Pessach- Haggada für 
	Yachad 
      - auf deutsch mit 
	traditionellen und alternativen Berachot 
    [glbt.israel-live.de] 
    Begrüßung 
     
    Schalom, chaverot vechaverim 
    
      Wir sind heute 
	  abend zusammengekommen, um Pessach zu feiern, das Fest der Befreiung 
	  unseres Volkes aus der Sklaverei in Ägypten. Zum Pessach- Seder versammeln 
	  sich heute jüdische Familien in der ganzen Welt, um ihre Verbundenheit 
	  miteinander und mit allen Juden der Welt zu feiern und zu stärken. Zu 
	  ihnen gehören auch wir. 
      Wir sind heute zum Yachad- Seder beisammen. Auch wir sind eine Familie. 
	  Wir haben eine Verbundenheit, die wir stärken möchten. Wir sind verwandt 
	  durch unsere gemeinsame Entscheidung: als Jüdinnen und Juden, Lesben und 
	  Schwule, Frauen und Männer, wollen wir zusammenwachsen und unseren Weg 
	  gemeinsam gehen. 
     
    [Hinné ma tov umanáim] 
    Zünden der 
	Festkerzen 
    
    Jeder jüdische Feiertag wird mit dem Zünden der Festkerzen begonnen.  
    Bevor wir heute abend die Feiertagskerzen anzünden, hören wir ein Gedicht 
	von Channa Szenes. Sie war eine jüdische Widerstandskämpferin, die, zusammen 
	mit anderen jüdischen Frauen und Männern, mit ihrem Fallschirm hinter der 
	deutschen Front absprang, um zu versuchen, jüdische Menschen zu retten. 1944 
	wurde Channa Senesz in Ungarn gefangen genommen und am 7. November 1944 
	ermordet. Im Gefängnis schrieb sie dieses Gedicht: 
    
      
		„Gesegnet das Streichholz, das sich verbraucht, indem es die Flamme . 
	  entzündet. 
      Gesegnet die Flamme, die immer brennt in den innersten Winkeln des 
	  Herzens. 
      Gesegnet das Herz, das Würde bewahrt auch in seiner letzten Stunde. 
      Gesegnet das Streichholz, das sich verbraucht, indem es die Flamme 
	  entzündet." 
     
    Alle stehen. Eine 
	Frau entzündet die Festkerzen 
    
      Barúch attá, 
	  adonáj elohénu, mélech haolám, aschér kiddeschánu bemizvotáv weziwwánu 
	  lehadlík ner schel chag hapéssach 
     
    Alle: Amen 
    Eine alternative Form der Beracha:  
    
      Jitromém 
	  libbénu, teschováv nafschénu behadlakát ner schel chag hapessach 
      Unser Herz möge sich erheben, unsere Seele sich beleben, wenn wir das 
	  Festlicht entzünden 
     
    Alle: Amen  
     
    Einstimmung 
     
    Schmuel Josef Agnon erzählt eine chassidische Geschichte: 
    
      
		"Wenn der Baal- schem etwas Schwieriges zu erledigen hatte..., dann ging 
	  er an eine bestimmte Stelle im Wald, zündete ein Feuer an und sprach, in 
	  mystischer Meditation versunken, Gebete- und alles geschah, wie er es sich 
	  vorgenommen hatte. 
      Wenn eine Generation später Rabbi Dow- Bär, der Maggid von Mesritsch, 
	  dasselbe zu tun hatte, ging er an jene Stelle im Wald und sagte: 'Das 
	  Feuer können wir nicht mehr machen, aber die Gebete können wir sprechen'- 
	  und alles ging nach seinem Willen. 
      Wieder eine Generation später sollte Rabbi Mosche Leib aus Sassow jene Tat 
	  vollbringen. Auch er ging in den Wald und sagte: 'Wir können kein Feuer 
	  mehr anzünden, und wir kennen auch die geheimen Meditationen nicht mehr, 
	  die das Gebet beleben; aber wir kennen den Ort im Wald, wo all das 
	  hingehört, und das muß genügen'. Und es genügte. 
      Als aber wieder eine Generation später Rabbi Israel von Ruzhin jene Tat zu 
	  vollbringen hatte, da setzte er sich in seinem Schloß auf seinen goldenen 
	  Stuhl und sagte: 'Wir können kein Feuer machen, wir können keine Gebete 
	  sprechen, wir kennen auch den Ort nicht mehr, aber wir können die 
	  Geschichte davon erzählen.' 
      Und seine Geschichte allein bewirkte das gleiche wie die Taten der drei 
	  anderen." 
      
