Einem Menschen wie ich, der im deutschen Reich die Welt
erblickte, der vom Nazismus entwurzelt worden war und im Land Israel
neue Wurzeln geschlagen hat, der sich mit dem jüdischen Volk
überhaupt und mit Israel im besonderen identifiziert, der nun ins
öffentliche Amt des Bürgermeisters gewählt, Verantwortung zu tragen
hatte - für den war der Weg zur Einwilligung in eine Partnerschaft
zwischen seiner Stadt und einer deutschen lang und schwierig.
Städtepartnerschaften sind ein Ergebnis der Stimmung, die sich
nach dem Zweiten Weltkrieg herausbildete. Nun dachte man daran, daß
Menschen sich die Hand reichen sollen über Grenzen und nationale
Verschiedenheiten hinaus. Kriegsmüde, wollte man jetzt gegenseitiges
Entgegenkommen verbreiten und damit eine Bürgschaft für Frieden
schaffen.
Die Führungskräfte in den Städten und ihre Bevölkerung, die sich
im Wiederaufbau des zerstörten Europa gerade so bewährt hatten,
konnten dafür einen wesentlichen Beitrag leisten. Gegenseitige
Besuche, die Begegnung mit Menschen anderen nationalen Charakters,
die Förderung des Tourismus sah man als geeignet an, einem neuen
Verständnis den Weg zu bereiten. Für uns in der Stadt Netanya - für
mich den Oberbürgermeister - waren diese Erwägungen überzeugend. Um
am Werk zur Umsetzung des guten Gedankens in die Tat teilzunehmen,
bestätigten wir den Vorschlag der Stadt Nizza, einen
Partnerschaftsvertrag zu unterzeichnen. So geschah es im Jahre 1968
- zunächst dort, dann später in unserer Stadt.
Konnten wir damals schon eine Partnerschaft mit einer deutschen
Stadt eingehen? Konnten Juden, Israelis - Deutschen die Hand reichen
zum friedlichen fruchtbaren Zusammenwirken? Konnten Juden, die doch
das Holocaust-Schicksal ihres Volkes mit sich tragen - konnten sie,
deren Nächste unter den Opfern des Nazi-Hasses waren, sich vom
Trauma des Hasses lösen und einen solchen Akt der Versöhnung
unterstützen? Dennoch - es war möglich, aber bis zum entscheidenden
Schritt dauerte es noch lange zehn Jahre.
Ben Gurion und Adenauer hatten mit ihrer Begegnung im Jahre 1960
schon ein Zeichen für ihre Völker gesetzt. Eine mächtige
Ausstrahlung ging gewiß davon aus. Die Größe der beiden Staatsmänner
- ihr Wille, die Grundlage zu legen für einen Neubeginn - hatte es
ihnen ermöglicht, sich über die Wucht des Trennenden hinwegzusetzen.
Selbst diplomatische Beziehungen wurden einige Zeit danach
angeknüpft.
Mochte das Streben Ben Gurions zur Öffnung einer Pforte in eine
Zukunft der Gemeinsamkeit der beiden Völker noch so sehr anerkannt
werden, es bewirkte nicht die Beseitigung der widerstrebenden
inneren Kräfte. Für eine wirkliche Partnerschaft zwischen Städten,
deren Grundlage persönliche menschliche Beziehungen, gegenseitige
Besuche sind, war die Zeit ganz offensichtlich noch nicht reif. Noch
waren die israelischen Menschen sehr in der Vergangenheit befangen.
Vor allem diejenigen, die die Schrecken der Vernichtungslager
überlebten, die in unserer Mitte neues Leben beginnen konnten, die
ständige Betreuung und Nachsicht verdienten - sie waren ein
tägliches Mahnzeichen an das Schreckensgeschehen.
Für den Menschen an der Spitze der Stadt lag hier die Ursache für
das Vorhandensein von schwer zu nehmenden Hürden. Allen Politikern -
ob in nationalen Gremien oder in kommunalen - obliegt es, die Nähe
zu ihren Bürgern zu pflegen, Rücksicht zu üben und in ihrem Sinne zu
ihrem Besten zu wirken. Die tägliche Nähe zu seinen Bürgern
verpflichtet den Bürgermeister einer Stadt um so mehr. Er, der die
Initiative für eine Partnerschaft zu tragen hatte, mußte mit einer
ganz besonders schwerlastenden Aufgabe ringen.
