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12.03.1938: Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Österreich, Anschluß an das Deutsche Reich

Filiale der Leopoldstadt
Das Ende der jüdischen Gemeinden im Burgenland

In der Nacht vom 11. auf den 12. März 1938 begannen im Burgenland die nationalsozialistischen Vertreibungs- und Verfolgungsmaßnahmen, die den traditionsreichen jüdischen Kultusgemeinden des Burgenlandes, allen voran den ehemaligen "Siebengemeinden" (hebr. Schewa Kehilloth ), ein jähes und erschütterndes Ende setzten.


http://de.wikipedia.org/wiki/Österreich
1 Burgenland Eisenstadt 278.655
2 Kärnten Klagenfurt 560.089
3 Niederösterreich St. Pölten 1.575.291
4 Oberösterreich Linz 1.399.226
5 Salzburg Salzburg 526.875
6 Steiermark Graz 1.199.489
7 Tirol Innsbruck 693.651
8 Vorarlberg Bregenz 362.258
9 Wien Wien 1.637.772

Die Geschichte des burgenländischen Judentums geht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Im 17. Jahrhundert entstanden unter dem Schutz mächtiger ungarischer Feudalherren, wie etwa den Esterházys, die sogenannten "Siebengemeinden". Dazu gehörten die jüdischen Gemeinden von Frauenkirchen, Kittsee, Eisenstadt, Mattersdorf, Kobersdorf, Lackenbach und Deutschkreutz. Im Süden des Landes übte die westungarische Magnatenfamilie Bátthyany ihre Schutz- und Grundherrschaft aus. Im Laufe des 16., 17. und 18. Jahrhunderts entstanden in diesem Bereich fünf große jüdische Gemeinden: in Groß-Kanisza, Körmend, Rechnitz, Schlaining und Güssing. Nur die drei letztgenannten befinden sich auf heute burgenländischem Gebiet.

Die Ansiedlung von Juden erfolgte durch die Ausstellung von "Schutzbriefen", mittels derer sich die "Schutzherren" die dringend erforderlichen Geldmittel, die mitunter für einen standesgemäßen Lebenswandel, aber auch für die Landesverteidigung gegen die Türken benötigt wurden, beschaffen konnten. Die Ansiedlung von Juden erfolgte daher weniger aus humanitären, sondern ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen. Die Perioden des friedlichen Zusammenlebens - oder besser gesagt - des friedlichen Nebeneinanders mit der christlichen Umgebung wechselten mit Zeiten der Verfolgung und Ablehnung je nach den Erfordernissen der Obrigkeit.

Unter diesen Bedingungen entwickelten die jüdischen Gemeinden ein reges, ungestörtes und autonomes Kommunal-, Wirtschafts- und Geistesleben mit einer spezifisch jüdischen Verwaltung und Gemeindeorganisation (Notare, Ärzte, Hebammen, Schächter, Nachtwächter. . .). Auch die lokale niedere Gerichtsbarkeit lag in den Händen der jüdischen Funktionäre, für größere Vergehen waren weiterhin die staatlichen Stellen zuständig. Besondere Bedeutung kam auch dem eigenen Schulwesen zu. Daneben verfügte jede Gemeinde über einen eigenen Friedhof und eine Synagoge sowie über andere religiöse Einrichtungen. Die Juden siedelten meist in einem dazu bestimmten Ortsteil, der Judengasse, die oft nur aus einer oder mehreren Häuserzeilen bestand.

Nach 1848 wurden aus den sogenannten "Schutzjuden" ungarische Staatsbürger, die im Laufe des 19. Jahrhunderts die volle bürgerlich-politische Gleichberechtigung erhielten. Obwohl das Königreich Ungarn mit der österreichischen Reichshälfte durch eine Real- und Personalunion verbunden war, herrschte im Bezug auf die Ausübung des jüdischen Glaubens doch eine andere rechtliche Situation vor. In Österreich galt das "Österreichische Israelitengesetz" aus dem Jahr 1890, nachdem für die jüdischen Kultusgemeinden keine finanziellen Unterstützungen vorgesehen waren. In Ungarn allerdings wurde der jüdische Glaube den christlichen Konfessionen gleichgestellt (1895), wodurch die Juden ebenfalls in den Genuß von staatlichen Subventionen für jüdische Religions- und Erziehungseinrichtungen kamen. Als das Burgenland zur Zeit der Ersten Republik zu Österreich kam (1921), erhielten sie auch weiterhin staatliche Unterstützung für ihre Institutionen.

"Reise durch das Heinzenland"

Die Entwicklung der jüdischen Gemeinden nach dem Ersten Weltkrieg war weniger durch den Wechsel von einem Staatsverband zum anderen, als vielmehr durch die allgemeinen politischen und wirtschaftlich Veränderungen nach dem Ersten Weltkrieg gekennzeichnet. Als autonome orthodoxe israelitische Kultusgemeinden in den Jahren 1921 bis 1938 galten die Gemeinden von Frauenkirchen, Kittsee, Unterberg-Eisenstadt (die bis 1938 auch politisch autonom war), Mattersdorf (ab 1924: Mattersburg), Kobersdorf, Lackenbach, Deutschkreutz, Rechnitz, Schlaining (ab 1930 wegen Abwanderung der Juden aufgelöst; Nachfolgegemeinde: Oberwart) und Güssing. Sie sind aus den Siedlungsgebieten des Nord- und Mittelburgenlandes und den Siedlungsgebieten im Südburgenland hervorgegangen.