       
     
    Martin Buber schrieb: 
    
      „Zu Pessach wird jede 
	  feiernde Generation mit der ersten vereint und mit allen, die ihr folgten. 
	  Wie bei jenem ersten Pessach die Familien sich zu einem lebendigen Volk 
	  vereinten, so vereinen sich in der Pessachnacht die Generationen unseres 
	  Volkes Jahr um Jahr."  
      Wir, versammelt um diesen Tisch, vereinen uns mit allen Generationen 
	  unseres Volkes, wenn wir jetzt unsere Feier beginnen. 
     
    Kaddésch 
    Alle sitzen (anders als am Schabbat!) 
     
    Der erste Kelch 
     
    Dieser Kelch ist unseren eigenen Vorfahrinnen und Vorfahren gewidmet- denen, 
	an die wir uns noch erinnern, und auch denen, deren Namen uns verloren 
	gegangen sind. Im Gedenken an sie mit ihnen vereint, als ihre Töchter und 
	Söhne, trinken wir den ersten Kelch. 
    
      Barúch attá, 
	  adonáj elohénu, mélech haolám, boré pri hagáfen. 
      Alternativ: Nevaréch et ejn hachajjím, matzmíchat pri 
	  hagáfen 
     
    Nur am ersten 
	Sederabend: 
    
      Barúch attá, adonáj 
	  elohénu, mélech haolám, schehechejánu vekijjemánu vehiggiánu lasmán hasé. 
       
      Gesegnet seist du, Gott, Schöpfer der Welt, der du unser Volk geheiligt 
	  hast, indem du uns Gebote gabst, damit wir sie erfüllen, und der du uns 
	  Festtage gabst, uns zur Freude. Heute abend feiern wir das Pessachfest, um 
	  uns an ein heiliges Ereignis zu erinnern: an unsere Befreiung aus der 
	  Sklaverei in Ägypten. 
      Alle: Amen Alle trinken 
     
    Rachaz- das Waschen 
	der Hände 
     
    Man schöpft mit einem Glas Wasser aus einer kleinen Schüssel und gießt 
	es sich über den rechten, dann über den linken Handrücken. Das ist ein 
	Symbol für die innere Bereitschaft, und von unwichtigen und störenden 
	Gedanken ab und ganz dem Inhalt des Festes zuzuwenden 
    . 
    Karpas 
    
      Die grüne Petersilie 
	  steht für die erneuernde und Leben erweckende Kraft des.  
      Frühlings. Sogar im Frost des Winters überlebt ihr Grün. So erinnert es 
	  auch an das 
      Überleben unseres Volkes in der Kälte der Bedrückung. 
      Das Salzwasser steht für die Tränen, die wir vergossen haben, als wir 
	  Sklavinnen  
      und Sklaven in Ägypten waren. Es steht auch für das Leid, die wir heute  
      empfinden, wenn wir als Jüdinnen und Juden, als Frauen und Lesben, als 
	  schwule  
      Männer unterdrückt werden. Heute abend wandeln wir unsere Unterdrückung 
	  und  
      Wut in Stolz und Freude 
     
    Man nimmt ein Stück 
	von dem Grün, stippt es in Salzwasser und ißt es nach dem Segensspruch: 
    
      Barúch attá, 
	  adonáj elohénu, mélech haolám, boré pri haadamá. 
      Alternativ: Nevaréch et ejn hachajjím, matzmíchat pri 
	  haadamá 
     
    Jáchaz: Das Brechen 
	der mittleren Mazza 
     
    Die mittlere der drei Mazzot auf dem Sederteller wird in der Mitte 
	durchgebrochen. Eine Hälfte bleibt auf dem Teller, die andere wird 
	eingewickelt und als Afikoman (ein griechisches Wort, das auf deutsch soviel 
	wie „Nachtisch" bedeutet) irgendwo versteckt. 
     
