Die Juden in der Welt
PALÄSTINA / EREZ ISRAEL:
Die Bodenbeschaffenheit des Landes Israel
Teil 6, nach Mark
Wischnitzer
Teil 1 /
Teil 2 /
Teil 3 /
Teil 4 / Teil 5
Bodenbeschaffenheit
Westpalästina (das Land zwischen Mittelmeer und Jordan) wird nach
seiner Bodenbeschaffenheit in vier Zonen gegliedert, die mit einer
Ausnahme rein nordsüdlich verlaufen; der Küstenrand, die
Küstenebene, an welche sich bei Haifa die Ebene Jesreel anschließt,
das Bergland Westpalästina und die Jordansenke. Das Bergland
wiederum zerfällt in drei Teile: das Bergland von Galiläa, das
Bergland von Samaria und das Gebirge Juda. Der tiefstgelegene Teil
des Landes ist die Jordansenke.
Nach Ermittlungen von Bonne (Palästina, Land und Wirtschaft) sind
42% des Bodens Westpalästinas anbaufähig; ohne das Wüstenland im
Süden gerechnet, sogar 62,5% des Bodens. Zu den fruchtbarsten Teilen
Westpalästinas gehören die Küstenebene und das Emek Jesreel,
ehemaliges Sumpfgebiet, das die jüdischen Arbeiter in ein blühendes
Land verwandelt haben.
Die landwirtschaftliche Produktion Palästinas
Die gesamte landwirtschaftliche Produktion Palästinas wird auf £ 5,5
- 6,0 Millionen veranschlagt, wovon £ 3 Millionen auf die
Fellachenwirtschaft, das ist die Produktion der einheimischen
arabischen Bevölkerung, entfallen, die restlichen £ 2,5 - 3,0
Millionen auf die Zitruswirtschaft und die Produktion der jüdischen
Siedlungen. Die wichtigsten Anbauprodukte sind Weizen, Gerste,
Durra, Sesam und verschiedene Fruchtbäume.
Die Produktionskapazität der palästinensischen Landwirtschaft wird
von Fachleuten als unzureichend bezeichnet, was zur Folge hat, dass
ein erheblicher Teil des Landesbedarfs an Nahrungsmitteln und
anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen durch Einfuhr gedeckt
werden muss.
Unter den Importwarengruppen nehmen Getreide und Getreideerzeugnisse
den wichtigsten Raum ein. Sodann folgen Schlachtvieh, Fleischwaren
und Fische, Milchprodukte, Eier, Ölfrüchte und Ölsaaten, pflanzliche
Öle und Fette, Tabak und Tabakwaren, Kaffee, Tee, Kakao, Schokolade,
Zucker usw. Die Einfuhr betrug 1933 £ 2,85 Millionen.
Exportiert werden Nahrungsmittel und landwirtschaftliche
Erzeugnisse, im wesentlichen Zitrusfrüchte. Der Export betrug 1933 £
1,5 Millionen. Zieht man diesen Betrag von dem gesamten
landwirtschaftlichen Produktionswert ab, so ergibt sich, dass die
verbleibenden £ 4 Millionen des landwirtschaftlichen
Produktionswertes in den inneren Konsum übergehen.
Die jüdischen landwirtschaftlichen Siedlungen
Palästinas
Die jüdischen landwirtschaftlichen Siedlungen Palästinas bieten drei
Typen: die "Kolonie", die Kleinbauernsiedlung und die
Gemeinschaftssiedlung. Die Kolonie repräsentiert den ältesten Typ.
Später entstanden die Gemeinschaftssiedlungen auf dem Boden des
jüdischen Nationalfonds. Die Gemeinschaftssiedlung oder Kwuza
(wörtlich: Gruppe) umfasst eine Gruppe landwirtschaftlicher Siedler,
die sich zur gemeinsamen Arbeit und Wirtschaftsführung
zusammengeschlossen haben. Die ersten Kwuzot von 20-40 Siedlern
bildeten große Familien, die in Gemeinschaftshäusern wohnten, den
Überschuss ihrer Produktion auf genossenschaftlicher Basis
verkauften, den Erlös gemeinsam verwalteten und die Ausgaben
gemeinsam bestritten. Die Kwuzot hatten große Schwierigkeiten
menschlicher und wirtschaftlicher Art zu überwinden.