In unserer Stadt Netanya galt es, alle Mitglieder des
Stadtparlamentes zu überzeugen, da ein Grundsatzbeschluß bestand,
daß Partnerschaften - so wie bei Nizza - einstimmig beschlossen
werden müssen. Auch bei einem Großteil der Bevölkerung sollte
Einverständnis bestehen. Das also war meine persönliche
Obliegenheit!
Um diese Pflicht zu erfüllen - um Zweifel anderer zu zerstreuen,
mußte vor allen ich selbst über alle meine eigenen Bedenken
hinwegkommen. Die Unsicherheit im Bereich des Gefühls und der
gedanklichen Erwägungen war vor dem Fassen einer endgültigen
Entschließung zu überprüfen. Um das Für und Wider zu stärken - für
einen Akt der Versöhnung, die mit der Partnerschaft zwischen einer
israelischen Stadt und einer deutschen so ekklatant zum Ausdruck
kommt, mußte gründlich abgewogen werden. Im konkreten Falle war
diese Notwendigkeit noch bedeutsamer, handelte es sich doch um die
Stadt, in der ich die Welt erblickte - in der sich der eigentliche
Einschnitt in den Ablauf meines Lebens ereignete - um die
Partnerschaft mit Gießen.
Die Selbstprüfung begann nicht erst, als die Partnerschaftsfrage
aufgeworfen wurde. Die Fragestellung an die eigenen Gedanken und
Gefühle über die Bereitschaft zur neuen Begegnung mit Deutschen und
Deutschem zog sich über viele Jahre hin.
Im Februar 1934 hatte ich Deutschland mit tiefer Enttäuschung und
Erschütterung verlassen. Das Land der Dichter und Denker, dessen
Wälder und Fluren ich so geliebt hatte, sollte nun in meine
Vergangenheit gedrängt sein. Das Volk, in dessen Kultur ich
aufgewachsen war, von dem ich glaubte, daß es jedes menschliche
Geschöpf als solches achtete, befand sich in einer vom Nazismus
gelenkten Metamorphose. Mit wachsender Geschwindigkeit wurden mehr
und mehr Menschen in nicht mehr denkende, blindlings gehorchende
Wesen verwandelt. Das göttliche Gebot "Du sollst nicht töten" wurde
nun immer weniger geachtet. Wer mit sich selbst offen war, konnte -
so wie ich - schon früh im ersten Jahr des Nazireiches die unfaßbare
Entwicklung voraussehen. In der Seele des Betroffenen entstand ein
Schreckensbild - er schob die geistige und physische Bindung mit
Deutschland weit - sehr weit - von sich weg. Konnte ein denkender
Mensch anders reagieren?
Fast dreißig Jahre dauerte bei mir der vollständige Bruch mit
meiner deutschen Vergangenheit. Selbst die deutsche Sprache war
verpönt. Schmerzende Fragen quälten einen unaufhörlich. Jedoch kamen
nach langer Zeit auch Fragen in eine andere Richtung. Warum sollte
man eigentlich die deutsche Sprache verachten? In ihr schrieben doch
Dichter nicht nur für Deutsche. Ich selbst hatte sie gelesen, nicht
weil sie im Lehrplan der Schule enthalten waren, sondern weil sie
mir etwas sagten! Ein solcher kultureller Boykott war zu verneinen.
Also begann ich wieder Deutsch zu lesen.
Dieser Sinnesänderung folgte eine andere Frage. Darf man
überhaupt jemanden boykottieren, nur wegen seiner Zugehörigkeit zu
einem anderen Volk? Gegen ein solches Verhalten hatten wir - die
Juden - doch ewig und immer protestiert. Dabei tauchte die
Überlegung auf, daß man eigentlich zwischen Schuldigen und
Unschuldigen unterscheiden muß. Gewiß, die Zahl der Schuldigen war
unermeßlich groß, konnte doch die Maschinerie der Massenvernichtung
nur durch den Einsatz von Unzähligen funktionieren. Eine
Verurteilung aller ohne Abwägung der Tatteilnahme jedoch darf von
uns nicht gebilligt werden! Der Begriff der "Kollektivschuld" kann
nicht - sicher nicht von uns - verteidigt werden, er ist unhaltbar.
