Rettung von Juden in Albanien
Albert RAMAJ
Jüdische Spuren
finden sich auf albanischem Boden seit dem 7. Jahrhundert. So sind 2003 zwei
israelische Professoren, Ehyd Netzer und Gideon Foerster, nach Forschungen
in Saranda (Südalbanien) zu der Auffassung gelangt, dass die dortige
Basilika früher als Synagoge gedient haben muss. Darüber hinaus gibt es in
der Region vereinzelt noch frühere Spuren, und zwar von romaniotischen Juden
(= Juden, die sich nach der Vertreibung aus Judäa durch die Römer im
byzantinischen Reich angesiedelt hatten): aus dem 2.Jahrhundert (etwa die
Synagogen in Stobi, heute: Mazedonien) und aus dem 4. Jahrhundert
(Grabsteine in Montenegro; «jüdische Gräber» in Shkopet bei Mati/Albanien).
Eine Synagoge in Skopje (alb. Shkup) wurde im Jahre 1361 errichtet; in
Durrës sind Juden seit 1281, im Kosovo –z.B. in Novobrdo bei Prishtina –
bereits 1442 nachgewiesen. Im heute nordgriechischen Ioannina (alb. Janina),
das historisch-ethnisch «Südalbanien» zugerechnet wird, haben Juden schon
seit dem 12. Jahrhundert gelebt. Benjamin Ben Jonah von Tudela (gest. 1173)
schrieb damals: «Sie sind im Glauben der Nazaräer nicht fundiert und
verwenden jüdische Namen unter einander, und einige sagen, sie seien Juden»
(Elsie, S. 111).
Die ersten jüdischen Zuwanderer (etwa 90 000) stammten
wahrscheinlich aus den älteren Judengemeinden von Saloniki und Verria.
Sephardim (Spaniolen) waren seit 1492 vor derJudenverfolgung aus Spanien ins
Osmanische Reich geflohen. Über die Küstenstädte Durrës und Vlora erreichten
sie u.a. Berat und Elbasan (Schukalla, S. 541; Elsie, S. 111f.). Sie haben
archäologische Spuren hinterlassen. Auch sind infolge der judenfeindlichen
Politik Papst Pauls IV. (1555-1565) viele Juden aus dem Kirchenstaat in
albanische Gebiete geflohen. Unter osmanischer Herrschaft hatten sie weniger
zu befürchten als in christlichen Ländern. Die albanischen Siedlungsgebiete
waren seit 1468, dem Tod von Gjergj Kastriota («Skanderbeg»), endgültig
osmanisch.
Wertvolle Handschriften der «Sefer Thora» befanden sich 500
Jahre in Albanien, und zwar in der kleinen Stadt Vlora. 1930 sind sie
verschwunden. Vlora war ein wichtiges jüdisches Zentrum in Albanien. Um 1520
hatte es hier 609 Häuser von Juden gegeben, Ihre Synagoge wurde im Ersten
Weltkrieg zerstört. –Übrigens hat der jüdische Kabbalist, Sabbatianer und
Pseudo-Messias Sabbataj Zewi (geb. 1626 zu Smyrna) nach Jahrzehnten unsteten
Wanderns sein Leben 1673 oder 1676 in Ulcinj (alb. Ulqin, it. Dulcigno)
abgeschlossen unter dem Namen Mehmed Effendi, nachdem er 1666 hatte zum
Islam übertreten müssen.
Anfang des 19. Jahrhunderts haben die meisten Juden die
nördlichen und zentralen Regionen Albaniens verlassen und sich im Süden des
Landes sowie in einigen Orten jenseits der Grenze, in Griechenland,
niedergelassen. Einer Volkszählung im Jahre 1910 zufolge lebten in den
albanischen Vilajets (= Bezirken) Janina 5077, Manastir (heute: Bitola,
Mazedonien) 6497 sowie im Vilajet Kosovo 3171 Juden; in Shkodra (Skutari)
hingegen gab es keine Juden. Dabei befanden sich die größten jüdischen
Gemeinden in den Städten Manastir: 6435 Personen, Janina: 4373, Skopje
(Mazedonien): 2327, Preveza (heute: Nordwest Griechenland): 431 – alle
Gemeinden lagen also außerhalb des heutigen albanischen Staatsgebietes.