Nach dem Weltkriege bildete sich aus den Erfahrungen der in der
Gemeinschaftssiedlung erzogenen palästinensischen Arbeiterschaft
eine etwas modifizierte Wirtschaftsform heraus, die
Kleinbauernsiedlung (Moschaw Owdim, wörtlich: Arbeitersiedlung).
Dieser Wirtschaftstyp vereinigt die Vorzüge der Kolonie, indem er
wie diese den Anreiz für die Einzelleistung zu bieten vermag, mit
den Vorteilen der Kwuza, als da sind: weitgehende Verpflichtung zu
gegenseitiger Hilfe, genossenschaftliche Organisierung des Absatzes
der Erzeugnisse und Ausschluss der Lohnarbeit. Die Siedler der
Moschawim erhalten den Boden vom Nationalfonds ebenfalls in
Erbpacht, jedoch nicht als Gruppe, sondern jeder Siedler für sich.
Der Siedler besitzt sein Haus, seinen Kuhstall, seinen Hühnerhof und
sonstige Wirtschaftsgebäude. Jede Siedlerfamilie führt ihr Leben für
sich. Diese gemischte Siedlungsform hat sich bewährt und fand
allmählich immer größere Verbreitung.
Von den umfangreichen Kwuzot sind En Charod und Tel Josef zu nennen.
Es bestehen kleinere Kwuzot mit 50 - 100 Mitgliedern, die sich
gelegentlich in einem Kibbuz zusammenschließen, um den Austausch von
landwirtschaftlichen Arbeitern von Siedlung zu Siedlung zu
ermöglichen.
In der jüdischen Landwirtschaft Palästinas hat die
Zitrusfrucht, die sich auf dem Weltmarkt gut eingeführt hat, eine
besondere Bedeutung erlangt. Die ersten jüdischen Siedler begannen
mit Getreidebau, gingen auf die Initiative von Baron Rothschild hin
zum Weinbau über und wendeten sich dem Zitrusanbau erst später zu.
Im Jahre 1932 waren 93.000 Dunam jüdischen Bodens auf
Citrusproduktion eingestellt, mehr als das Zehnfache im Vergleich zu
1915. In der Saison 1920/21 wurden 931.000 Kisten ausgeführt, in der
Saison 1934/35 erwartet man einen Export von 7 Millionen Kisten.
Ferner bauen die jüdischen Siedler Mandelbäume, Bananen und Tabak
an. In der Jesreelebene, im Jordantal und im Bergland hat sich der
Typ der gemischten Wirtschaft durchgesetzt, die auf die Erzeugung
von Brotfrucht, zunächst für den eigenen Bedarf der Siedler, auf
Milchwirtschaft und Gemüsebau, sowie Geflügelzucht für den
Marktbedarf eingestellt ist. Einer Zusammenstellung in Hugo Hermanns
Palästinakunde ist zu entnehmen, dass im ganzen 175 Siedlungen
bestehen - Kolonien, Kwuzoth und Kleinbauernsiedlungen -, wovon die
meisten in der Jesreelebene und in der Scharonebene gelegen sind.
Die Kolonisation Palästinas hat Wege eingeschlagen,
wie sie die zionistische Ideologie nicht vorgesehen hatte. Nur ein
Drittel der Einwanderung lässt sich auf dem flachen Lande nieder,
zwei Drittel gehen in die Städte. Das Wachstum der jüdischen
Stadtbevölkerung vollzieht sich in recht raschem Tempo, das folgende
Tabelle illustrieren soll:
Während die Juden 1935 25% der Bevölkerung des Landes
bilden, sind nur 7% des Bodens in jüdischem Besitz.
