Bundesverband Informations-
und Beratungsstelle fuer NS-Verfolgte
Betrifft: Verbitterung
Datum: 08.11.1997
"Die warten einfach, daß auch der letzte
Überlebende tot ist"
Bonn, 5. November (AFP) - Bis zum Schluss hoffte
Richter Heinz Sonnenberger, dass ihm die Politik die schwere Entscheidung
abnehmen wuerde. Sie tat es nicht. Deshalb musste der Vorsitzende der Ersten
Zivilkammer des Bonner Landgerichts am Mittwoch ein Urteil verkuenden, das ihm
selbst wohl nicht ganz behagte: NS-Zwangarbeitern, so die Entscheidung im Fall
"Krakauer versus Bundesrepublik Deutschland", steht keine Entschaedigung fuer
nicht gezahlten Lohn zu. Dennoch sei der Anspruch der 22 Juden, die von der
Bundesregierung nachtraeglich Lohn fuer bis zu 68 Wochen Zwangsarbeit fordern,
"grundsaetzlich gerechtfertigt". Nur weil die Klaeger bis auf eine Ausnahme
schon Zahlungen nach dem Bundesentschaedigungsgesetz erhalten, und dieses
abschliessenden Charakter habe, muessten sie "leer ausgehen", sagte
Sonnenberger.
Fuer Sonnenberger und viele andere
ist aber das letzte Wort noch nicht gesprochen. Am Ende seiner
Urteilbegruendung fordert der Richter erneut eine politische Loesung. Auch
die Gruenen erklaeren, dass Bundesregierung und Bundestag jetzt "endlich ein
Gesetz auf den Weg bringen muessen". Denn selbst wenn es die Gerichte
wollten; die geltenden Paragraphen lassen nicht zu, dass ehemalige
Zwangsarbeiter ihren gerechten Lohn bekommen. "An dem BEG
(BundesEntschaedigungsGesetz) sind die Richter eben nicht vorbei gekommen",
bedauert Lothar Evers, Sprecher des Bundesverbandes fuer NS-Verfolgte.
Auch Evers glaubt, dass die Loesung
daher nur "politisch" sein kann. Doch die Chancen fuer eine solche
Neuregelung der Entschaedigungen stehen schlecht. Evers vermutet, dass sich
die Bundesregierung ganz bewusst verweigert. Das Finanzministerium sei
nunmal an zusaetzlichen Ausgaben nicht interessiert, sagt er. Zudem schiele
vor allem die CSU auf rechte Waehler, denen zusaetzliche Zahlungen an
NS-Opfer nicht recht sind. "Die haben Angst, zwei Prozent an die
Republikaner zu verlieren."
Die Vertreter der Klaegerinnen hoffen
aber, dass durch das oeffentliche Interesse an dem Urteil doch noch etwas in
Gang kommen koennte. Die Zeit draengt: Die meisten Klaeger sind schon ueber
70, zwei sind bereits gestorben. Sogar Richter Sonnenberger hat Verstaendnis
fuer die "Ungeduld der Betroffenen". Evers vermutet, dass die
Bundesregierung auf Zeit spielt und versucht, das schon fuenf Jahre lang
dauernde Verfahren weiter zu verschleppen: "Die warten einfach darauf, dass
auch der letzte eberlebende tot ist."
eha/tom AFP
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