Don hat zwei schwarze Schläfenlocken und ist der beste Schüler
der Schule, in die er jeden Tag geht. Donje hat zwei goldene Zöpfe und wird
die Königin der Steppe genannt, in die sie jeden Tag eine Herde Schafe
treibt. Die Beiden begegnen sich jeden Morgen, erröten, und schlagen
verschämt die Äugen nieder. Wenn Don dann in der Schule sitzt, verschwimmen
die Buchstaben zu einer Herde Schafe. Und wenn Donje ihre Schafherde
betrachtet, muß sie immerfort an die gelockten schwarzen Haare von Don
denken.
Dieses lyrische Liebeslied fanden wir wie Huljet, bejse
wintn" (Titel 5) in einer amerikanischen Liedersammlung von
Joseph und Eleanor Chana Mlotek. Es soll früher nicht nur in Amerika,
sondern auch in Europa populär gewesen sein.
8 Muess
Muess - Geld ist doch die beste Sache. Der Judenrat
nimmt von uns Steuern, aber zu essen bekommen wir nur Brot und Zucker. Zu
hause habe ich Orangen gegessen, heute essen mich die Läuse und Wanzen auf
Auch jüdische Polizisten kann man bestechen, um nicht ins Lager zu kommen.
Wenn du also kein Geld hast, gib deine Lebensmittelkarte ab und laß dich im
Buch der Legenden verewigen.
Durch die Zusammenarbeit mit der New Yorker Sängerin und
Schauspielerin Adrienne Cooper lernten wir ,,Muess" kennen. Im Buch
,,Lider fun getos un lagern", steht zu dem Lied: gesungene kupletn in
Warschewer geto ojf dem jidn rat (forsizer Tscherniakow), ojfder jidischer
polizaj un ojf andere aktuele temen.
Hinter dem freundlichen Swing und dem eingeworfenen Schtiler Bulgar
verbirgt sich ein bitterböser und ironischer Text.
9 Fun taschlich
Ob Fun taschlich mit dem Taschlich Ritual zu Rosch
ha Schana' dem symbolischen Sündenabwaschen durch das Taschen ausleeren am
fließendem Wasser zu tun hat, ist nicht gesichert. Die Melodie stammt von
einer Brandwein Aufnahme vom 18.Februar 1926. Wir krempelten statt unserer
Taschen die Melodie um und unterlegten sie mit Dojna zum
Improvisieren, Hora zum Schwingen und schnellen Rhythmen zum Tanzen.
10 Majn rue-plaz
Such mich nicht, wo Mirten grünen, Vögel singen, oder Fontänen
spritzen. Dort wirst du mich nicht finden. Wo Leben an Maschinen verwelken,
Zähne knirschen und Ketten klirren ist mein Ruheplatz. Und liebst du mich
wirklich, dann komm zu mir und mach ihn mir süß, diesen Ruheplatz.
Morris Rosenfeld (1861-1923) war russischer Jude und wanderte
1886, in der Zeit der Massenemigration osteuropäischer Juden, nach Amerika
aus. Dort verdiente er sein Geld als Konfektionsarbeiter. Einige Texte des
Arbeiterdichters sind sehr populär geworden. Sein Lied Majn rue-plaz
ist seit Gründung von Aufwind im Repertoire.
11 Awek di junge jorn / Dojna / Gassn-nign
Über die Berge kommen Tauben geflogen und genauso schnell, wie
sie hergeflogen kommen, fliegen sie wieder davon. Genauso schnell sind auch
meine jungen Jahre fortgeflogen. Ich fordere meine Brüder auf mir die Pferde
vor den Karren zu spannen, damit ich meinen jungen Jahren nachreisen kann.
Auf einer großen, breiten Brücke erreiche ich sie, und flehe sie an,
wenigsten für einen Moment zu mir zurückzukehren. Doch die jungen Jahre
erwidern: Nein, wir kehren nicht zurück Du hättest uns in deiner Jugend
nicht so vergeuden sollen.
Awek di junge jorn |
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Bei einer ukrainischen Frau in Odessa, wo wir im Sommer 93
übernachteten, hörten wir das Lied, das der Platte ihren Titel gab. Die
Frau sang es im Glauben, daß es ein bekanntes ukrainisches Lied sei. Ohne
es zu wissen, sang sie neben Ukrainisch auch Jiddisch. Dies inspirierte
uns, den Text anfangs in Jiddisch, und am Ende in Ukrainisch zu singen.
Die ukrainische Version fanden wir bei der aus der Ukraine stammenden und
seit 1932 in Kanada lebenden Sängerin Mariam Nirenberg. Eine sprachkundige
Freundin half uns bei der Rekonstruktion des Textes. Die Dojna und
der
Gassn-nign
sind aus der Sammlung des sowjetischen Ethnologen Mojsche Beregogski.
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Kontakt:
Berlin @ hagalil.com
Galuth Ashkenas
JIDDISCH - YIDDISH - JIDISH - YIDISH
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