    Maggid: Die Geschichte unserer Befreiung aus der Sklaverei 
     
    Der Sederteller wird erhoben bis zum Ende des Abschnitts 
    
      Das ist das Brot der 
	  Unglücks, das unsere Vorfahrinnen und Vorfahren in Ägypten gegessen haben.  
      Alle, die Hunger haben, sollen kommen und mit uns essen. Alle, die Hunger 
	  nach geistiger Nahrung haben, sollen kommen und Pessach mit uns feiern, 
	  damit wir zusammen unser geistiges Erbe wieder entdecken und miteinander 
	  erneuern. Jetzt sind wir noch bedrückt. Wir leben in einer Welt, in der 
	  mächtige Kräfte ihre Macht mißbrauchen- gegen Minderheiten, gegen Arme, 
	  Hilflose, Alte, gegen Tiere und gegen unser aller Mutter, die Erde. 
	  Nächstes Jahr wollen wir Freie sein in einer befriedeten Welt. Jetzt sind 
	  wir noch hier- nächstes Jahr wollen wir in Jerusalem sein. In diesem Jahr 
	  ist in Jerusalem noch Feindschaft und Haß, Tod, Qual und Unrecht. Sie, die 
	  für heute dort für ihre Befreiung kämpfen, sind jetzt die Unterdrückten. 
	  Ihre Unterdrückung ist unsere Schande. Mögen sie im nächsten Jahr frei 
	  sein. 
       
     
    Die vier Fragen 
     
    Der/die Jüngste in der Runde fragt, der/die Älteste antwortet 
    
      Warum ist dieser Abend 
	  anders als andere Abende? An allen Abenden essen  
      wir entweder Brot oder Mazza, heute nur Mazza? 
     
    Wir essen gemeinsam 
	dieses ungesäuerte Brot, um uns daran zu erinnern, daß unsere Vorfahren in 
	der Eile, mit der sie Ägypten verlassen mußten, nicht warten konnten, bis 
	das Brot aufgegangen war, und es deshalb vom Ofen nahmen, als es noch flach 
	war. 
    
      An allen Abenden essen 
	  wir alle möglichen Kräuter, aber an diesem nur bittere? 
     
    Wir essen gemeinsam von 
	den bitteren Kräutern, um uns daran zu erinnern, wie bitter das Schicksal 
	von Menschen ist, die versklavt werden 
    
      An allen anderen 
	  Abenden stippen wir gar nicht, an diesem gleich zweimal? 
     
    Wir stippen zweimal 
	während dieses Mahles: grüne Kräuter in Salzwasser und Bitterkraut in 
	Charoset- einmal, um Tränen durch Dankbarkeit zu ersetzen, und das zweite 
	Mal, um die Verbitterung und das Leid zu versüßen. 
    
      An allen anderen 
	  Abenden essen wir entweder sitzend oder angelehnt, aber an diesem Abend 
	  nur angelehnt? 
      Im Altertum durften nur die Freien angelehnt essen. Indem wir heute abend 
	  angelehnt essen, stellen wir dar, daß wir freie Menschen sind. 
     
    Wir lesen reihum die 
	Geschichte des Auszugs aus Ägypten 
     
    Sklaven des Pharao waren wir in Ägypten. Die Tora erzählt uns, wie wir von 
	dort auszogen „mit starker Hand und mit ausgestrecktem Arm", das heißt durch 
	Widerstand und Erhebung. Wären wir nicht aus der Sklaverei Ägyptens befreit 
	worden, dann würden wir, unsere Kinder und Enkel, unsere Eltern und 
	Großeltern, unsere Schwestern und Brüder, unsere Verwandten, Freundinnen und 
	Freunde und alle, die heute abend um diesen Tisch sitzen, immer noch Sklaven 
	unter einem Pharao sein. Darum: wären wir auch alle weise, alle gebildet, 
	alle tief vertraut mit unserem jüdischen Erbe- wir wären dennoch 
	verpflichtet, wieder und wieder die Geschichte von unserer Befreiung zu 
	erzählen, damit sie nie vergessen werde. 
     
