Bürgergeld für alle - Arbeit und Einkommen teilen
Wenn die Technik in Zukunft immer mehr Erwerbsarbeit ersetzt, dann droht
die soziale Apartheid: Immer mehr Erwerbslose und Stundenjobber
stehen immer weniger Arbeitsplatz-Besitzern gegenüber. Spätestens dann
braucht die Arbeitsgesellschaft ein neues Fundament: eine Grundsicherung
ohne Arbeit.
Das Modell
Wenn allen Menschen eine Zukunftsperpektive geboten werden soll, dann muß
man ein Tabu brechen: jenes nämlich, daß nur ein Einkommen erzielt, wer
erwerbstätig ist. Notwendig ist ein Instrument, das die Menschen sozial
absichert, wenn der Gesellschaft langsam die Erwerbsarbeit ausgeht. Und
dieses Instrument gibt es. Es heißt »Bürgergeld für alle«.
Die Idee ist denkbar einfach: Alle Bürger haben ein Recht auf ein
Bürgergeld, das vom Finanzamt bezahlt wird - deshalb heißt dieses Bürgergeld
auch »negative Einkommenssteuer« (die Steuer, die Erwerbstätige heute an den
Staat zahlen, gilt danach als »positive« Einkommenssteuer). Dieses
Bürgergeld, zum Beispiel monatlich 1200 Mark, ersetzt praktisch alle
Sozialleistungen, außer ganz speziellen wie Wohngeld oder besondere
Pflegeleistungen. Keinen Einfluß hat diese Veränderung auf
Versicherungsleistungen: Renten und Arbeitslosengeld erhält nur, wer
Beiträge bezahlt hat - ansonsten gibt es nur das Bürgergeld.
Dieses Bürgergeld in Form einer »negativen Einkommenssteuer« wird mit dem
Erwerbseinkommen einer Person verrechnet - aus zwei Gründen: Erstens stellt
dies sicher, daß Gutverdiener weniger oder kein Bürgergeld erhalten.
Zweitens erhalten dann zwar alle Menschen ohne Erwerbstätigkeit ein
Einkommen - das Einkommen von Erwerbstätigen ist jedoch immer höher als
jenes von Nichterwerbstätigen. Nur so bleibt der Anreiz zu Erwerbsarbeit
erhalten. Das Bürgergeld sichert alle Menschen sozial nach unten ab und
hilft vor allem jenen, die kein Erwerbseinkommen haben oder
unterdurchschnittlich verdienen.
Die Wirkung
Folgende Beispiele zeigen, wie sich das Bürgergeld auswirkt. Unterstellt
wird dreierlei:
- Das Bürgergeld für eine erwachsene Person beläuft sich auf 1200 Mark
monatlich.
- Das Bürgergeld für ein Kind beträgt 300 Mark monatlich.
- Das Nettoeinkommen einer Person wird zur Hälfte mit dem Bürgergeld
verrechnet.
Dann lassen sich folgende Fälle denken:
- Eine alleinerziehende Mutter mit kleiner Tochter kann keine
Erwerbsarbeit annehmen. Sie erhält dann vom Finanzamt 1200 Mark pro Monat
für sich und 300 Mark pro Kind - plus eventuell Wohngeld.
- Ein alleinerziehender Vater mit schulpflichtigem Sohn tritt eine
Teilzeitstelle an, die ihm 1200 Mark netto pro Monat einbringt. Er hat
Anspruch auf ein Bürgergeld von 1500 Mark (1200 für sich und 300 Mark für
seinen Sohn). Gleichzeitig wird die Hälfte seines Nettoeinkommens - das
sind 600 Mark - vom Bürgergeld abgezogen: Er erhält noch 900 Mark vom
Finanzamt. Sein gesamtes Einkommen beträgt 2100 Mark (1200 Mark
Nettogehalt plus 900 Mark Bürgergeld.)
- Eine kinderlose, ledige Lehrerin verdient netto 2400 Mark. Ihr
Anspruch auf Bürgergeld von 1200 Mark wird mit der Hälfte des
Nettoeinkommens - das sind 1200 Mark - verrechnet. Sie erhält kein Geld
mehr vom Finanzamt, weil sie über der Verdienstgrenze liegt.
Diese Beispiele zeigen: Das Bürgergeld sichert Menschen ohne
Erwerbsarbeit, Geringverdienende und Kinderreiche ab. Gleichzeitig enthält
dieses Modell einen Anreiz zu Erwerbsarbeit, da Erwerbstätige (auch mit
wenigen Stunden pro Woche) immer mehr verdienen als Nichterwerbstätige.
Die Finanzierung
Natürlich fragen alle: Was wird die Utopie kosten?
Die Antwort ist: Bestimmt nicht so viel, wie viele glauben.
Der Grund liegt darin, daß zunächst einmal große Einsparungen ermöglicht
werden: Ein großer Teil der Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe, Bafög,
Erziehungsgeld und viele andere Sozialleistungen werden durch das Bürgergeld
ersetzt. Dazu kommen hohe Einsparungen in der Sozialbürokratie. Denn: Es
wird nicht mehr 40 Behörden geben, die für 90 verschiedene Sozialleistungen
zuständig sind - wie heute. Außerdem konzentrieren sich die finanziellen
Leistungen des Staates auf eine Behörde, das Finanzamt - dies erhöht die
Effektivität und vermindert Mißbrauch. Geht man ferner davon aus, daß das
Bürgergeld die Arbeitslosigkeit entscheidend verringert und die Nachfrage
nach Waren und Dienstleistungen steigert, dann geht zum Beispiel Joachim
Mitschke, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Frankfurt, davon
aus, daß das Bürgergeld »haushaltsneutral«, also ohne zusätzliche Kosten,
eingeführt werden kann.
Dazu kommen jedoch finanzielle Reserven, die heute noch tabuisiert
werden. Wenn nämlich Arbeitsplätze durch Technik ersetzt werden, dann
spaltet sich die Gesellschaft endgültig:
Produktivkapital und Vermögen wachsen schnell, während ein
zunehmender Teil der Gesellschaft verarmt.
Dann steht die Demokratie vor einer entscheidenden Weichenstellung:
Entweder sie schafft es, die verarmende Bevölkerung am wachsenden
Produktivvermögen zu beteiligen - oder es droht eine soziale Konfrontation.
Das Bürgergeld ist ein wichtiges Instrument für die notwendige
Verteilungsgerechtigkeit. |