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Judentum und Israel
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Ein ambivalentes Verhältnis:
Die amerikanischen Juden und Deutschland

Shlomo Shafir

Die Eröffnung des US Holocaust Memorial Museum in der Hauptstadt der Vereinigten Staaten, unweit der Gedenkstätten für George Washington und Thomas Jefferson, im Jahr 1993 machte erneut die Kluft deutlich, die etwa fünfzig Jahre nach der Vernichtung der europäischen Juden immer noch zwischen der amerikanischen Judenheit und Deutschland und dem deutschen Volk wegen des Mords der sechs Millionen in der Zeit der Naziherrschaft klafft.

Trotz einiger Meinungsverschiedenheiten innerhalb der jüdischen Öffentlichkeit über Notwendigkeit und Ort dieses Museums wurde dessen Errichtung in Washington von der großen Mehrheit der Juden gefördert und seine Eröffnung mit Segenswünschen und Stolz begrüßt. Dagegen überwogen beim deutschen Establishment und Publikum - bei aller allgemeinen Bedeutung, die man den Lehren der Schoah beimessen will - Unzufriedenheit und Bitterkeit, weil das Holocaustmuseum in den Augen der Millionen Besucher weiterhin die Untaten der Deutschen im Zweiten Weltkrieg veranschaulicht.
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Das Ereignis bezeugt wieder einmal den hohen Stellenwert, den der Holocaust mit seinen Auswirkungen auf das misstrauische, distanzierte Verhältnis der meisten Juden der USA gegenüber den Deutschen nach wie vor besitzt, eine Einstellung, die sich von derjenigen der Mehrheit der sonstigen Amerikaner unterscheidet. Der Rang, den man der Schoah beimisst, gehört natürlich zum Selbstverständnis aller Juden. Doch während auf dem Gebiet des ehemaligen kommunistischen Blocks die besonderen Erfahrungen der Juden angesichts der herrschenden Ideologie und der Politik Moskaus und seiner Satelliten verdrängt wurden, und während die Haltung Israels und der Israelis gegenüber Deutschland sich seit dem Wiedergutmachungsabkommen, vor allem aufgrund pragmatischer Erwägungen, milderte, betrachteten sich die Juden der pluralistischen amerikanischen Gesellschaft freier von solchen Zwängen, obwohl zumindest auf der Ebene des Establishments auch bei ihnen die Rücksichtnahme auf die Interessen Israels eine Rolle spielte. Bei der Vernichtung ihres Volkes in Europa hatten sie viele Familienangehörige verloren, und sie vermochten ihre Ängste darüber nur schrittweise nach innen zu kehren. Dies ließ bei ihnen ein Gefühl tiefer Frustration zurück und beschleunigte ihr weitgehendes Zusammenrücken noch zu Kriegszeiten und danach zugunsten des Aufbaus des jüdischen Staates im Lande Israel.

Später, nach zeitweiliger Verdrängung, wurde das zu einem erstrangigen Element des Bewusstseins und der Identität der amerikanischen Juden, mit allen darin liegenden Vor- und Nachteilen. Dieser Prozess, der in den sechziger Jahren im Kielwasser des Eichmann-Prozesses, der Bücher von Elie Wiesel und von Untersuchungen über die Gleichgültigkeit der Roosevelt-Administration gegenüber dem Schicksal der Juden im Herrschaftsbereich Hitlers begonnen hatte, eskalierte dank der Erfahrungen der amerikanischen Juden im Sechstage- und im Jom-Kippur-Krieg sowie als Resultat des Zusammenbruchs des liberalen Bündnisses von Juden und Schwarzen und des damit erneut ansteigenden Antisemitismus.
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Der Prozeß hatte an sich nichts mit den Entwicklungen in Deutschland zu tun. Doch stellt das verstärkte Bewusstsein des Holocaust damals und weiterhin heute einen sehr wichtigen Faktor in den Beziehungen zwischen den amerikanischen Juden und Deutschland dar.

In diesem Beitrag ist hauptsächlich von der organisierten jüdischen Gemeinschaft mit ihrer Führerschaft und den ihr nahestehenden Persönlichkeiten die Rede. Es ist davon auszugehen, dass die Haltung der amerikanischen Juden im allgemeinen noch stärker skeptisch und ablehnend geblieben ist. Das unsympathische Image der Deutschen, wie es von den Medien und im Unterhaltungsgewerbe gezeichnet wird, hat einen negativen Einfluss auf viele einzelne Personen, und es muss dabei in Rechnung gestellt werden, dass ein beträchtlicher Teil solcher Imagebildner selbst Juden sind.

1 Dieser Beitrag beruht auf einem Vortrag zur Erinnerung an Adam und Gideon Weiler, den der Verfasser im Hebrew Union College, Institut für jüdische Wissenschaften in Jerusalem am 9. 3. 1993 gehalten hat.

2 Eine - wenn auch zum Teil oberflächliche - Übersicht findet sich in dem Buch von Judith Miller, One by One, By One: Facing the Holocaust, New York 1990. Siehe auch Leon A. Jick, The Holocaust: Its Use and Abuse within the American Public, in: Yad Vashem Studies, Bd. XIV (1981), S. 308-318.

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Quelle: "Festschrift aus Israel", herausgegeben 1994 von Shmuel Bahagon, zum 70. Geburtstag von Niels Hansen, ehemals deutscher Botschafter in Israel: Recht und Wahrheit bringen Frieden.

hagalil.com 24-03-2008


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