    So fing alles an: Unsere Vorfahren Sara und Abraham hatten ein Kind, Isaak. 
	Der heiratete Rebekka. Sie gebar Zwillinge, Jakob und Esau. Jakob, der 
	später Israel genannt wurde, lebte in Kanaan und gebar viele Kinder. 
    Einer der Söhne, Joseph, war der Liebling des Vaters. Seine Brüder 
	beneideten ihn deswegen und wollten ihn umbringen. Schließlich verkauften 
	sie ihn aber an reisende Händler, die ihn nach Ägypten brachten und dort 
	weiter verkauften. Aber Joseph brachte es weit in Ägypten und stieg zum 
	Statthalter des Pharao auf. 
    Als später in Kanaan eine Hungersnot ausbrach, zogen Jakobs Söhne nach 
	Ägypten, um Getreide zu kaufen. Sie trafen dort auf Joseph, der sich mit 
	ihnen versöhnte und auch seinen Vater nach Ägypten kommen ließ. Die Familie 
	Jakobs wohnte in einem bevorzugten Teil des Landes, wo es genug zu essen 
	gab. Sie vermehrte sich im Lauf der Jahrhunderte stark und wuchs zu einem 
	großen Volk heran. 
    Schließlich fürchteten die Ägypter, die Israeliten könnten ihrer Herrschaft 
	gefährlich werden. Sie entrechteten die Israeliten und drückten sie in den 
	unfreien Sklavenstand hinab, zwangen sie zu schwerster Arbeit als 
	Ziegelbrenner und Bauarbeiter und quälten sie auf alle Weise.  
    Da leisteten die Israeliten Widerstand. Sie weigerten sich, mit ihren Frauen 
	zu schlafen, damit keine Sklavenkinder mehr geboren würden. Die Frauen 
	wehrten sich: Wenn keine Kinder mehr geboren würden, bedeute dies das 
	sichere Ende des Volkes. Sie setzten sich durch. So sorgten die 
	israelitischen Frauen dafür, daß das Volk Israel auch unter 
	Sklavenbedingungen nicht ausstarb. Der Tapferkeit und der List ihrer Frauen 
	verdankten die Israeliten damals ihr Überleben. 
    Doch die Bedrückung wurde immer schwerer. Der ägyptische Herrscher strebte 
	die Ausrottung der Israeliten an. Er befahl den Hebammen, jedes männliche 
	Kind im Nil zu ertränken. Doch die beiden Hebammen Schifra und Pua 
	unterliefen diesen Plan mit einer List. So retteten sie ihr Volk vor dem 
	Untergang.  
    Eine israelitische Mutter gebar einen Jungen, den sie, um ihn vor den 
	Nachstellungen der Ägypter zu retten, im Schilf des Flußufers versteckte. 
	Dort fand ihn die Tochter des Pharao beim Baden und nahm ihn zu sich, um ihn 
	als ihr Kind aufzuziehen. Sie nannte ihn Mosche. Mosche wuchs wie ein 
	Ägypter auf. Doch als erwachsener Mann fand er zu seinem Volk zurück. Er 
	wurde dessen Anführer und forderte vom Pharao die Freilassung aller 
	Israeliten. Pharao weigerte sich, auch als Mosche ihm im Namen Gottes 
	furchtbare Katastrophen ankündigte. 
    Die Ägypter durchlitten nun zehn schreckliche Plagen.  
     
    Bei Erwähnung jeder der im Text unterstrichenen Plagen tauchen wir einen 
	Finger in den Wein und sprengen einen Tropfen auf den Teller - nicht aus 
	Schadenfreude über fremdes Leid, sondern um unsere Freude, die der Wein im 
	Kelch symbolisiert, mit jedem Tropfen um ein weniges zu mindern, weil damals 
	so viele Menschen sterben mußten.  
     
    Zuerst wurden alle Gewässer in Ägypten zu Blut. Dann wurde Ägypten von 
	Fröschen, danach von Stechmücken, schließlich von Fliegen übersät. Die 
	fünfte Plage, eine Viehseuche, rottete die ägyptischen Rinder und Schafe 
	aus. Als sechste Plage wurden die Ägypter von Pestbeulen befallen. Danach 
	zerstörte Hagel die gesamte Ernte. Heuschrecken fraßen auf, was noch übrig 
	war. Als der Pharao immer noch nicht nachgeben wollte, wurde das Land drei 
	Tage lang in undurchdringliche Finsternis getaucht. Jetzt wollte der Pharao 
	Mose gehen lassen- aber nur ihn. Mose erwiderte: „Wir werden alle gehen, mit 
	den Jungen und den Alten, mit Söhnen und Töchtern, mit unseren Schafen und 
	Rindern." Als der Pharao dies wiederum verweigerte, kündigte ihm Mose die 
	zehnte Plage an: jede männliche Erstgeburt, ob von Menschen oder Vieh, werde 
	in der folgenden Nacht sterben. Die Israeliten blieben verschont, weil Mose 
	jede Familie lehrte, ein Lamm zu schlachten und die Türpfosten mit Blut zu 
	bestreichen. Die ägyptischen Erstgeborenen starben. Jetzt konnte der Pharao 
	das Elend nicht mehr ertragen. Er gab die Israeliten frei.  
     