Industrie und Handel
Die Industrie macht in Palästina in den letzten 15 Jahren bedeutende
Fortschritte. Im Jahre 1920 gab es in Palästina 289 jüdische
Unternehmungen mit einem investierten Kapital von rund £ 526.000,
neun Jahre später, nach den Erhebungen der Jewish Agency, 2475
jüdische Betriebe. Die Erhebungen der Regierung von 1927 stellten im
ganzen 3505 Unternehmungen im Lande fest, nahezu zwei Drittel waren
somit in jüdischen Händen. Die jüdischen Betriebe verteilten sich
auf folgende Industriegruppen: Lebensmittel, Textilien, Bekleidung,
Metall-, Holz-, Papier- und Lederwaren, Druckgewerbe, Chemikalien,
Ziegelei und ähnliches, elektrische Installationen u. a. m. und
beschäftigen 10-11.000 Personen. Der örtlichen Verteilung nach ist
es Tel Aviv, das 4o% der jüdischen Betriebe und 49% der
beschäftigten Personen beherbergt. Es erzeugt 50%des gesamten
Produktionswertes.
Den Entwicklungsgang von 1929-1933 veranschaulichen
folgende Zahlen:
Die Zahl der Unternehmen ist im Laufe der Jahre 1929
bis 1933 um 913 gestiegen, die Zahl der Beschäftigten um 8627. Die
Betriebsausgaben erhöhten sich um mehr als das Doppelte auf £ 2,1
Millionen; die Lohnausgaben stiegen von £ 659.000 a,uf £ 1,58
Millionen, die Rohmaterialausgaben von £ 1,1 auf 2,3 Millionen. Der
Produktionswert hat sich von £ 2,5 auf 5,4 Millionen mehr als
verdoppelt, das investierte Kapital um rund 14o% auf £ 5,37
Millionen erhöht. Die Ziffer der Kraftlieferung hat sich infolge der
Entwicklung der Elektrizitätserzeugung verfünffacht.
Wiederum steht Tel Aviv an erster Stelle mit 1512 Betrieben, die es
im Jahre 1933 aufwies. Darauf folgen Jerusalem und Haifa. Das Jahr
1934 ist durch eine weit stärkere Gründungstätigkeit gekennzeichnet.
In den ersten sieben Monaten des Jahres 1934 allein sind hier 115
größere Industriebetriebe gegründet worden. Das im Jahre 1934 in
industriellen Unternehmungen investierte Kapital wird auf £ 1
Million geschätzt gegenüber ungefähr £ 600.000 im Jahre 1933. Die
Investierung in Industrieunternehmungen ist im Vergleiche zu den
jüdischen Gesamtinvestitionen, die im Jahre 1934 sich auf etwa £ 10
Millionen belaufen, nicht besonders hoch, sie machen nur 10% aus,
während in der städtischen Bauwirtschaft 45% des investierten
Betriebskapitals angelegt wurde, in der ländlichen 8%, in der
Pflanzungswirtschaft 16%, in Landkäufen von Nichtjuden und im Handel
je 5%, im Transportwesen 4% und in der gemischten Landwirtschaft
2,5%.
Man ersieht daraus, dass das Kapital in weit stärkerem Maße dem
Baumarkt und der Zitruswirtschaft zugeführt wird. Über die
Entwicklung im Jahre 1935 läßt sich noch nichts Abschließendes
sagen. Es wird angenommen, dass die in jüdischem Besitz befindlichen
Industrieunternehmungen in diesem Jahre schätzungsweise einen
Produktionswert von rund £ 7,5 Millionen betragen, das sind 75% des
Produktionswertes der gesamten Industrie Palästinas.
Palästina hat eine passive Handelsbilanz. Während der Warenimport im
Jahre 1934 £ 15.426.000 betrug, belief sich der Export nur auf £
4.068.000, das heißt mit anderen Worten, dass beinahe das Vierfache
des Exportwertes importiert wird - eine Erscheinung, die auf den
durch die außerordentlich gesteigerte Einwanderung hervorgerufenen
Konsum an Verbrauchsgütern zurückzuführen ist, und die nur nach und
nach durch die einheimische Produktion kompensiert werden wird.
Ein Beispiel möge den hohen Lebensmittelverbrauch illustrieren. 1934
wurden 60 Millionen Eier und 640.000 Hühner importiert. Der Bedarf
an Gemüse für die Siedlungen beträgt £ 600.000 gegenüber einer
Eigenproduktion für £ 50.000. Die letzte Ziffer führt besonders
eindringlich die Notwendigkeit einer Intensivierung der
Landwirtschaft vor Augen.
