LEBENSLAUF: Uri
Avnery (Helmut Ostermann) wurde am 10. September 1923 in
Beckum/Westfalen geboren. Sein Vater war im Bankwesen tätig.
1933 emigrierte die Familie nach Palästina, wo seine Familie
eine Wäscherei betrieb. 1936, im Alter von 13 Jahren, verließ
Uri Avnery die Schule, zog ein Jahr später in eine
Gemeinschaftssiedlung und meldete sich bald bei dem damaligen
Leiter der kleinen jüdischen Untergrundtruppe "Etzel": Menachem
Begin, der spätere israelische Ministerpräsident. Uri Avnery
wurde für die Verteilung von Propagandamaterial und für
Botendienste eingesetzt. "Etzel" richtete in Avnerys Unterkunft
ein Waffenlager ein. Im Alter von 15 Jahren wurde er Mitglied
der Untergrund- und Widerstandsorganisation "Irgun Tsewai
Keumi".
1942 verließ Uri Avnery diese Organisation aus
ideologischen Gründen jedoch wieder. "Schon damals dachte er
darüber nach, wie die nationale jüdische Bewegung sich gemeinsam
mit der arabischen Nationalbewegung gegen die britische
Mandatsmacht erheben könnte." (Das Sonntagsblatt, 22.08.19997)
In der Zwischenzeit fand er Arbeit als Mechanikergehilfe und
Gehilfe in einem Anwaltsbüro.
1948 kämpfte Uri Avnery mit
der Kommandoeinheit "Samson’s Foxes" an der ägyptischen Front.
1948, gegen Ende des Unabhängigkeitskrieges, wurde er schwer
verwundet.
1950 begann Uri Avnery seine Erfahrungen in
den Kämpfen in zwei Büchern niederzuschreiben, sie wurden in
Israel zu "angefeindeten Bestsellern".
Unter dem Titel "Auf den Feldern der Philister"
veröffentlichte Uri Avnery eine Sammlung von Kriegsreportagen,
die er damals für die Tageszeitung Ha’aretz geschrieben hatte.
Von dem Erlös dieses Buches kaufte er die unbekannte Zeitschrift
"Ha’olam Ha’zeh (Diese Welt).
Seit 1950 ist er
Herausgeber und Chefredakteur der in Tel Aviv erscheinenden
Wochenzeitung "Ha’olam Ha’zeh". Mit dieser Zeitung hat sich Uri
Avnery ein Sprachrohr gegen das israelische Establishment
geschaffen und in seinen Artikeln fast jedes Tabu, das es in
Israel gab, gebrochen. Die Zeitung übte gegen die offizielle
Politik vehement Kritik, deckte Skandale auf und trat für die
Gründung eines palästinensischen Staates ein.
1950
veröffentlichte Avnery das Buch "Die zweite Seite der Münze", in
dem er antimilitaristische Positionen propagiert. Avnery
entwickelt darin die "These von der Realität der
palästinensischen Nation, deren Anspruch auf staatliche
Identität bisher von allen israelischen Regierungen abgelehnt
wird". (Der Spiegel, 4.07.1988)
1965 wurde in Israel ein
neues Pressegesetz verabschiedet, das sich eindeutig gegen
"Ha’olam Ha’zeh" richtete. Uri Avnery gründete im selben Jahr
noch eine Partei mit dem Namen der aufgelösten Zeitung "Ha’olam
Ha’zeh" (Diese Welt – neue Kraft). So gewann er bei den
Knesset-Wahlen mit 1,2 % der Stimmen ein Mandat und zog ins
Parlament, wo er in den folgenden zehn Jahren rund 1000 Reden
hielt. Ganz unbescheiden sagt Uri Avnery: "Ich war der beste
Parlamentarier, den Israel je hatte."
1973 scheiterte die
Partei Avnerys, die inzwischen in "Meri" (Aufstand) umbenannt
wurde, bei den Knesset-Wahlen an der Ein-Prozent-Hürde, was die
Auflösung der Partei nach sich zog.
Uri Avnery war
insgesamt zehn Jahre lang Abgeordneter des israelischen
Parlaments, der Knesset.
1979 setzte Uri Avnery mit einer
neuen Partei sein politisches Comeback durch, so gelang es ihm
weitere zwei Jahre der Knesset anzugehören.
1982 wurde
Uri Avnery wegen Hochverrats von der israelischen
Generalstaatsanwaltschaft vor Gericht gestellt. Er hatte sich zu
Beginn des Libanon-Krieges als erster Israeli mit dem
Palästinenser Jassir Arafat zu einem Interview getroffen, als
jüdischer Friedensaktivist besuchte er den "Staatsfeind Arafat"
im von der israelischen Armee belagerten Beirut.