Die Bürger, die an Untaten nicht teilnahmen, sind unschuldig und
nicht zur Verantwortung zu ziehen. Jedoch, das deutsche Volk als
Gesamtheit - die Erbin des Nazireiches, die Bundesrepublik - hat an
einer langzeitigen Hypothek zu tragen. Sorge und Verantwortung für
die selbständige Existenz des jüdischen Volkes obliegen ihr.
Die Argumente gegen das Festhalten am Fortwähren des Bruches
mehrten sich. Die biblische Geschichte von der Rettung der Stadt
Sodom wegen einzelner Gerechter kam mir in den Sinn und erlangte
gerade wegen meiner persönlichen Begegnung mit solchen einzelnen
Gerechten ausschlaggebendes Gewicht. Das versöhnliche Vergeben
gegenüber vielen soll danach geübt werden um weniger willen.
So sagt unsere Bibel, Genesis 18,23-26: "Und Abraham trat heran
und sprach: Willst Du gar den Gerechten mit dem Frevler vernichten?
Vielleicht gibt es fünfzig Gerechte in der Stadt. Willst Du auch
dann vernichten und dem Ort nicht vergeben um der fünfzig Gerechten
willen, die darin sind. Fern sei es von Dir, solches zu tun...
Sollte der Richter aller Erde nicht Gerechtigkeit üben? Da sprach
der Ewige: Wenn ich zu Sodom fünfzig Gerechte in der Stadt finde,
will ich dem ganzen Ort ihretwillen vergeben."
Das Gespräch mit Gott geht weiter und endet: "Ich werde nicht
vernichten um der Zehn willen."
Hier wird uns eine immer geltende Erkenntnis mitgeteilt. Das
maßgebende Werturteil über eine menschliche Gesellschaft wird von
wenigen bestimmt. Wo und wann immer einzelne aufstehen, um sich
gegen Unrecht zu stemmen, verkünden sie Hoffnung für die vielen -
für die Allgemeinheit. Einzelne hervorragende Menschen hatten in
meinem Werdegang eine äußerst wichtige Rolle gespielt, und sie waren
es, die mir nun zum ausschlaggebenden Wegweiser zur Teilnahme am
Brückenbau wurden. Die einzelnen, die aus der Masse Menschen weit
herausragten, waren zwei Professoren der Gießener Universität. Der
eine mein Doktorvater Professor Mittermaier, der andere der Theologe
Professor Krüger.
Abgewiesen im Sommer 1933 von der Ablegung der ersten
juristischen Staatsprüfung, ermöglichte mir Mittermaier die
Promotion mit einer von mir vorher vorgelegten Preisarbeit. Den
Preis hatte ich erhalten, jedoch an Promotion hatte ich nicht
gedacht. Die Initiative dazu kam von Mittermaier: "So werden wir Sie
nicht von der Universität abgehen lassen, Sie werden promovieren",
teilte er mir mit. Seine Absicht setzte er durch!
Krüger, der das Ephorus-Amt ausübte, erteilte mir Monate nach
meiner Promotion, nach Abbruch meines Studiums also, nach dem
erzwungenen Verlassen der Universität ein Staatsstipendium. Dies war
ohne praktische Bedeutung und konnte nur als demonstrativer Akt
gewertet werden.
Mittermaier wurde bald danach zwangsemeritiert. Krüger ließ sich
emeritieren und ging mit einer Aufsehen erregenden regime-kritischen
Abschiedsrede. Beide Männer ließen sich an der Universität, an der
der erste Lehrstuhl für Rassenkunde im Reich entstand, nicht vom
reißenden Strom der Gleichschaltung mitreißen. Beide hielten ihrer
demokratischen Gesinnung die Treue - trotz der ihnen drohenden
Gefahr des persönlichen Nachteils und des damit verbundenen
Schadens. Sie wahrten trotz allem das Recht und die Pflicht zu
eigenem Denken und zum Tragen von menschlicher Verantwortung.