Der Jischuw
Die palästinensische Judenheit bildet eine von der
Regierung anerkannte offizielle Organisation: die Knesset Israel.
Auf Grund eines demokratischen Proportionalwahlrechts wird eine
Vertreterversammlung gewählt (Asefath haNiwcharim), die mindestens
einmal im Jahr zusammentritt und einen ständigen Exekutivausschuss
oder Nationalrat (V'ad
Leumi) wählt. In der Vertreterversammlung findet man Abgeordnete der
verschiedenen zionistischen Parteien (die Revisionisten haben sich
in letzter Zeit zurückgezogen), verschiedener sozialer und
Interessengruppen, zum Beispiel die Abgeordneten der Jemeniten, die
Abgeordneten der Farmerorganisationein u.a. Die extreme Orthodoxie,
die in der Agudath Jisroel organisiert ist, steht außerhalb der
Knesset Israel als besondere religiöse Gemeinschaft, die von der
Regierung anerkannt ist.
Der Anteil der jüdischen Bevölkerung, die nur ein Viertel der
Gesamtbevölkerung bildet, an den staatlichen Steuer- und
Zolleinnahmen beträgt über die Hälfte. Jedoch wird die jüdische
Produktion durch das japanische Dumping ernsthaft gefährdet. Hier
könnten nur von der Regierung vorgesehene Schutzzölle Abhilfe
leisten.
In Artikel 14 des Mandats wird die Jewish Agency als die Vertretung
des jüdischen Volkes anerkannt, die im Einvernehmen mit der
britischen Regierung an der Schaffung des jüdischen Nationalheims
mitwirken soll. Die Jewish Agency hat die Landesverwaltung hierbei
zu beraten und zu unterstützen. In dem Weißbuch vom Juli 1922
interpretierte die britische Regierung diese Bestimmung dahin, dass
die zionistische Organisation als Jewish Agency keinen Anteil an der
allgemeinen Verwaltung des Landes nimmt. Sie habe nur mit den in
Palästina getroffenen Maßnahmen zu tun, die die jüdische Bevölkerung
betreffen. Die Jewish Agency hat ihren Hauptsitz in London und eine
Exekutive in Jerusalem. Sie leitet die Angelegenheiten der jüdischen
Bevölkerung, den jüdischen Gesundheitsdienst, das Erziehungs- und
Schulwerk und die jüdische Kolonisation. Die Mittel fließen aus zwei
Fonds, dem Gründungsfonds (Keren
Hajessod) und dem jüdischen Nationalfonds (Keren Kajemeth).
Der Keren Hajessod stellt die Mittel für Einwanderung, Kolonisation
und Erziehung bereit, der Keren Kajemeth ist, wie bereits erwähnt,
das Landerwerbinstitut des jüdischen Volkes in Palästina. Das Land
ist unveräußerlich und wird den Siedlern in Erbpacht gegeben.
Das Genossenschaftswesen hat in der jüdischen Bevölkerung Palästinas
tiefe Wurzeln geschlagen. Im Jahre 1932 waren nicht weniger als
45.000 Personen, also ein Viertel der jüdischen Einwohnerschaft,
Mitglieder von Genossenschaften. Die Zahl der jüdischen
Genossenschaften stieg von 200 im Jahre 1932 auf 5o4 im Jahre 1934.
Demgegenüber gab es im gleichen Jahre nur 26 arabische und 4
deutsche Genossenschaften. Die wichtigsten Genossenschaftszweige
sind: die Kreditgenossenschaft, die landwirtschaftliche
Genossenschaft - für Kauf und Verkauf landwirtschaftlicher
Erzeugnisse, für Brunnenbohrung und Wasserversorgung, für
Viehversicherung, für Übernahme landwirtschaftlicher Arbeiten und
Pflanzungsanlagen - und die Verkehrsgenossenschaften. Geringer ist
die Bedeutung der industriellen Produktivgenossenschaften. Erwähnung
verdienen noch die Genossenschaften halböffentlicher Natur, die eine
Mittelstellung zwischen den Institutionen des nationalen Kapitals
und des Privatkapitals beanspruchen. Hierher gehören die von der
allgemeinen Arbeiterorganisation Palästinas geschaffenen
Kooperativen Maschbir (haMaschbir laZarchan), die
Konsumgenossenschaft der palästinensischen Arbeiter, die
Baugenossenschaft Solel Boneh und ähnliche mehr.
