Der israelische
Religionsphilosoph und Schriftsteller Schalom Ben-Chorin wurde am
20. Juli 1913 in München geboren. Er verstarb im Mai 1999 in
Jerusalem. Sein letztes Interview
führte mit ihm Tobias Raschke für haGalil.
Schalom Ben-Chorin (der Name bedeutet "Friede Sohn der Freiheit")
kam als Fritz Rosenthal zur Welt und wuchs in einer gebildeten
jüdischen Kaufmannsfamilie auf. Als Fünfzehnjähriger verliess er das
assimilierte Elternhaus, um zeitweilig in einer streng jüdisch-
orthodoxen Familie zu den Wurzeln des Judentums zu finden und
schloss sich ausserdem der zionistischen Jugendbewegung "Kadima" an.
In München studierte Fritz Rosenthal Germanistik und
Religionswissenschaft. Nach wiederholten Verhaftungen und
Misshandlungen durch Nazi-Schergen verliess er 1935 das Deutsche
Reich und übersiedelte nach Jerusalem.
Hier nahm er den Namen
"Ben-Chorin" an, unter dem er in München bereits als Autor von Lyrik
und Essays bekannt geworden war. In Jerusalem arbeitete er zunächst
als Journalist und Schriftsteller. 1958 gründete er dort die erste
reformierte Gemeinde und Synagoge (Har El) und somit die israelische
Reformbewegung.
Ab 1956 kam Ben-Chorin zu Vorträgen und Gastvorlesungen erstmals
wieder nach Deutschland. 1975 lehrte er als Gastprofessor an der
Universität Tübingen, 1980 an der LMU München, dann an der
theologischen Hochschule der Dormitio Abtei in Jerusalem. 1961 war
er Mitbegründer der "Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen" beim
Evangelischen Kirchentag.
Schalom Ben-Chorins schriftstellerisches
Werk umfaßt Lyrik, Essays und Prosa. 1936-1941 war er Mitherausgeber
von deutschsprachigen Anthologien jüdischer Dichter in Palästina. In
den 40er Jahren verlegte er den Schwerpunkt seiner Schreibtätigkeit
vom Literarischen hin zur theoretischen und essayistischen
Behandlung theologischer Fragen im Judentum und Christentum. Martin
Buber bezeichnete er immer als seinen Lehrer und widmete ihm bereits
im Jahre 1931 sein Büchlein "Die seltsame Gemeinde - ein
Legendenbuch". 1966 veröffentlichte er seine Aufzeichnungen der
Gespräche im Buch "Zwiesprache mit Martin Buber".
Ben-Chorin versuchte schon in den 40er Jahren neue Wege des Dialogs
zwischen Judentum und Christentum in Palästina / Erez Israel,
insbesondere mit dem schottischen Pfarrer G.L.B.Sloan, Tiberias.
Unter anderem markierte Ben-Chorin mit der Trilogie "Die Heimkehr"
(Jesus, Paulus und Maria in jüdischer Sicht) seine Position. Als in
der Nachkriegszeit Christen in Deutschland nach jüdischen Partnern
zur Aufnahme des jüdisch-christlichen Gesprächs suchten, fanden sie
in Ben-Chorin eine glaubwürdige, kritische Persönlichkeit und Stimme
der Versöhnung. Eines seiner großen Anliegen war, das Judentum als
Wurzel des Christentums und die Gemeinsamkeiten sowie Trennlinien
der beiden Religionen begreiflich zu machen.
Ende der 50er Jahre
begann Ben-CHorins intensive, fast vierzig Jahre dauernde
Publikations- und Vortragstätigkeit im Rahmen des
jüdischchristlichen Dialogs. "Ben-Chorin ist ein Mann des Gesprächs,
ein Brückenbauer, der durch seine intellektuellen Analysen
Gegensätze überwindet", schrieb C. Bernd Sucher in der Süddeutschen
Zeitung (20.7.1988) anläßlich des 75. Geburtstags von Schalom
Ben-Chorin.
Zu den bekanntesten seiner über dreißig Bücher zählen die drei zur
"Die Heimkehr"-Trilogie zusammengefaßten Bücher "Bruder Jesus"
(1967), "Paulus" (1970), "Mutter Mirjam" (1971), die weiteste
Verbreitung fanden und Ben-Chorins Autorität vor seiner deutschen
Lesergemeinde begründeten. In Israel wurde der Autor niemals so
bekannt wie in Deutschland, und nur zwei seiner Bücher erschienen
auf Hebräisch. In München stellte Ben-Chorin 1993 sein Buch "Die
Erwählung Israels" vor, in dem er diesen Begriff, der in der
Vergangenheit zu vielen Mißverständnissen Anlaß gab, unter
theologischen und politischen Aspekten beleuchtet.
Zahlreiche
Übersetzungen seiner Werke erschienen auf Französisch, Italienisch,
Holländisch, Portugiesisch und Japanisch. Zum 80. Geburtstag
zeichnete die Bundesregierung Schalom Ben-Chorin 1993 mit dem Großen
Verdienstkreuz mit Stern aus. Er sei ein Symbol dafür, daß
gegenseitiges Verständnis in den "besonderen” deutsch-israelischen
Beziehungen möglich sei", hieß es in der Einladung zur
Ordensvergabe. Seine "geistige Heimat zwischen Jordan und Isar", so
sagte Ben-Chorin einmal, sei ein "besonderes Zweistromland".