Hingegen waren nach der (nicht unumstrittenen) Volkszählung von 1930 in ganz
Albanien offiziell nur 204 Juden gemeldet; ihre Gemeinde wurde erst am 2.
April 1937 amtlich anerkannt.
Juden mit albanischem Hintergrund in Kultur und Politik
Es gibt eine Reihe von Menschen jüdischer Abstammung mit
Wurzeln oder Verbindungen zu Albanien, die in Kultur und Politik eine
gewisse Bedeutung hatten oder noch haben, z.B. der Postminister des erstmals
1912 unabhängig gewordenen Albaniens, Lef Nosi, war ein zur Orthodoxie
konvertierter Jude Verwandte von ihm leben bis heute in Tirana. Alexander
Moissi (Aleksandër Moisiu; 1879-1935): Schauspieler am Wiener Burgtheater
und Mitbegründer der Salzburger Festspiele – war albanisch-jüdischer
Abstammung – wie natürlich auch der mit ihm verwandte heutige Präsident der
Republik Albanien, Alfred Moisiu (geb. 1929). Ein Urenkel von Alexander
Moissi ist der deutsche Schauspieler Gedeon Burkhard (geb. 1969; bekannt aus
der Krimi-Serie «Kommissar Rex»): auch er hat also jüdisch-albanische
Wurzeln. Ein bedeutender Jude in Albanien war auch der Übersetzer Robert
Schwarz/Shvarc, der bis zu seinem Tode (2003) in Albanien blieb; sein Sohn
Edvin schreibt häufig in albanischen Zeitungen über Juden, Judentum,
Antisemitismus. Es gab jüdische Wissenschaftler, die keine biographische
Verbindung zu Albanien hatten, sich aber mit albanischer Kultur, Sprache
oder Geschichte beschäftigten – so der Wiener Linguist Norbert Jokl (*1877),
der 1942 auf dem Transport ins KZ umgekommen ist; mit ihm ging sein
Manuskript eines Etymologischen Wörterbuchs der albanischen Sprache
verloren. Ein Historiker, der sich durch seine Arbeiten auf dem Gebiet der
albanischen Geschichte des Spätmittelalters einen Namen gemacht hat, war
kroatischer Jude: Milan von Šufflay (1879-1931). Zwar lebte und lehrte er in
Kroatien, doch die albanische Regierung unterstützte seine Forschungen
maßgeblich; etwa sein gewaltiges Projekt der Acta Albaniae Band III.
Im Zweiten Weltkrieg
Albanien hatte –im Gegensatz zu anderen Ländern Europas
–seine Einreisebestimmungen für Juden in den 30er Jahren nicht –oder nur
wenig –verschärft. So wurde Albanien vor und während des Zweiten Weltkrieges
für manchen Juden zum rettenden Aufnahmeland. Juden aus vielen europäischen
Staaten beantragten Einreisevisa und begehrten in Albanien Asyl. Wer es nach
Albanien geschafft hatte, war gerettet. Albaner haben Juden sogar zur Zeit
der deutschen Besatzung nicht verraten. Die albanische Tradition der
Gastfreundschaft – besa: Ehrenwort, Treue – hat sich auch in jenen
schwierigen Zeiten bewährt.
Als kein anderes europäisches Land mehr bereit war, Juden
aufzunehmen, stellte die albanische Botschaft in Berlin den Juden noch Visa
aus. Sogar noch 1942 (also unter italienischer Besetzung) versuchte man von
der albanischen Botschaft aus, Juden verschiedener Länder die Einreise nach
Albanien zu ermöglichen und sie so zu retten –z.B. (allerdings vergeblich)
im Fall des erwähnten Dr. Norbert Jokl in Wien. So fanden Juden aus
Deutschland, Österreich, Jugoslawien, Ungarn, Kroatien, Rumänien, Bulgarien,
Ägypten, Polen und der Türkei in Albanien Zuflucht.