    Doch nach einigen Tagen bereute der Pharao seine Entscheidung wieder. Er 
	setzte sich an die Spitze seines Heeres und zog mit Reitern und Streitwagen 
	den Israeliten nach. Diese waren jetzt in höchster Gefahr, eingekeilt 
	zwischen dem Meer und der feindlichen Übermacht im Rücken. 
     
    Aber Mose ermutigte die Israeliten, in das Meer zu gehen. Sie wagten es. 
	Zuerst tat Mirjam mit anderen Frauen den Schritt, dann auch die Übrigen. Sie 
	erlebten, wie das Wasser sich vor ihnen teilte, so daß sie trockenen Fußes 
	hindurchgehen konnten. Weil sie ein Wagnis eingingen, das unsinnig zu sein 
	schien, wurden die Israeliten gerettet. Am Anfang der Freiheit stand das 
	Wagnis. Über den nachsetzenden Ägypter aber schlugen die Wellen zusammen und 
	begruben sie.  
     
    Alle: In jeder Generation sollen Juden und Jüdinnen des Auszugs aus Ägypten 
	gedenken, als ob sie eben erst selbst aus Ägypten befreit worden wären. Denn 
	es heißt: „Und ihr sollt euren Kindern von jenem Tag erzählen mit den 
	Worten: ‚Dies tat Gott, um mich aus Ägypten zu befreien.‘ Denn Gott hat 
	nicht nur damals unsere Vorfahren und Vorfahrinnen befreit, sondern ebenso 
	auch uns.  
     
    [Dajjenu?]  
     
    Die vier jungen Leute 
    
      Nach der Überlieferung 
	  gibt es vier Typen von jüdischen Menschen: den  
      weisen, den bösen, den oberflächlichen und den ahnungslosen. 
     
    Heute können wir das so 
	verstehen: 
     
    Der weise ist der, der immer wieder seine jüdischen Wurzeln aufsucht und 
	durch Studium und Erfahrung unser Erbe und dessen Bedeutung immer besser 
	kennen lernt. Er/sie weiß, daß wir nur in der Bindung an unser jüdisches 
	Erbe und an die Gemeinschaft Juden und Jüdinnen bleiben können. 
     
    Der böse ist der, der sein Jüdisch- Sein verleugnet, weil er es zu lästig 
	und peinlich findet. Er läßt die Gemeinschaft im Stich und bleibt somit 
	einsam. Er ist darum böse vor allem zu sich selbst. 
     
    Der oberflächliche ist der, der in die Synagoge geht und Traditionen 
	befolgt, aber nicht tiefer nachfragt. Er schmückt sein Leben mit jüdischen 
	Verzierungen, aber sie prägen sein Leben und Denken nicht. 
     
    Der ahnungslose ist so weit entfernt von allem Jüdischen, daß er nicht 
	einmal danach zu fragen weiß. 
    Wir sollen Suchende und 
	Fragende fördern und bei ihrem Bemühen ermutigen, so gut wir können. Wir 
	sollen Entfremdete fragen, warum sie sich von uns entfernt halten und zu uns 
	einladen, weil sie. trotz allem ein Teil des jüdischen Volkes sind. Wir 
	sollen den Oberflächlichen Lust machen, tiefer in unser Erbe einzudringen. 
	Wir sollen auch solche, die nichts von ihrem Judentum wissen, mit offenen 
	Armen bei uns aufnehmen, denn auch sie gehören zu uns. 
    Die drei Pessach- 
	Symbole 
    
      
		Rabbi Gamliel lehrte: Wer beim Seder nicht die drei Symbole von Pessach 
	  beachtet, hat das Fest nicht richtig gefeiert. Es sind dies: Pessach, 
	  Mazza und Maror. 
     
    Pessach 
    
      Warum haben wir einen 
	  Knochen auf unserem Teller? Um an das geopferte Lamm zu denken, das unsere 
	  Vorfahrinnen und Vorfahren am Abend vor ihrem Aufbruch aus Ägypten 
	  schlachteten, um mit seinem Blut ihre Türpfosten zu bestreichen und sich 
	  damit nach außen kenntlich zu machen, damit der Tod an ihnen vorübergehe; 
	  denn Pessach heißt Vorübergang. Wir verstehen es als Symbol der Weigerung 
	  von Menschen, sich zu verstecken und sich nicht offen zu ihrem Volk zu 
	  bekennen, ein Bekenntnis zu Aufstand und Aufbruch. Für uns als jüdische 
	  Lesben und Schwule ist es ein Symbol, das uns daran auffordert, Mut zur 
	  Offenheit zu fassen und zu uns und zueinander zu stehen. 
     