Von den Sonderorganisationen der palästinensischen Judenheit, die
unter politischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekten
zusammengeschlossen sind, hat die Arbeiterorganisation, die
sogenannte Histadruth, als die allgemeine gewerkschaftliche
Organisation der palästinensischen Arbeiterschaft, die größte
Bedeutung. 1920 entstanden, entwickelte sie sich im Laufe der Jahre
zum zentralen Organ sämtlicher Fachorganisationen Palästinas. Im
Januar 1934 umfasste sie über 40.000 Mitglieder.
Nach der Volkszählung von 1931 gab es in Palästina 15.057 jüdische
Analphabeten, das ist 8,6% der jüdischen Bevölkerung, im Alter über
sieben Jahre gegenüber 35,5% der ansässigen mohammedanischen (die
nomadisierenden Beduinen scheiden naturgemäß aus) und 23,8% der
christlichen Bevölkerung. Die zionistische Organisation übernahm
nach dem Kriege die Organisierung eines einheitlichen hebräischen
Schulnetzes, das sich seit 1920 rasch entwickelte. Es umfasste im
Schuljahr 1932/33: 265 Anstalten mit 24.190 Schülern. Im Herbst 1932
wurde die Verantwortung für das Schulwerk von der Jewish Agency auf
die jüdische Einwohnerschaft Palästinas, den Jischuw, übertragen,
und zwar auf sein Exekutivorgan, den V'ad Leumi. Die Jewish
Agency (haSochnuth) steuert jährlich einen Beitrag für das
Schulwesen bei, desgleichen die palästinensische Regierung. In den
Schuljahren 1933/34 und 1934/35 nahm das Schulwerk einen weiteren
Auftrieb, wie aus folgender Tabelle hervorgeht:
Die Schulen Palästinas bilden drei Kategorien: die
allgemeinen Schulen mit 59,3% der gesamten jüdischen Schülerschaft,
die Schulen des Misrachi, einer religiös gefärbten zionistischen
Partei, mit 25,7% der Schüler und die Schulen der
Arbeiterorganisation mit 15% der Kinder. Unter gesonderter
Verwaltung stehen die hebräische Universität in Jerusalem, die
National- und Universitätsbibliothek in Jerusalem und das Technikum
in Haifa.
Der Plan der Errichtung einer Universität geht auf Chaim Weizmann
und Martin Buber zurück, auf deren Anregung hin der 11.
Zionistenkongreß in Wien (1913) eine Studienkommission einsetzte.
1918 konnte Weizmann auf dem Skopusberg bei Jerusalem den Grundstein
zum Universitätsbau legen. 1925 wurde die Universität eröffnet. Es
wurde zunächst an die Gründung von Forschungsinstituten gedacht,
jedoch schritt man bald zur Eröffnung eines, wenn auch
eingeschränkten, Lehrbetriebes. 1928 wurde eine
geisteswissenschaftliche Fakultät mit judaistischer Abteilung
gegründet, 1931 eine biologische Studiensektion. Die Universität
umfasst eine Reihe Institute und Abteilungen, darunter eine
Abteilung für Agrikulturchemie und die sehr regsame archäologische
Abteilung.
Die National- und Universitätsbibliothek in Jerusalem ist heute die
größte jüdische Bibliothek der Welt. Ihren Grundstock bildet die
Büchersammlung von Dr. Josef Chasanowitsch in Bialystok, der seine
Arzthonorare in selbstloser Weise für den Ankauf von Büchern
verwendete, um sie Jerusalem zu vermachen. 1920 wurde die Bibliothek
von der zionistischen Organisation übernommen; sie zählte 32.000
Bände, im Jahre 1932 bereits 262.000.