Unter diesen gab es einige Prominente: z.B. Prof. Stanislav
Zuber, der Schriftsteller Dr. Leo Mathia und die Künstlerin Joli Jakob. Ein
gewisser Dr. Finer, Universitätsprofessor in London, wollte (in Begleitung
von John Walter, dem Sohn des Herausgebers der «Times») nach Albanien reisen
–um «sich über Niederlassungsmöglichkeiten für Juden in Albanien zu
informieren». Aus indirekten Quellen ergibt sich, dass auch Albert Einstein
incognito damals Albanien kurz besucht hat» (Sh. Sinani).
Persönliche Zeugnisse
Nach allen bisher einsehbaren Archivquellen, nach Berichten,
Interviews etc. sind tatsächlich keine Juden aus Albanien an deutsche
Militär-oder Zivilbehörden ausgeliefert worden. Seit Mitte der 1990er Jahre
wurde mancherlei dazu publiziert, etwa von Harvey Sarner (1997) in den USA:
«Rettung in Albanien: 100% aller Juden in Albanien vor dem Holocaust
gerettet». Jutta Neumann bringt in ihrem Buch «Umweg über Albanien»
(englisches Original: «Via Albania») ihre Erinnerungen zu Papier. Mit ihren
Eltern war sie von Hamburg geflohen. Nach ihrer Ankunft in Albanien notierte
sie:
«In diesem Hotel lebten schon einige
jüdische Familien. Andere hatten ein großes Haus gemietet, das zu einer
Art Gemeinschaftsunterkunft geworden war – oder, wie sie es nannten: ein
‹Emigrantenhaus›».
60 Menschen hätten darin gewohnt, die
meisten aus Österreich (Neumann, S. 133). Sie erwähnt auch jüdische
Flüchtlinge aus Belgrad. In diesem Zusammenhang weist Branka Prpa,
Historikerin und Direktorin des Geschichtsarchivs in Belgrad, darauf hin,
dass in Belgrad vor dem Zweiten Weltkrieg 12.500 Juden gelebt haben – nach
dem Krieg waren es nur noch 1500. Von den übrigen 11 000 dürfte zwar auch
ein Teil umgekommen sein, tatsächlich aber haben viele Juden aus Jugoslawien
in Albanien Zuflucht gefunden. Jüngsten Forschungen zufolge haben sich auch
ca. 400 Juden aus Dubrovnik nach Albanien gerettet und überlebt, von denen
man bisher angenommen hatte, sie seien in Auschwitz umgekommen. Jutta
Neumann beschreibt die Not, in der jüdische Flüchtlinge in Albanien gelebt
haben:
«Unsere finanzielle Lage war damals sehr
schlecht, und wir aßen buchstäblich jeden Tag Suppe und trockenes Brot.»
In diesem Zusammenhang erinnert sie an einen
Herrn Jacobson aus Budapest: «Trotz unserer Notlage hatten wir zum
Mittagessen einen ständigen Gast: Herrn Jacobson. Dieser war von Budapest
aus zu Fuß nach Saloniki und von dort nach Albanien gelaufen.» Sie erwähnt
einige Namen von Juden aus Mitteleuropa, die in Albanien mit ihnen
zusammengewesen waren:
«Ich kann mich nicht an alle Namen erinnern. […] Fritz
Kraus, Katerina Kraus, Gertraude Kraus, Friederike Kraus (die Mutter von
Fritz); Heinrich Stern und seine Frau, an deren Vornamen ich mich nicht
erinnern kann – sie war die Schwester von Fritz und somit die Tochter
von Friederike Kraus; Herr Galitzky; Herr und Frau Weinstein; Fritz
Altman; Hans und Anni Krall und ihre Schwester Olga Stutecka; Josef
Gertler; Siegbert, Alice und Jutta Gerechter; Walter und Finny Mandel
und ihre Mutter – Frau Tchatcher; Menasche, Resel und Julius Wolf; Herr
Horn; Herr und Frau Tau; Dr. Leo; Edith, Hannelore, Eva und Alexander
Meyer; Emil und Stella Borger (beide kamen, soweit ich mich erinnere,
aus Jugoslawien); Herr Jacobson (aus Ostpreußen)» (Neumann, S. 133).