    Mazza 
    
      Warum essen wir Mazza? 
	  Die Mazza ist ein Symbol für den eiligen Aufbruch aus dem Exil in die 
	  Freiheit. Wir verstehen sie heute als Symbol unserer Würde: wir ziehen die 
	  Freiheit dem Überfluß vor, die Echtheit der Täuschung. Die Mazza kann uns 
	  auch daran erinnern, mit unserer eigenen Befreiung keine Zeit zu verlieren 
	  und aus allem aufzubrechen, was uns unfrei macht. 
      Baruch attá, 
	  adonáj elohénu, mélech haolám, hamozí léchem min haárez. 
      Alternativ: Nevaréch et ejn hachajjím, hamoziá léchem min haárez.
      Alle: Amen 
     
    Alle essen von der 
	Mazza , die der Leiter/die Leiterin zerbricht und verteilt 
    Maror 
    
      Warum essen wir 
	  bittere Kräuter? Das Bitterkraut steht für die Bitterkeit der Sklaverei, 
	  die die Israeliten in Ägypten erleiden mußten. Es soll uns aber ebenso 
	  daran erinnern, daß auch heute unzählige Millionen Menschen in Versklavung 
	  leben müssen, Männer, Frauen und Kinder, und daß wir ihnen helfen sollen, 
	  wenn sie um ihre Befreiung kämpfen. 
      Barúch attá, 
	  adonaáj elohénu, mélech haolám, aschér kiddeschánu bemitzvotáv vezivvánu 
	  al achilát marór. 
      Alternativ: Jippatách libbénu, titamek havanaténu baakilát marór 
      Möge unser Herz aufgetan werden und unser Verstehen [des Leides] sich 
	  vertiefen beim Essen des Bitterkrauts. Alle: Amen 
     
    Alle essen von dem 
	Merrettich 
    Charoset 
    
      Im gelbbraunen 
	  Charoset sind Äpfel, Nüsse, Zimt und Wein vermischt und zerkleinert. Es 
	  erinnert uns an den Lehm für die Ziegel, den die Israeliten für den Bau 
	  der ägyptischen Städte brennen mußten. Der süße Geschmack weit darauf hin, 
	  wie süß die Freiheit schmeckt.  
      Warum stippen wir das Bitterkraut in das Charoset? Es ist ein Symbol 
	  dafür, daß die Bitterkeit der Versklavung durch den süßen Vorgeschmack der 
	  Freiheit gemildert wird, und soll uns Mut machen, wenn der Kampf um die 
	  Befreiung uns zu lange zu dauern scheint. 
     
    Alle stippen Maror 
	in Charoset und essen. 
    
      Warum essen wir Mazza, 
	  die für Freiheit steht, bevor wir Maror essen, das an Sklaverei erinnert? 
	  Zuerst kam damals doch die Sklaverei, danach die Freiheit. Unsere Lehrer 
	  sagten: „Nur nachdem wir den Geschmack der Freiheit gekostet hatten, 
	  konnten wir fühlen, wie bitter Sklaverei schmeckt." Rabbi Hanoch von 
	  Alexander lehrte: „Die eigentliche Versklavung in Ägypten bestand darin, 
	  daß die Israeliten sich mit ihr abgefunden hatten." 
     
    Koréch 
    Die unterste Mazza 
	wird gebrochen, Maror und Charoset wird zwischen zwei Mazzastücke gelegt. 
    
      Barúch attá, 
	  adonáj elohénu, mélech haolám, aschér kiddeschánu bemizwotáw weziwwánu al 
	  achelát léchem umarór. 
      Alternativ: Nevaréch et ejn hachajjím venitbaréch baachilát léchem 
	  umarór 
      Wir segnen die Quelle des Lebens und werden gesegnet beim Essen von Mazza 
	  mit Maror. 
      Alle: Amen 
     
    Alle essen Mazza mit 
	Merrettich und Charoset; dieser Brauch geht auf ein Vorbild des großen 
	Lehrers Hillel zurück. 
    Das Ei 
    
