Musik macht nicht vor Grenzen halt:
Der König des Raī in
Wien
»Ich
ermuntere die Jugend,
über verbotene Dinge zu sprechen.« Khaled
Mit dem aus Algerien gebürtigen Khaled gastiert "Der König des
Raï" am 22. Oktober im Wiener Konzerthaus.
Raï-Musik, um 1920 in den Bars und Bordellen der Hafenstadt Oran
entstanden, entfaltete ihre gesellschaftskritische Kraft mit den
"Chebs", den Jungen, in den 1970er Jahren, zu denen als einer
der ersten auch Khaled gehörte. Der Raï ist seither eine der
wichtigsten Formen moderner arabischer Musik. »Aïcha« und andere
Welthits von Khaled bescherten dem Raï seit den neunziger Jahren
auch in Europa (und Israel) eine große Popularität.
In diesem Zusammenhang sei auf ein
Buch von Frank Tenaille
hingewiesen, mit dem erstmals in deutscher Sprache eine
umfassende Gesamtdarstellung des »nordafrikanischen Blues«, wie
der im kulturellen Meltingpot Oran entstandene Raï auch genannt
wird, erschienen ist. Ausführlich beschreibt hier der Autor die
Geschichte des Raï vor dem Hintergrund der politischen, sozialen
und kulturellen Entwicklung Algeriens von 1830 bis heute.
Auf interessante Weise beschreibt er alle relevanten
Raï-Aspekte: den Raï als Protestform gegen den kulturellen
Mainstream und gegen den allgemein anerkannten Sittenkodex, die
Konfrontation mit den Machthabern und den musikfeindlichen
Islamisten, die musikalische Vermischung des Raï mit Rock,
Reggae, Soul und Funk sowie den modernen Pop-Raï im Rahmen der
vielfältigen Raï-Szene der maghrebinischen Immigranten in
Frankreich.
Abgerundet wird das vielfältige Bild mit einem Kapitel über die
Sprache der mehrdeutigen Raï-Texte sowie fünfundsechzig
Kurzportraits der wichtigsten Musiker und Sänger (u.a. Khaled,
Cheb Mami, Fadela, Cheb Hasni, Cheikha Remitti, Rachid Taha).
Aufgrund seiner Informationsfülle und des sehr umfangreichen
Anhangs gilt das Buch als Standardwerk.
Frank Tenaille wurde in Okzitanien geboren und verbrachte seine
Kindheit in Afrika. Er studierte Soziologie und Ethnologie und
lebt heute als Journalist mit dem Spezialgebiet Weltmusik in
Montpellier.
Die beiliegende CD dokumentiert die Vielfalt der Raï-Musik. Sie
enthält neben Aufnahmen der wichtigsten Musiker seltene
historische Einspielungen.
Doch zurück zu Khaled, der mit seinen Texten über
Sex und Drugs und Rock'n'Roll und seinem westlichen Lebensstil
Khaled vielen Fundamentalisten zunehmend ein Dorn im Auge war,
so dass er sich bald (1986) in Paris niederließ. Erst 13 Jahre
später, 1999, sollte er wieder ein Konzert in Algerien geben.
Aufgrund eines gemeinsamen Auftritts mit der israelischen
Sängerin Noa 2001 zog er sich wieder den Zorn
national-religiös-konservativer Kreise zu.
1991 legte Khaled den Beinamen "Cheb" ab und unterschrieb einen
Plattenvertrag bei dem Pariser Label Barclay. 1992 erschien dort
das erste nach westlichen Maßstäben produzierte, groovige Album
"Khaled",1993 folgte "N'ssi N'ssi", 1996 "Sahra".
HÖREN: Aus dem Album Sahra: Sahra: [01]
Walou: [07]
Wahrane [09]
Hey Oudi: [12]
Nach Sahra traf er sich mit Jean-Jacques Goldman zusammen, um
das unvergleichliche "Aïcha" aufzunehmen. Es war Khaleds erstes
Lied in französischer Sprache und es sollte in den kommenden
Jahren rund um den Globus noch in diversen Versionen zum Hit
werden.
Musikalisch kehrt Khaled auf seinem neuen Album "Ya
Rayi" zu der hochprozentigen, funky groovenden Mixtur zurück,
die er auch schon auf seinem bislang erfolgreichsten Album
"Sahra" präsentiert hatte, als er den Raï mit Elementen der
kubanischen Musik und des westlichen Pop durcheinanderwirbelte.
Wolfgang Zwack aus der Amazon-Redaktion meint: ...mit "Ya Rayi"
hält Khaled auf zwölf Tracks die Qualität seiner früheren Alben
aufrecht und bestätigt seinen Ruf als bester Rai-Künstler unter
der Sonne. Von der Ballade "Mani Hani" bis zum druckvoll
produzierten Titelsong spielt King Khaled auf der Klaviatur der
Stile diesmal behutsamer, als auf den letzten Alben. Dafür
weisen selbst traditionell gehaltene Songs wie "El H'Mam" oder
das um andalusische Einflüsse bereicherte "Yema Yema" mit ihrem
funkigen Fundament genügend moderne Einflüsse auf, um nicht als
'Folklore' abgestempelt zu werden.
Das kreative Zusammentreffen von Tradition und Moderne in seinen
Songs stellt den Künstler auf eine Stufe mit anderen globalen
Pionieren wie Youssou N'Dour oder Gilberto Gil. In einer Zeit,
in der sich Orient und Okzident so feindlich gegenüber stehen,
wie seit Jahrhunderten nicht mehr, setzt Khaled mit seiner Musik
zudem ein nicht zu unterschätzendes Zeichen gegen Hass und
Intoleranz. Ein Zeichen, das nicht nur gut gemeint, sondern in
erster Linie gut gemacht ist -- eben weil dabei nie der
missionarische Aspekt im Vordergrund steht.
Besetzung in Wien 2007:
Khaled - Stimme
Julien Tekeyan - Schlagzeug
Maurice Zemmour - Bass
Elie Chemali + Mustapha Didouh - Kebyoards
Alain Perez - Gitarre
Bachir Mokari - Perkussion & Tarbouka
Allen Hoist - Saxofon & Violoncello
Philippe Slominsky - Trompete
Abdelouahed Zaim - Oud
Dominique Miletti - Posaune, Violine & Gitarre
Frank Tenaille: Die Musik des Raï
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