Kürzlich hat der frühere Direktor des
albanischen Staatsarchivs, Shaban Sinani, verschiedene Akten über die
Rettung der Juden in Albanien publiziert. Danach seien praktisch alle Juden,
die in Albanien Zuflucht gefunden haben, gerettet worden. Albanien sei das
einzige Land in dem von Deutschen und Italienern besetzten Europa gewesen,
wo bei Kriegsende mehr Juden gelebten hätten als zu Beginn des Krieges.
Nach Albanien geflohene Juden hätten Papst Pius XII. um
Hilfe gebeten – offenkundig nicht ganz ohne Erfolg. Nicht unwesentlich hat
auch der damalige «Regentschaftsrat» in Tirana, dem u.a. der
Franziskanerpater Anton Harapi aus Shkodra/Skutari angehörte, zur Rettung
der Juden beigetragen. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass dies in
erheblichem Maße auch andere Moslems und Christen getan haben sollen.
Christine von Kohl betont:
«Trotz aller Schrecken, die
Befreiungs-und Bürgerkrieg für die albanische Bevölkerung bedeuteten,
wurde kein Jude an die Deutschen ausgeliefert. Erst im letzten Moment,
im Frühjahr 1944, unternahm die Gestapo in Tirana die ersten Schritte
zur Registrierung der in Albanien lebenden Juden. Angesichts der großen
Gefahr, die das Verstecken von deutschen Juden bedeutete, war der Schutz
[durch die «Besa»], welcher ihnen geboten wurde, eine bemerkenswerte
moralische Leistung. Darüber gibt es eine Reihe glaubwürdiger
Zeugenaussagen. Einzelheiten wurden dem Institut für Studien zum
Holocaust in Israel übermittelt. [...] Vom Mut und der Geistesgegenwart
albanischer Gastgeber, bei denen Juden wohnten, zeugt unter anderem der
Bericht von Mark Menahem, der bei einer Familie in Tirana im Versteck
lebte. Als Deutsche an die Tür klopften, steckte ihn die Hausfrau, deren
Mann gerade nicht zu Hause war, in dessen Bett und stellte Mark als
ihren kranken Mann vor.» – Josef Jakoel wiederum habe berichtet, dass
ein Freund nach dem Krieg seinem albanischen Retter als Dank einen
Geldbetrag zukommen lassen wollte und folgende Antwort erhielt: «Ich
habe Dich als einen Freund behandelt, ich habe dir die ‹Besa› erwiesen
[…], dem Freund erweisen wir die ‹Besa›, aber wir verkaufen sie nicht»
(v. Kohl, S. 71).
Samuilo Mandil war ein Belgrader Jude, der sich im Zweiten
Weltkrieg ebenfalls nach Albanien hatte retten können. In einem Artikel
(«Izraelitet në Shipni») in der albanischen Zeitung «Bashkimi » (20. Februar
1945) schrieb er, dass er, der 1942 von Belgrad nach Albanien geflohen war,
den Albanern dafür dankt, dass sie Juden versteckt und damit viele gerettet
haben. Er finde es bemerkenswert, dass sogar noch 1942 Juden aus vielen
Ländern nach Albanien gekommen sind. Aus dem Artikel geht hervor, dass noch
im Jahre 1943 Juden in Albanien nicht in Gefahr waren; zur Zeit der
italienischen Besetzung (1939–1943) konnten sie in Albanien ein normales
Leben führen. Erst mit der Besatzung Albaniens durch die Deutschen (3. 9.
1943) änderte sich das. Samuilo Mandil erwähnt in diesem Artikel aber auch,
dass im Gegensatz dazu 1942 die Behörden in Mitrovica, also im bis 1941
jugoslawischen Kosovo, 53 Juden an die Nazis ausgeliefert hätten.