Unter dem Titel "Reise durch das Heinzenland" erschien am 9. August 1919 in "Der Neue Tag" ein Artikel, in dem Joseph Roth den Rabbiner von Deutschkreutz die Geschichte und den Alltag der Juden von Deutschkreutz und der "Siebengemeinden" schildern läßt: "Mitten in Deutschkreutz eine Filiale der Leopoldstadt. 70 jüdische Familien wohnen seit 1.000 Jahren im Deutsch-Kreutzer Getto. Denn sie wohnen alle zusammen, in einer großen Häusergruppe hinter den weiten Gehöften der reichen Bauern und führen ein eigenes Leben . . .

Die Juden von Deutsch-Kreutz und den Schweh-Khilles beschäftigen sich nur mit ehrlichem Handel und werden von der christlichen Bevölkerung sehr geschätzt. Sie haben sich rein und unvermischt erhalten, und aus ihren Gesichtern klagte das jahrtausendealte Leid Ahasvers. Sie kennen keinen Tanz, kein Fest und kein Spiel. Nur Beten und Weinen und Fasten . . ."

Der Verfolgung und Vertreibung der burgenländischen Juden im Jahr 1938 ist ein sehr reges und dem Burgenland sehr verbundenes Leben vorausgegangen. In den jüdischen Vierteln bestanden bis 1938 alle Institutionen, die für ein jüdisches Gemeindeleben notwendig waren: Gemeindesynagogen, rituelle Bäder, koschere Restaurants, Schächter, jüdische Schulen, jüdische Armenhäuser, Spitäler sowie verschiedene andere Einrichtungen der Wohltätigkeit. Das religiöse und kulturelle Leben der jüdischen Bevölkerung des Burgenlandes äußerte sich in der Zwischenkriegszeit auch in einer Reihe von religiösen und gesellschaftlichen Vereinen: Bet-, Frauen-, Wohltätigkeits-, Jugend-, Spar- und Fortbildungsvereine.

Der "Verein der israelitischen freiwilligen Feuerwehr" in Mattersdorf stellte innerhalb der jüdischen Gemeinden des Burgenlandes eine Besonderheit dar und war gewissermaßen auch Konkurrenz der christlichen Feuerwehr desselben Ortes, wodurch regelrechte Wettkämpfe entstanden.

Zahlreiche Persönlichkeiten

Während in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf dem Gebiet des heutigen Burgenlandes über 8.000 Judens lebten, betrug der jüdische Bevölkerungsanteil in manchen Gemeinden (etwa in Lackenbach) über 50 Prozent. Im Jahr 1934 wohnten im Burgenland noch etwa 4.000 Juden. Zahlreiche jüdische Persönlichkeiten sind über die Grenzen ihrer Gemeinde hinaus bekannt geworden: wie etwa der Sozialist Dr. Julius Deutsch (1884 bis 1968) aus Lackenbach, der Komponist Karl Goldmark (1830 bis 1915) aus Deutschkreutz, der Geiger Joseph Joachim (1831 bis 1907) aus Kittsee, der Weinhändler und Kunstsammler Sándor Wolf (1871 bis 1946) aus Unterberg-Eisenstadt, auf dessen Sammlertätigkeit und Anregung u. a. die Gründung des Burgenländischen Landesmuseums und die Errichtung des Jüdischen Zentralarchives in Zusammenarbeit mit dem Archivar und Bibliothekar der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, Leopold Moses (1888 bis 1943), zurückgeht.

"Bei uns im Burgenland herrschte immer Eintracht unter der Bevölkerung, welcher Konfession dieselbe auch angehörte. Die religiösen Juden des jüngsten Bundeslandes lebten mit der nichtjüdischen Bevölkerung in musterhaften Einvernehmen, weil dieselbe eben auch treu zu ihrer Religion, sei dieselbe nun evangelisch oder katholisch, stand" . So wie in diesem Artikel, der 1933 in der jüdischen Zeitschrift "Misrachi" erschienen ist, wurde auch nach 1945 in zahlreichen Publikationen die pauschale Aussage über das friedliche Nebeneinander von jüdischer und nichtjüdischer Bevölkerung im Burgenland vor dem Jahr 1938 bekräftigt.

Der bodenständige rassische, wirtschaftliche und religiöse Antisemitismus im Burgenland vor 1938 ist daher nur anhand weniger konkreter Beispiele nachweisbar und steht nach wie vor im Schatten von idealisierten Vorstellungen und nostalgischer Verklärung des angeblich einvernehmlichen Verhältnisses zwischen den verschiedensten Bevölkerungsgruppen des Burgenlandes. Mit dem Auftreten und der eher langsamen Verbreitung des Nationalsozialismus im Burgenland nahm die antijüdische Stimmung aber deutlich zu.