      Das Ei ist als Symbol 
	  später dazugekommen. Der jüdische Lehrer Hatám Sofér sagt:  
      „Das Ei steht für die Lebenskraft des jüdischen Volkes. Denn gewöhnlich 
	  werden  
      Nahrungsmittel weich, wenn sie gekocht werden. Eier dagegen werden immer 
	  härter,  
      je länger man sie kocht. So sind auch wir Juden immer stärker geworden, je 
	  länger  
      man uns unterdrückte. Darum geh und lerne, wie die Feinde unseres Volkes 
	  uns 
      immer wieder unterdrückten und zu vernichten suchten. Aber wir überlebten, 
	  so  
      lange wir geistig widerstehen konnten, so lange wir. Wir festhielten an 
	  unserem  
      Erbe, unseren Traditionen, unseren Werten, wie groß auch immer die  
      Gefahr war. Die unerschütterliche Solidarität des jüdischen Volkes und 
	  unsere Kultur,  
      hielt uns zweitausend Jahre am Leben. 
     
    Alle nehmen ein Ei, 
	salzen und essen es 
    Der zweite Kelch 
    Wir trinken diesen 
	zweiten Kelch zu Ehren der unzähligen Männer und Frauen, die trotz aller 
	Belastungen Juden und Jüdinnen blieben in zweitausend Jahren Exil. 
    
      Barúch attá, 
	  adonáj elohénu, mélech haolám, bore pri hagafen. 
      Alternativ: Nevaréch et ejn hachajjim, matzmíchat et pri 
	  hagáfen
      Alle: Amen 
     
    Festmahl: Haschulchan 
	aruch! 
    Afikoman 
    Wir essen den 
	Afikoman, um uns daran zu erinnern, daß auch Jüdinnen und Juden, die sich 
	von der jüdischen Gemeinschaft getrennt haben, wieder gefunden und mit uns 
	vereint werden können 
    Die versteckte und 
	wiedergefundene Mazzahälfte wird in kleine Teilchen zerbrochen, die verteilt 
	und gegessen werden. 
    Baréch- Dank nach 
	dem Essen 
    Eine/Einer 
    
      Du bist die 
	  Quelle des Lebens und aller Dinge 
      Für dich singen wir 
      Du nährst die Welt mit Güte und erhältst sie in Gnade 
      Wir finden dich im Staub und in der Leere des Raums 
      Wir schmecken dich in der Nahrung, die wir essen, und sehen dich in den  
      Gesichtern unserer Freunde 
      Du stärkst unsere Freude mit einer Liebe, die niemals endet 
      Alle: 
		Nevaréch et ejn hachajjím vekó nitbaréch  
      Wir segnen die Quelle des Lebens; so werden wir selbst gesegnet 
     
    Eine/Einer: 
    
      Du bist die Quelle des 
	  Lebens und aller Dinge 
      Für dich singen wir 
      Wir danken dir für den Regen, der den fruchtbaren Boden wässert 
      Und für alle Pflanzen und Tiere, von denen deine Welt voll ist 
      Wir füllen unsere Becher bis zum Überfließen aus dem Strom deiner Liebe 
      Wir graben unsere Wurzeln in deine Erde und sehen, wie unsere Zweige 
	  wachsen 
      Alle: 
		Nevaréch et ejn hachajjím vekó nitbaréch 
     
    Eine/Einer: 
    
      Du bist die Quelle des 
	  Lebens und aller Dinge 
      Für dich singen wir 
      Du füllst unsere Augen mit Visionen von einem Himmel hier auf Erden 
      Sie wecken uns, dem Aufruf nach unserer eigenen Geburt zu begegnen 
      Wir wollen nicht warten, bis das Reich des Messias anbricht 
      Unser Mitleid mit dem Schmerz der Welt läßt uns das neue 
      Jerusalem schon bauen in unseren Herzen 
      Alle: 
		Nevaréch et ejn hachajjím vekó nitbaréch 
     
    Eine/Einer: 
    
      Du bist die Quelle des 
	  Lebens und aller Dinge 
      Für dich singen wir 
      Und selbst wenn wir meinen, mit allem am Ende zu sein 
      So bist du in uns und läßt uns hoffen 
      Du bist gut. Das wird unseren Weg erhellen 
      Du bist da. Wir können gehen, auch ins Unbekannte. 
      Alle: Nevaréch 
	  et ejn hachajjím vekó nitbaréch 
     
    Der dritte Kelch 
    Wir trinken den dritten 
	Kelch zu Ehren des jüdischen Widerstandes, insbesondere auch des 
	Widerstandes der jüdischen Frauen, von Judith bis zu den Schwarzen Müttern 
	in Tel-Aviv. 
    