Das hebräische Technikum in Haifa wurde vom Hilfsverein der
Deutschen Juden begründet, der auch den Bau bereitstellte. Nach dem
Kriege wurde das Technikum von der zionistischen Organisation
übernommen. Es umfasst Abteilungen für Hochbau und Architektur,
sowie eine Gewerbeschule.
Die hebräische Sprache ist die Umgangssprache der palästinensischen
Judenschaft, die Sprache, in der Erziehung und Bildung vermittelt
werden. Es herrscht im Lande große Regsamkeit auf kulturellem,
insbesondere literarischem Gebiete. In den Jahren 1923 - 1931 wurden
in Palästina 2322 hebräische Bücher und Broschüren gedruckt,
demgegenüber nur 96 arabische und 129 englische, das bedeutet, dass
in hebräischer Sprache mehr als zehnmal soviel Publikationen
erschienen sind wie in arabischer und englischer Sprache zusammen.
Während 1922 nur 75 hebräische Bücher gedruckt wurden, stieg die
Zahl im Jahre 1929 auf 465 an.
Die gleiche Entwicklung zeigt das Zeitungs- und Zeitschriftenwesen.
In dem angeführten Zeitraum erschienen 332 periodische
Veröffentlichungen in hebräischer Sprache, darunter 5 politische
Tageszeitungen gegenüber 39 in arabischer Sprache (drei
Tageszeitungen) und 15 in englischer Sprache. Die maßgebenden
Tageszeitungen sind Haarez (allgemein zionistisch), Dawar
(sozialistisch) und Doar Hajom (Organ des palästinensisch-jüdischen
Bauernverbandes). Die englische Tageszeitung Palestine Post ist
parteilos. Die Wochenschrift Bustanaj ist das Organ der Pflanzer.
Von den literarischen Zeitschriften sind besonders Hedim, Keterivim
und Mosnaim zu nennen.
Palästina ist das Zentrum der hebräischen Literatur geworden. Deren
Vertreter stammen vorwiegend aus Osteuropa. Ch. N. Bialik und Saul
Tschernichowski schufen ihre Hauptwerke zum großen Teil bereits in
Rußland. S. J. Agnon, aus Galizien gebürtig, verlebte für das
Ausreifen seines Schaffens wichtige Jahre in Berlin, Jehuda Burla,
der Schilderer der orientalischen Juden, ist palästinensischer
Sefarde. Die Literarhistoriker Josef Klausner, Simche Assai und B.
M. Lewin stammen aus Rußland. Im Massadaverlag erscheint eine
allgemeine Enzyklopädie in hebräischer Sprache. Der PEN Klub hat
eine hebräische Sektion in Palästina.
Das hebräische Theater wird durch drei Theatertruppen repräsentiert.
Die Habima, die in Rußland begründet wurde und in vielen
europäischen Städten gastiert hatte, ging 1927 nach Palästina und
baute ihr eigenes Haus in Tel Aviv. Das Theaterstudio "Ohel" ist
eine Schöpfung der Arbeiterorganisation. "Matate" ist eine
Kleinkunstbühne. Es besteht eine hebräische Oper.
Die Bezalel-Kunstschule in Jerusalem besitzt ein jüdisches Museum.
Vor einigen Jahren wurde ein städtisches jüdisches Museum in Tel
Aviv eröffnet. Jerusalem besitzt ein jüdisches archäologisches
Museum. Wissenschaftliche Vereine geben Fachzeitschriften und
Sammelwerke heraus.
