Die Anfänge des deutsch-israelischen Jugendaustauschs
            
            Jehuda Erel
            
            Die Bemühungen um Kontakte zwischen der Jugend der zwei Länder 
			sind für deren Beziehungen zweifellos besonders bedeutungsvoll. Die 
			Anstöße zu diesem für beide Seiten so erfreulichen und nützlichen 
			Werk und seine Entwicklung sollen hier kurz dargestellt werden.
            Der Austausch von Jugendgruppen war 1952 in Paris im Gespräch 
			zwischen Nahum Goldmann und Konrad Adenauer angeregt worden. Doch 
			gab es bis 1959 - durch den israelischen Jugendherbergsverein und 
			andere Gremien, die zur Aufnahme deutscher Erzieher und Jugendlicher 
			damals überhaupt bereit waren - nur vereinzelt Versuche, diese Idee 
			zu verwirklichen.
            1959 kam es zu den ersten Schmierereien von Hakenkreuzen an der 
			Kölner Synagoge, und das dürfte ein auslösendes Moment dargestellt 
			haben, verstärkt Kontakte zwischen jungen Leuten beider Länder 
			anzustreben. Allgemein, so darf man sagen, ruhten diese Begegnungen 
			auf den Schultern junger Menschen. Zum ersten Mal in der Geschichte 
			machten sie selbst nationale Politik, die veränderte Einstellungen 
			erforderte - nicht mittels Krieg, sondern im Gegenteil auf dem Wege 
			des Friedens. Der Jugendaustausch entwickelte sich in drei Phasen.
            Die erste ergab sich aus der Absicht und dem guten Willen von 
			deutschen Regierungsstellen, städtischen und regionalen 
			Wirtschaftskreisen, Organisationen und Unternehmen, die nach 
			Verbindungen zu Staat und Volk von Israel Ausschau hielten. Da dies 
			in unsystematischer Weise und ohne Kenntnis israelischer Interna 
			geschah, hatten Initiative und Durchführung derartiger Fühlungnahmen 
			meist willkürlichen Charakter. Vertreter deutscher Gemeinden reisten 
			nach Israel, knüpften dort Kontakte aufgrund beliebig gesammelter 
			Adressen oder mit Hilfe von Reisebüros und oftmals Reiseführern, um 
			israelische Gruppen zu Begegnungen in ihren Gemeinden oder 
			Institutionen auf Kosten der Gastgeber nach Deutschland einzuladen.
            Die Auswahl der Israelis blieb den infragestehenden 
			Kontaktpersonen und ihren Interessen gemäß Kriterien überlassen, die 
			nicht immer im Sinne der beiden Länder lagen. In dieser Phase wurden 
			auch Besuche von der Histadrut, dem Jugendherbergsverein und in 
			unmittelbaren Fühlungnahmen von Erziehern angebahnt.
            Besondere Erwähnung verdienen die Bemühungen der Stadt Tel 
			Aviv-Jaffo und insbesondere von Dr. Shaul Lewin, dem damaligen 
			Direktor der Abteilung Erziehung, Jugend und Kultur der 
			Stadtverwaltung. In eigener Verantwortlichkeit begann er auf Bitten 
			des Leiters der Erziehungsabteilung der Kölner Stadtverwaltung, 
			Johannes Giesberts, deutsche Studenten in Israel aufzunehmen. Einige 
			Mitglieder des Stadtrats machten Lewin damals Schwierigkeiten, und 
			es wurde deshalb erforderlich, das Austauschvorhaben zwischen den 
			beiden Städten über eine unabhängige Institution, die "Brücke" zu 
			handhaben. Sie wurde von Richter Dr. Bar Zakay präsidiert und vom 
			Autor dieses Beitrags organisiert.
            Damit war zum ersten Mal, nach eingehenden Beratungen zwischen 
			deutschen Erziehern und den Fachleuten der "Brücke", ein besonderer 
			Rahmen geschaffen worden, um Jugendliche aus Deutschland und anderen 
			Ländern aufzunehmen. Er erfüllte die Erwartungen aller Beteiligten 
			und besteht auch heute noch. Das waren die Grundzüge:
            