      Barúch attá, 
	  adonáj elohénu, meléch haolám, boré pri hagáfen. 
      Alternativ: Nevaréch et ejn hachajjim, matzmíchat et pri hagáfen 
      Alle: Amen 
      Elijahu 
      Ein überzähliger Kelch 
	  mit Wein auf dem Tisch ist für den Propheten Elijahu bestimmt. Es ist ein 
	  Kelch der Hoffnung. In seiner Zeit kämpfte Elijahu gegen eine korrupte 
	  Regierung, gegen Ungerechtigkeit und gegen die Abwendung vom jüdischen 
	  Erbe.. Darum ist er ein Symbol des Widerstandes. Nach der jüdischen 
	  Legende soll er niemals gestorben sein. In schweren Zeiten soll Elijahu 
	  erscheinen, um Erleichterung zu spenden und Hoffnung zu säen. Vor allem 
	  soll Elijahu nach unserer Überlieferung das Nahen der messianischen Zeit 
	  ankündigen, die Zeit ewigen Friedens und unzerstörbarer Freiheit. Möge er 
	  nun auch in dieses Haus kommen mit seiner Botschaft von der zukünftigen 
	  Erneuerung der Welt. 
      Der Kelch wird 
	  gefüllt. Dann geht jemand zur Tür des Zimmers und öffnet sie  
      
        Möge der Prophet 
		Elijahu, Künder der messianischen Zeit, bald kommen, noch in  
        unseren Tagen 
        Alle: Amen 
        [Lieder nach 
		alter und neuer Tradition Elijahu hanavi, Chad gadja, Echad ani jodea 
		etc] 
       
     
      Der vierte Kelch 
      Wir trinken den 
	  vierten und letzten Kelch an diesem Sedermahl im Gedenken an den Staat 
	  Israel und alle Menschen, die in ihm leben. Wir gedenken besonders der 
	  Jüdinnen und Juden, die sich heute für ein Zusammenleben von Juden und 
	  Palästinensern in Gerechtigkeit und gegenseitiger Achtung eingesetzt und 
	  dafür Verleumdungen und Bedrohungen in Kauf nahmen, ja selbst ihr Leben 
	  dabei aufs Spiel gesetzt haben und dies auch weiterhin tun. Wir gedenken 
	  auch der Lesben und Schwulen in Israel, die sich selbst unter Bedrückungen 
	  und Verfolgungen treu geblieben sind. 
      
        Barúch attá, 
		adonáj elohenu, meléch haolám, boré pri hagáfen. 
        Alternativ: Nevaréch et ejn hachajjím matzmíchat et pri 
		hagáfen 
        Alle: Amen 
       
      Schluß des Seder 
       
      Dreißig Jahrhunderte haben wir Juden und 
	  Jüdinnen dieses Ritual gefeiert. Aber nie werden wir damit fertig werden 
	  und aufhören, zu fragen, was es für uns bedeutet und wohin es uns führt. 
	  Was werden wir zu tragen haben? Wer wird mit uns gehen? Welche Vision von 
	  Zukunft wird uns vorangehen? 
      Wir 
	  beenden unseren Seder mit den altüberlieferten Worten: 
      
        
        In diesem Jahr 
		feiern wir hier- im nächsten in Jerusalem. In einer Stadt, die allen, 
		die in ihr wohnen, Frieden gewährt.  
        Und für unsere Reise in die kommende Zeit, für alle unsere geistigen und 
		körperlichen Reisen, geben wir einander den Segen mit: 
        Mögen wir gesegnet sein, wenn wir aufbrechen 
        Möge Friede uns geleiten  
        Mögen wir beschenkt sein mit Gesundheit und Freude 
        Mögen wir gehalten sein in Sicherheit und Liebe 
        Möge Freundlichkeit und Solidarität jeden von uns tragen. 
        Das sei unser Segen füreinander. 
        Alle:  
		Amen 
       
      Berlin 1999 / 5759, 
	  zusammengestellt von 
       
      Felice-Judith Ansohn 
		für die Gruppe Yachad Berlin 
      
      
		Yachad ist ein Zusammenschluß von schwulen, lesbischen und 
	  transsexuellen Juden /Jüdinnen mit mehreren Regionalgruppen 
      
      agudah.israel-live.de -
      Jews in Berlin 
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