Auflösung der Kultusgemeinden

Unmittelbar nach dem "Anschluß" Österreichs an Hitler-Deutschland setzten im Burgenland - dem Bundesland mit dem drittstärksten jüdischen Bevölkerungsanteil - die antijüdischen Maßnahmen vehement ein: Einschüchterung und Terror, Boykott, Enteignung, Ausweisung und schließlich die direkte Vertreibung. In kürzester Zeit gelang es der Gestapo mit Hilfe örtlicher Parteigänger und Mitläufer, das Burgenland "judenrein" zu machen.

Bereits im Oktober 1938 meldete die Israelitische Kultusgemeinde in Wien an den Judenreferenten Adolf Eichmann, daß im Burgenland sämtliche Kultusgemeinden (sieben größere und vier kleinere) aufgelöst worden waren. Am 4. Dezember 1938 berichtete die nationalsozialistische "Grenzmarkzeitung": "Zufolge der Maßnahmen der deutschen Behörden hat gleich nach der Angliederung an das Reich eine Absonderung der Juden eingesetzt, die nun als abgeschlossen bezeichnet werden kann. Die Reste der Juden sind in einzelnen Bezirken auf sechs bis acht Personen zusammengeschmolzen, so daß auf dem Gebiete des ehemaligen Burgenland kaum mehr als 40 Juden anzutreffen sein dürften."

Mit dem 1938/39 entstandenen Romanfragement "Cella oder die Überwinder" setzte Franz Werfel dem Untergang des burgenländischen Judentums ein bleibendes literarisches Denkmal. In der "wahren Geschichte vom wiederhergestellten Kreuz" erzählt er das Schicksal der Parndorfer Juden, die bei Mörbisch über die Grenze nach Ungarn abgeschoben und von den ungarischen Grenzbehörden wieder nach Österreich zurückgeschickt wurden.

Vom 10. Mai 1938 bis 31. Dezember 1938 konnten von den nach Wien geflüchteten burgenländischen Juden 1286 Personen auswandern. Als 1939 die Auswanderung zu stagnieren begann, wurden die in Wien verbliebenen Juden listenmäßig erfaßt und in größere meist illegale Auswanderungstransporte auf dem Donauweg eingereiht und so ihre Emigration betrieben. Bis 1940 war die illegale Einwanderung nach Palästina, Shanghai und in die USA möglich. Die in Wien ohne jede Ausreisemöglichkeit verbliebenen burgenländischen Juden wurden von der Gestapo nach dem Osten deportiert.

Burgenländische Juden findet man in den Polentransporten im Oktober 1939 und den Deportierungstransporten nach dem Generalgouvernement im Frühjahr 1941. Als die große Deportierungsaktion im Herbst 1941 nach Lódz, Riga, Minsk und Lublin einsetzte, waren ohne jede Fluchtmöglichkeit in Wien zurückgebliebene burgenländische Juden die ersten, die verschickt wurden.

Von jenen, die die nationalsozialistische Zeit überlebt haben, wollte bis auf wenige Ausnahmen niemand mehr ins Burgenland zurückkehren. Die einstige vielfältige Kultur des burgenländischen Judentums zeigt sich heute sich nur mehr in erschütternden Resten jüdischer Friedhöfe (Deutschkreutz, Eisenstadt, Frauenkirchen, Gattendorf, Kittsee, Kobersdorf, Lackenbach, Mattersburg, Rechnitz und Schlaining), von Synagogen und Bethäusern (Eisenstadt, Kobersdorf, Rechnitz und Schlaining) und in und bei Symposien, Ausstellungen und Ausstellungskatalogen.

So beherbergt etwa das frühere Wertheimer Haus in Eisenstadt das Österreichische Jüdische Museum (1979 eröffnet) oder die 1938 in Schlaining verwüstete Synagoge das Österreichische Institut für Friedensforschung. Auch einige Gedenktafeln sprechen von der langen Geschichte der jüdischen Gemeinden des Burgenlandes, die im Jahr 1938 ein jähes Ende fanden.

Literatur:

  • Widerstand und Verfolgung im Burgenland 1934 bis 1945. Eine Dokumentation. Hg. vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. 2. Auflage Wien 1983.
  • Gold, Hugo (Hg.): Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden des Burgenlandes. Tel Aviv 1970.
  • Kesten, Hermann (Hg.): Joseph Roth. Werke in vier Bänden. 3. Bd. Amsterdam 1973.
  • Die Ergebnisse der österreichischen Volkszählung vom 22. März 1934, Heft 1. Bearb. vom Bundesamt für Statistik. Wien 1935.
  • Neumann, David Ignatz: Ein Leben - Ein Werk. Eisenstadt 1988.

WIENER ZEITUNG, Sabine Lichtenberger


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