Dieses Verhalten edler Persönlichkeiten mußte Vorbild sein, und
gewiß eine Lehre für mich. Wenn es in der von totaler Herrschaft
bestimmten Gesellschaft Menschen gab, die Standhaftigkeit bezeugten,
müssen sie Maßstab sein für unser Tun. Mir gaben sie Mut und Ansporn
zum Nacheifern, um jetzt zum Brückenbau beizutragen. Besonders
jetzt, denn in dieser "Nach-Nazizeit" mußten wir doch anerkennen,
daß anstelle des totalen Reiches sich eine neue demokratische
Gesellschaft gefestigt hatte - mögen in ihr auch Schattenseiten
vorhanden sein. Das Vorbild von Mittermaier und Krüger hatte also
seinen nachhaltigen Einfluss auf mich bei der Prägung meiner
Beziehung zum neuen Deutschland. Gestärkt und gefestigt wurde diese
von grundlegenden Gedanken unseres Philosophen Martin Buber. Er
prägte die ewig geltenden, den Weg denkender Menschen bestimmenden
Lehrsätze:
"Der unmittelbare, rückhaltlose Dialog ist die eigentliche
Schicksalsfrage der Menschheit; um Abgründe zwischen Menschen zu
überbrücken, haben wir eine Kultur des Dialoges zu entwickeln. Es
ist nicht gut, sich festzulegen auf die Behauptung, daß der Dialog
nicht stattfinden kann, wenn die andere Seite nicht am Gespräch
teilnehmen will. Es obliegt uns, den Weg zu finden, den Anderen zum
Gespräch zu führen. Im Innersten des Widerstreites von Misstrauen
und Vertrauen zum Menschen birgt sich der Widerstreit von Misstrauen
und Vertrauen zur Ewigkeit. Gerät es unserem Munde wahrhaft Du zu
sagen, dann haben wir nach langem Schweigen und Stammeln unser
ewiges Du von neuem ausgesprochen. Versöhnung bringt Versöhnung."
Mit diesem gedanklichen Rüstzeug begab ich mich im Jahre 1965 auf
den Weg zu meinem ersten Besuch - nach 30 Jahren - in die
Bundesrepublik. Beim ersten Blick vom Flugzeug aus auf die
geordneten Fluren und Wälder stürmten wieder all die Bedenken auf
einen ein. Wie war es möglich, daß in einem von der Natur
begünstigten Land, in einer Kultur der Ordnung ein solches
Schreckensregime entstand? Das Nachdenken begleitete mich überall.
Kein Zweifel gab es aber, daß dem in Deutschland Geborenen auch
positive Gefühle der Bindung zur Seite standen und stehen - Bindung
an die Sprache, an viel Schönes, das doch die Jugend ausgezeichnet
hatte, eine eigentlich ungestörte Schulzeit, die erfreulichen
Wanderungen, das Treffen von so viel ehedem Geschätztem und
Bekanntem. Bei alledem, was im Augenblick keine Beziehung zu
Menschen verlangte, ergab sich ohne Zweifel ein ganz angenehmes
Gefühl. Bei der unmittelbaren Begegnung mit Menschen jedoch empfand
ich zunächst nur Fremdheit. Das änderte sich, die seelische Stimmung
löste sich, allerdings nur sehr zögernd, allmählich.
Im Ablauf der Zeit ergaben sich persönliche Beziehungen und es
wuchsen selbst echte Freundschaften. Viel dazu trugen die
Botschafter der Bundesrepublik bei. Besondere Anerkennung dafür
gebührt zweien - dem ersten Botschafter Pauls und dem späteren
Hansen, die sich das Weben von menschlichen, inhaltsvollen
Beziehungen zwischen Israelis und Deutschen zu einem ihrer
Hauptziele gemacht hatten. Hansen überragte eigentlich alle darin.
Seine fortdauernden Beziehungen mit Israel und seinen Menschen sind
ein Beweis dafür.
Mit all den langsam gewonnenen Gesichtspunkten und der damit
gewachsenen Sicherheit im Denken und im Gefühl konnte ich - nun
überzeugt - im Jahre 1978 zusammen mit Oberbürgermeister Görnert und
einem Mitglied des Stadtparlamentes Netanya im Rathaus der Stadt
Gießen zu Gießener Stadträten und vielen geladenen Bürgern sprechen
und die Partnerschaftsurkunde unterzeichnen.
Es war eine bewegende und erhebende Stunde - nicht nur für mich.