              - - Aufnahme in Privathaushalten: Sie machte eine eingehende 
				Zusammenarbeit zwischen Angehörigen von Jugendorganisationen auf 
				Gegenseitigkeit, Studentenräten und Jugendleitern in Tel Aviv 
				erforderlich, die nach geeigneten Familien Ausschau hielten, in 
				denen deutsch, französisch oder englisch gesprochen wurde und 
				die willens waren, deutsche Jugendliche umsonst zu betreuen.
- - Aufenthalte in Kibbuzim. Anfänglich erklärten sich nur fünf 
				dazu bereit.
- - Zusammentreffen von Jugendlichen mehrerer Länder in 
				internationalen Camps usw., welche die "Brücke" in Kiryat Yam, 
				Parod und Ein Hod veranstalte.
- - Teilnahme an der ersten Internationalen Konferenz der 
				Studentenräte, die in Israel unter der Schirmherrschaft des 
				damaligen Erziehungsministers Jigal Allon abgehalten wurde.
- - Rundreisen zur Erläuterung der Geschichte und von 
				Gegenwartsaspekten in Israel über dessen Bedeutung als Heiliges 
				Land für die Christen hinaus.
- - In der israelisch-deutschen Vereinbarung wurde festgehalten, 
				daß israelische Gruppen in Deutschland ein Konzentrationslager 
				in Begleitung der deutschen Gastgeber besichtigen. Sie sollten 
				auch mit einer jüdischen Gemeinde zusammentreffen.
- - Jede Besuchergruppe hatte vor der Reise an einem 
				Einführungskurs teilzunehmen, um sich mit den soziopolitischen 
				Gegebenheiten und der Geschichte des Gastlands vertraut zu 
				machen.
Bezeichnenderweise gaben sich die Angehörigen der ersten 
			deutschen Gruppe von zehn Jugendlichen 1961 als Franzosen aus. Sie 
			wurden einer französischen Delegation zugeordnet, bei der die 
			amtliche Sprache Französisch war. Diese Phase, die im Zeitverlauf 
			durch unterschiedliche Intensität gekennzeichnet war, endete 1967 
			angesichts der negativen Auswirkungen der Tätigkeit deutscher 
			Wissenschaftler in Ägypten sowie des Eichmann-Prozesses. Es gilt zu 
			betonen, daß in dieser ganzen Zeit die meisten der am Austausch 
			beteiligten deutschen Jugendlichen zu Botschaftern guten Willens für 
			Israel wurden, was auch angesichts der anti-israelischen Aktivitäten 
			arabischer Studenten an den deutschen Universitäten wichtig war.
            Die zweite Phase begann 1967, als sich der israelische 
			Gemeindeverband unter Leitung seines Generalsekretärs Meljon und 
			deutscherseits der Städtetag und das Bundesministerium für Familie 
			und Jugend mit Dr. Ott in den Austausch einschalteten. Auf diese 
			Weise wurden gegenseitige Kontakte im Rahmen der jeweiligen 
			Gemeinden und anderer Institutionen in den Bereichen von Politik, 
			örtlicher Verwaltung und Sport angebahnt.
            Damals wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden 
			Ländern aufgenommen, und die deutsche Botschaft in Israel war sich 
			von vorneherein bewußt, daß das Konzept des Jugendaustauschs einen 
			besonders guten Beitrag zur Gestaltung enger deutsch-israelischer 
			Beziehungen leisten konnte. In dieser Phase waren die entscheidenden 
			Ansprechpartner der Internationale Jugendaustausch- und 
			Besucherdienst der Bundesrepublik Deutschland e. V. und ein 
			entsprechender Ausschuß des Gemeindeverbandes in Israel. In 
			Deutschland war Heinz Michel die treibende Kraft, dessen Hingabe und 
			Integrität vorbildlich waren.
            1972 verabschiedete die Knesset das Gesetz, mit dem der 
			Öffentliche Rat für Jugendaustausch geschaffen wurde. Seine 
			Mitglieder waren Vertreter des Gemeindeverbandes, der 
			Sportorganisationen, des Jugendherbergsvereins, des Ministeriums für 
			Erziehung und Kultur, des Außenministeriums sowie von El Al und 
			Lufthansa. Er schloß praktisch alle Gremien ein, die mit dem 
			Jugendaustausch in irgendeiner Weise zu tun hatten. 
			Gründungsvorsitzender wurde der Abgeordnete Adi Amorai.
            Die Mitwirkung der Luftverkehrsgesellschaften erklärt sich 
			daraus, daß nach deutschem Gesetz Flüge Einzelner oder von Gruppen 
			auf Kosten der deutschen Regierung mit Lufthansa durchgeführt werden 
			mußten. Angesichts seiner langjährigen Zusammenarbeit mit El Al und 
			deren Beitrag zur Stärkung der beiderseitigen Beziehungen wurde 
			Jehuda Erel, der Verfasser dieses Beitrags, beauftragt, mit den 
			deutschen Behörden Verhandlungen zu führen, und man einigte sich 
			schließlich darauf, daß die Flüge von den beiden Gesellschaften je 
			hälftig durchzuführen waren. Weiter wurde die Teilnahme der 
			Vertreter der zwei Luftlinien an den jährlichen Treffen des 
			Gemeinsamen Fachausschusses vorgesehen.
            Dieser tagt jährlich alternierend in Deutschland und Israel. 
			Dabei werden die Anträge darauf geprüft, ob es sich jeweils um 
			geeignete Partner handelt und welche Bedeutung ihnen zukommt. 
			Zunächst gab es zwei Kategorien, nämlich Reisen, bei denen sämtliche 
			Aufwendungen erstattet werden, d. h. die Flugkosten von der 
			deutschen Regierung und die Aufenthaltskosten von der 
			Partnerorganisation des gastgebenden Landes, sowie solche mit nur 
			teilweiser Vergütung der Ausgaben. Es kam dann eine dritte Kategorie 
			hinzu, bei der, von erzieherischen, kulturellen und historischen 
			Ausnahmen abgesehen, keine regierungsseitige Unterstützung mehr 
			erfolgte, was im Lauf der Zeit bei der Mehrzahl der Anträge der Fall 
			war.
            Der Ausschuß beauftragte den verstorbenen Josef Meyouhas und den 
			Autor, Richtlinien mit Merkpunkten für die Durchführung des 
			Austauschs zu erarbeiten. Sie dienten als Modell für ähnliche 
			Vorhaben zwischen Israel und anderen Ländern, und sie sind heute 
			noch gültig.
            Es sei hier auf die sich mit den Jahren entwickelnde Einbeziehung 
			der israelischen Behörde für Naturschutzreservate in den Austausch 
			hingewiesen. Sie hat sich auch in einer kürzlichen Vereinbarung 
			zwischen dieser und dem Europäischen Parlament niedergeschlagen, die 
			dank der nachdrücklichen Bemühungen des deutschen Botschafters in 
			Tel-Aviv, Niels Hansen, möglich wurde. Die Zusammenarbeit umfasst 
			Aktivitäten in den Bereichen des Natur- und Landschaftsschutzes 
			sowie des Artenerhalts.
            Die nachfolgenden statistischen Daten mögen Ausmaß und Gewicht 
			des deutsch-israelischen Jugendaustauschs verdeutlichen:
            Seit der Schaffung des Öffentlichen Rats vor über zwanzig Jahren 
			fahren jährlich mehr als siebzig Jugendgruppen mit durchschnittlich 
			16 Mitgliedern, also etwa 1200 Mädchen und Jungen in beide 
			Richtungen. 
            