Nicht
nur in Israel wehrte man sich gegen einen Dialog zwischen
Palästinensern und Israelis, den Avnery unbedingt zustande
bringen wollte. Sa’id Hamami, der Vertreter der PLO in London,
und Dr. Issam Sartawi, Arafats Sonderbeauftragter für Kontakte
mit den Israelis, waren beide Ansprechpartner Avnerys. Sie
wurden später von palästinensischen Extremisten ermordet.
1984 wurde Uri Avnery Mitglied der "Progressiven Friedensliste",
die damals mit zwei Sitzen in der Knesset vertreten war, schon
bald wurde er auch zu einem der Vorsitzenden gewählt.
1988 veröffentlichte Uri Avnery sein Buch "Mein Freund, der
Feind", darin beschreibt er seine engen Kontakte zur PLO und zu
Jassir Arafat.
1991 veröffentlichte Avnery ein Portrait
des PLO-Aktivisten Feisal el-Husseini im Spiegel (Nr. 43) vor
Beginn der Nahost-Friedensgespräche, die ab 30. Oktober 1991 in
Madrid stattfanden.
1995 veröffentlichte Avnery sein Buch
"Zwei Völker, zwei Staaten", in dem er im Stil eines Gesprächs
über Israel und Palästina referiert und sich für die Versöhnung
von Arabern und Juden einsetzt.
1997 erhielt Uri Avnery
als Mitbegründer und Sprecher der jüdischen Aktionsinitiative
"Gush Shalom" ("Friedensblock") den Aachener Friedenspreis. Mit
diesem Preis werden Menschen geehrt, die von "unten her" dazu
beitragen, der "Verständigung der Menschen und Völker
untereinander zu dienen". Die Bewegung "Gush Shalom" wurde
1992 gegründet und bemüht sich seitdem um ein friedliches
Zusammenleben von Israelis und Palästinensern. Sie ist eine
radikale und sehr aktive Friedensbewegung und wendet sich gegen
die aktuelle Siedlungspolitik des jüdischen Staates.
"Der
Friede mit den Palästinensern", so hofft Avnery, "werde auch ein
anderes Israel schaffen". Er wünscht sich, daß sein Land,
befreit von äußeren Konflikten, "eine demokratischere,
liberalere und säkularere Republik wird." (Das Sonntagsblatt,
22.08.1997)
Ausschnitt aus der Dankesrede Uri Avnerys
am 1. September 1997 aus Anlaß der Verleihung des Aachener
Friedenspreises:
"Wenn sich in unserem Land etwas
verändert hat, haben wir Friedenskämpfer dazu beigetragen. Noch
immer fließt bei uns unschuldiges Blut, noch passieren bei uns
täglich unmenschliche Dinge. Aber auf dem Weg vom totalen Krieg
zum gerechten Frieden sind wir doch schon einen gewaltigen
Schritt vorangekommen. So ist es bei uns. Immer, wenn man
hinschaut, sieht es so aus, als bewege sich gar nichts, als wäre
alles angefroren. Sieht man aber genauer hin, merkt man, daß
keiner mehr dort steht, wo er das letzte Mal gestanden hat.
Als ich vor 48 Jahren erklärt habe, daß wir Frieden mit dem
palästinensischen Volk machen müssen und daß dieser Friede
zwischen dem Staat Israel und dem Staat Palästina gemacht werden
muß, hat man mich ausgelacht. Palästina? Palästina ist von der
Landkarte verschwunden. "Es gibt keine Palästinenser", hat die
unselige Golda Meir noch vor 30 Jahren gesagt. Aber die
Palästinenser sind da und Golda Meir ist nur noch ein Portrait
auf dem Geldschein. Laut Meinungsumfragen ist die große Mehrheit
der Israelis im Prinzip bereit, auch einen palästinensischen
Staat zu akzeptieren, obwohl noch unter allen möglichen
Vorbedingungen und mit Einschränkungen.
Als ich mich vor
15 Jahren mit Jassir Arafat im belagerten Beirut traf, war das
für viele Israelis ein Verbrechen. Drei Minister forderten, mich
wegen Hochverrats vor Gericht zu stellen. Jetzt stehen viele
Politiker des israelischen Konsens Schlange, um sich mit Arafat
photographieren zu lassen. Für uns ist da kaum mehr Platz.
Der Kampf ist noch lange - noch lange! – nicht zu Ende. Ich
möchte mit einem Satz von Martin Luther King schließen: "Ich
hasse die Rassisten, aber ich hasse noch mehr die, die ihren
Taten zuschauen und sich nicht einmischen." (SZ, 2.09.1997)
17.05.1997)
|