Tränen von Anwesenden zeugten davon. Hier stand ich - ich der
Oberbürgermeister einer israelischen Stadt - ich, der ich hier in
diesem Ort geboren wurde - 45 Jahre nachdem ich jenem Deutschland
mit Verachtung den Rücken gekehrt hatte. Nach langer Zeit des
Bruches konnte ich über gemeinsame Aufgaben unserer Gemeinden
sprechen, über partnerschaftlichen Rat und Hilfe. Nun konnten wir
gegenseitige Hoffnung ausdrücken, daß es uns gelingen möge, einen
Beitrag zu leisten für den Aufbau einer gerechteren Gesellschaft.
Der Glaube an die Richtigkeit des begangenen Weges festigte sich
immer mehr. Inzwischen hatte die Stadt Dortmund Fortbildungsseminare
in Netanya durchgeführt, und daraus wuchsen persönliche Beziehungen.
Mit Oberbürgermeister Samtlebe wurde die Möglichkeit eines
Freundschaftsvertrages erörtert, der dann nach meiner Amtszeit auch
zustandekam. Das Suchen von immer neuen Pfaden zueinander wurde für
mich eine Antriebskraft. Sie führte mich zur Organisation und
Leitung von vielen Seminaren in Beit Berl für deutsche Gruppen aus
dem kommunalen, kirchlichen und beruflichen Bereich. Studienziel war
die Behandlung von Themen gemeinsamen Interesses - zur Begegnung im
Dialog zwischen Angehörigen zweier Völker, die lange Zeit ein tiefer
Abgrund getrennt hatte!
Unsere Partnerschaften - gewiss auch die anderer Städte - haben
ihren Zweck erfüllt. Gegenseitige Besuche von Jugendgruppen,
Partnerschaften zwischen Schulen haben persönliche Freundschaften
und Verständnis für bestehende Probleme gebracht. Folkloregruppen,
Chöre, Ausstellungen von Künstlern haben der Bürgerschaft in der
anderen Stadt einen Begriff gegeben über Inhalt und Wesen der Kultur
des anderen Volkes. Nicht nur die Führungsschicht der Gemeinden
trägt die Partnerschaft, sondern eine Großzahl von Menschen. So war
es vom Anbeginn des Partnerschaftsgedankens gemeint. Ohne Zweifel -
die Städtepartnerschaften sind Pfeiler des Brückenbaus zwischen
Israel und dem neuen Deutschland geworden.
Dürfen wir nun zum Schluss kommen, daß wir die schlimme
Vergangenheit ganz vergessen können? Bestimmt nicht! Jedes Volk hat
seine Geschichte zu erforschen. Nicht nur Positives und Schönes soll
beachtet werden. Geschichtliche Aufrichtigkeit verlangt, alles ans
Tageslicht zu bringen. Nur wenn auch das Negative überhaupt und die
Schreckenszeit der Nazis ganz im besonderen den gegenwärtigen und
den kommenden Generationen zur vollen Kenntnis und Erkenntnis
gebracht wird, besteht Aussicht, daß die richtigen Lehren gezogen
werden. Nicht die Verewigung von Abgründen des Hasses ist bezweckt.
Für die Vermeidung der Wiederkehr von schwerwiegenden Fehlern und
Untaten muss die Geschichtslehre wirken. Erinnern wir uns stets an
die Worte eines Philosophen: "Jene, die die Vergangenheit vergessen,
sind dazu verurteilt, sie noch einmal durchzustehen."
Vergangenheit ist unauslöschbar. Mit ihr zu leben ist unser
Schicksal und unsere Sendung - mit ihr, jedoch nicht in ihr - mit
ihr für eine Zukunft der Partnerschaft nicht nur zwischen unseren
Städten, sondern zwischen den Völkern. Wir sollen nicht vergessen,
uns aber auch nicht in Vergangenem verankern. Nicht Triebe und
Gefühle sollen unser Tun für die Zukunft bestimmen, damit unsere
Entscheidungen für die Zukunft nicht von Gewitterwolken des Gestern
getrübt werden.
Aus der "Festschrift aus Israel", herausgegeben
1994 zum 70. Geburtstag von Niels Hansen, ehemals deutscher
Botschafter in Israel:
Recht und Wahrheit bringen Frieden.
hagalil.com
17-10-2004