            Zusätzlich fliegen ungefähr fünfzig Gruppen außerhalb des Abkommens. 
            
            Die israelische Botschaft in Bonn und die deutsche in Tel Aviv 
			spielen für Entwicklung und Ausgestaltung der Vorhaben seit jeher 
			eine wesentliche Rolle. Es gibt keinen Zweifel daran, daß der 
			Pionierfunktion des Jugendaustauschs keine geringe Bedeutung zukommt 
			bei der Vertiefung der besonderen Beziehungen und der Partnerschaft 
			zwischen den Gemeinden und Institutionen der beiden Länder.
            Das Engagement von Botschafter Dr. Niels Hansen ist hier nicht 
			zuletzt wegen seiner so erfolgreichen Bemühungen berichtenswert, die 
			orientalischen Gemeinschaften Israels, insbesondere die jüdischen 
			Jemeniten, auch in den Jugend- und allgemein in den Kunst-, 
			Wissenschafts- und Kulturaustausch einzubeziehen.
            Angesichts der schwindenden Zahl deutschkundiger Israelis hat der 
			Allgemeine Fachausschuss Sprachkurse in Deutschland eingerichtet, 
			deren Teilnehmer mit dem Ziel entsandt werden, daß sie bei 
			Deutschlandreisen junger Israelis und bei der Aufnahme deutscher 
			Gruppen in Israel ebenso wie beim Deutschunterricht der 
			Goethe-Institute und anderer Lehrstätten in Israel behilflich sind. 
			Zusammenfassend soll unterstrichen werden, daß die allgemeine 
			Festigung der guten Beziehungen zwischen Israel und Deutschland ohne 
			den unschätzbaren Beitrag des Jugendaustauschs nicht möglich gewesen 
			wäre. All denen gebührt unser Dank, die hier und dort bei seiner 
			Verwirklichung so unermüdlich geholfen und damit gegenseitiger 
			Verständigung und internationaler Verbundenheit den Weg geebnet 
			haben.
            Quelle: "Festschrift aus 
			Israel", herausgegeben 1994 zum 70. Geburtstag von Niels Hansen, 
			ehemals deutscher Botschafter in Israel:
            Recht und Wahrheit bringen Frieden.