Nach der Besetzung Albaniens durch die Deutschen bestand für
jeden Juden nun größte Lebensgefahr. Für die Albaner wurde es schwierig,
ihre «Gäste» zu schützen. Die sog. «Emigrantenhäuser » konnten von den
Deutschen natürlich leicht entdeckt werden. Damuilo Mandil berichtet, die
Albaner, denen klar war, in welcher Gefahr die Juden nun schwebten, hätten
diese in weit entfernten, besonders armen und den Deutschen schwer
zugänglichen Dörfern versteckt. Die Albaner hätten mit ihnen das letzte
Stück Brot geteilt. –Übrigens hat der deutsch-albanische Fernsehfilm «Mein
Freund der Feind» (2003) des Regisseurs Gjergj Xhuvani den jüdischen Alltag
in Albanien im Zweiten Weltkrieg recht eindringlich dargestellt.
Mandil hebt hervor, dass in Albanien jüdische Jugendliche
aus Jugoslawien mit den Partisanen gegen die Deutschen gekämpft hätten. Fünf
von ihnen –Jakov Avramovic´, Jusef Konforti, Jusef Bivas, Žak Ruben und
David Koen –seien gefallen (ob auf dem heutigen Staatsgebiet Albaniens oder
aber im Kosovo, ist nicht bekannt).
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach Kriegsende sind aus Albanien nicht nur alle Juden aus
dem Ausland in ihre Heimatländer zurückgekehrt oder nach Israel und in die
USA ausgewandert, sondern auch ein erheblicher Teil der eingesessenen
albanischen Juden hat Albanien verlassen. In ihrem Buch «Escape Through the
Balkans» (University of Nebraska Press, 1996) schreibt Irene Grunbaum:
«Leb wohl, Albanien! Du hast mir Zuflucht, so viel Gastfreundschaft, Freunde
und Abenteuer beschert. Leb wohl, Albanien! Es kommt der Tag, da werde ich
der Welt verkünden, wie mutig, furchtlos, stark und treu deine Söhne sind
und dass weder Tod noch Teufel sie schrecken. Ich will […] davon erzählen,
wie sie ein Flüchtlingsmädchen beschützten: Sie ließen nicht zu, dass ihm
Unheil zugefügt wurde –und riskierten dabei ihr eigenes Leben. Deine Tore,
du kleines Albanien, blieben offen. Deine Beamten ignorierten die Gesetze,
wenn es darum ging, armen Verfolgten noch eine Chance zu verschaffen, dass
sie den schlimmsten aller Kriege überlebten! Albanien, nur dank deiner
Menschlichkeit haben wir die [deutsche – G.S.] Besetzung überstanden.
Albanien – wir danken dir!» (S. 139; Übersetzung: G.S.)
Im gleichen Sinne äußerte sich Jutta Neumann in «The
Washington Jewish Week» (7-8 /1999): «Albaner, ob Muslime oder Christen,
sind überaus gastfreundliche, großzügige und liebenswürdige Menschen. Man
muss unterstreichen, dass [die Rettung der Juden] nicht allein auf die
traditionelle Gastfreundschaft der Albaner [die ‹Besa›] zurückzuführen ist
vielmehr war [diese Rettung] auch Ausdruck persönlichen Mutes. Im Denken der
Albaner rangierte die Notwendigkeit, Menschen in Not zu helfen, höher als
die Sicherheit ihrer Familien. In Yad Vashem zu Jerusalem findet man eine
lange Liste von Albanern, die von Israel den Ehrentitel «Gerechte unter den
Völkern» erhalten haben. Zieht man in Betracht, dass Albanien damals kaum
mehr als eine Million Einwohner zählte, dann ist die Zahl dieser «Gerechten»
unvergleichlich hoch.» (Übersetzung: G.S.)