Die zionistische Organisation wandte dem Gesundheitswesen ihr
besonderes Augenmerk zu und traf Maßnahmen, die für den
landwirtschaftlichen Aufbau des Landes von außerordentlicher
Bedeutung wurden. Wichtige Landstriche, die durch jahrhundertelange
Vernachlässigung versumpft und malariaverseucht waren, wurden durch
den jüdischen Gesundheitsdienst, der durch die
amerikanisch-zionistische Frauenorganisation Hadassah geleitet wird,
saniert. 1912 in New York gegründet, vereinigt die Hadassah über
40.000 Mitglieder in den Vereinigten Staaten. Die
Hadassah-Medical-Organisation unterhält Krankenhäuser und
Ambulatorien in Jerusalem, Tel Aviv, Haifa, Tiberias, Safed und
vielen Siedlungen auf dem Lande. Der ärztliche Dienst auf dem
flachen Lande wurde 1931 einer palästinensischen Körperschaft, der
Kuppath Cholim Amamith (Nationale Krankenkasse) übergeben. Erwähnt
seien die Gesundheitszentren in Jerusalem und Tel Aviv, die von dem
amerikanischen Philanthropen Nathan Strauß gegründet wurden und, wie
die Hadassah-Anstalten übrigens auch, jedermann ohne Unterschied der
Rasse und Religion zur Verfügung stehen. Die allgemeine jüdische
Arbeiterorganisation hat ihre besondere Krankenkasse.
Palästina ist, wie alle Länder des vorderen Orients, Sitz
archäologischer Schulen und Vereinigungen, die Ausgrabungen
durchführen. Die hebräische Universität in Jerusalem hat einen immer
wachsenden Anteil an dieser Forschungsarbeit. Wir verdanken der
jüdischen Palästinaforschung unter anderem die Freilegung der
Synagoge in Bet Alfa, sowie in jüngster Zeit die Entzifferung der
althebräischen Inschriften (597 v. Chr.) aus Lachisch.
Die jüdische Einwanderung nach Palästina von 1882 bis 1935 lässt
sich in fünf Perioden gliedern. Die erste "Alijah"
(1880-1900) brachte größtenteils russische Juden ins Land. Die
zweite Alijah Anfang des 20. Jahrhunderts brachte ebenfalls
Juden aus Rußland, und zwar hauptsächlich revolutionäre Elemente.
Die landwirtschaftliche Gemeinschaftssiedlung war ihr Werk. Nach dem
Weltkriege setzte die
dritte Alijah ein, die die Pioniere, die Chaluzim, brachte.
Es waren das meist Menschen, die durch die Kriegsereignisse aus
ihrer Entwicklung herausgerissen wurden, junge Akademiker und
Arbeiter. Die vierte Alijah von 1925 wird durch die
Inflationskrise und die von ihr verursachte Verelendung der Juden in
Polen ausgelöst. Es war eine Alijah des Mittelstandes. Sie ging
hauptsächlich nach Tel Aviv. Die
fünfte Alijah von 1932 erreicht ihre Höhe erst 1933 mit der
Einwanderung aus Deutschland. Palästina steht heute im Zeichen
dieser Alijah.
Die Einwanderung nach Palästina ist nicht uneingeschränkt. Sie wird
von der Palästinaregierung durch besondere Bestimmungen geregelt.
Anträge auf Erteilung des Einreisevisums können gestellt werden von
Personen, die über ein Kapital von mindestens £ 1000 - im In- oder
Auslande - nachweislich frei verfügen; von Handwerkern bestimmter
Berufskategorien, die mindestens vier Jahre in ihrem Berufe stehen
und über ein Vermögen von £ 250 frei verfügen; von Personen, die
eine Rente von mindestens £ 4 monatlich beziehen; von Personen mit
Kleinkapital (mindestens £ 5oo), die einen Beruf auszuüben gedenken,
der aussichtsreich und im Lande in geringem Maße vertreten ist (so
gewisse Kleinindustrien). Landarbeiter und Handwerker im Alter von
18 bis 35 Jahren erhalten von der Palästinaregierung durch die
Exekutive der Jewish Agency Einwanderungszertifikate nach Maßgabe
der wirtschaftlichen Kapazität des Landes. Die entsprechenden
Anträge werden von den Palästinaämtern der Jewish Agency nach
Jerusalem weitergeleitet.
Angehörige von Einwohnern, die ihren ständigen Wohnsitz in Palästina
haben, können von denselben angefordert werden. Der Nachweis muss
erbracht werden, dass die in Palästina befindlichen Verwandten eine
genügend sichere Existenz haben, um für die Einwanderer aufzukommen.
hagalil.com
14-03-2005 |