Nach dem Ende des Kommunismus (1990)
Um 1950 hatten in Albanien nur noch etwa 200 einheimische
Juden gelebt. 1967 wurde in Albanien das Praktizieren jeglicher Religion,
auch der jüdischen, verboten. Erst nach dem Sturz der kommunistischen
Diktatur konnten albanische Juden mit Hilfe der jeweiligen Regierung nach
Israel und einige auch in die USA ausreisen. 1990 und 1991 sind 350
albanische Juden nach Israel und 37 in die USA ausgewandert: Lediglich 32
blieben in Albanien. Einige der 1990/91 ausgewanderten Juden sind allerdings
nach Albanien zurückgekehrt – jedenfalls zeitweise: Sie kaufen in Albanien
eine Wohnung, um in der Heimat einige Monate im Jahr zu leben –und den Rest
des Jahres in Israel oder den USA zu sein. In Vlora wurde in dem Viertel, wo
die meisten Juden gelebt haben, eine Gedenktafel mit all ihren Namen
angebracht und eine Straße in «Jüdische Straße» umbenannt. Man hat geglaubt,
mit dem letzten Exodus von 1990/91 sei das Kapitel «Juden in Albanien»
abgeschlossen. Aber sicher ist das nicht. Noch sind einige sehr alte Juden
am Leben, die Albanien nicht verlassen wollen. Und die jüdischen
«Teilzeit»-Albaner sind auch noch da.
Im Zweiten Weltkrieg haben Albaner ihr Leben riskiert,
manche sogar geopfert, um Juden zu retten. Dieses Zeichen von Menschlichkeit
verdient Anerkennung. Dieser Beitrag stellt einen Versuch dar, das bisher zu
Unrecht ignorierte Kapitel der jüdischen und der europäischen – Geschichte
«Rettung von Juden in Albanien» etwas aufzuhellen.
Literatur
Bremer, Jörg: Die Heimkehr der albanischen Juden nach
Israel. In: FAZ, 8.5.1991; Elsie, Robert: Handbuch zur albanischen
Volkskunde. Wiesbaden 2002; Fischer, Bernd J.: The Jews of Albania
during the Zogist and Second World War Period. In:
www.albanisches-institut.ch; Kohl, Christine von: Albanien, München
2003; Neumann, Johanna Jutta: Umweg über Albanien. Bochum 2003;
Ramaj, Albert: Hebrenjtë në Kosovë, një histori pak më ndryshe. In: Koha
Ditore, 27.5.2006; Sarner, Harvey: Rescue in Albania. Cathedral
City/California 1997; Schmidt-Neke, Michael: Albanien – ein sicherer
Zufluchtsort? In: Solidarität und Hilfe für Juden wahrend der NSZeit. Berlin
1999, S. 247–270; Schukalla, Karl-Josef: Nationale Minderheiten in
Albanien. In: Albanien. Göttingen 1993, S. 514–516; Sinani, Shaban:
Die Diplomatie des königlichen Albaniens zur Rettung der Juden. In:
www.albanisches-institut.ch.
Dieser Artikel wurde publiziert in: G2W -Glaube in der 2.
Welt (Ökumenisches Forum für Religion und Gesellschaft in Ost und West)
2/2007 35. Jahrgang, S. 17-19 (Themenschwerpunkt: Rettung von Juden in
Albanien)
http://david.juden.at
Historische Debatte in Kosova/Kosovo:
Die Juden in Kosova
und Albanien
In der albanischen und albanischsprachigen Presse Kosovas ist
eine Debatte über das Schicksal der Juden in Kosova im vergangenen
Jahrhundert entstanden. Ein Autor schrieb in der Zeitung Gazeta Shiqiptare
(Albanische Zeitung) am 01.02.2004: "In der Zeit der Nazibesatzung Kosovas
wurden von den deutschen Faschisten rund 500 Juden aus Kosova deportiert und
vernichtet."
Zweiter Weltkrieg:
Bedrängte Juden in Kosova/o
Albert Ramaj ist Albaner, lebt in der Schweiz und ist dort Mitarbeiter des
"Albanischen Instituts". Besonders intensiv beschäftigt er sich seit Jahren
mit der Geschichte der Juden in Albanien und Kosova. Mit seiner
wissenschaftlichen Arbeit stößt Albert Ramaj, besonders bei einigen Kräften
in Kosova/o, auf Ablehnung und Ignoranz. Albert Ramaj hat den Ehrgeiz, nicht
nur die Rettung der Juden in Albanien darzustellen, sondern auch die Fälle
von Kollaboration mit den Nazis in einigen Regionen Kosovas darzulegen (Max
Brym)... weitere
Nachrichten aus der
Region... |