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Heftige Reaktionen auf Parodie der Hymne Litauens:
Litauen, blutiges Land

Im Holocaust Memorial Museum in Washington kann man im Souvenirshop für 18 Dollar die Compact Disc "Lieder aus dem Kaunasser Ghetto" kaufen. Die Ausstellung "The hidden History of Kaunas Ghetto läuft seit Ende 1997. Auf der vor einem Jahr eingespielten CD singt ein Chor auf Litauisch nach der Melodie der litauischen Nationalhymne von Vincas Kudirka ["Litauen, unser Vaterland"] eine Parodie der Hymne unter dem Titel "Litauen, blutiges Land", in der das litauische Volk nicht gerade gut wegkommt. Fast alle Exponate der Ausstellung wurden aus Litauen herangeschafft, darunter auch ein Notizbuch von 1942 mit Zeichnungen und Liedern der ehemaligen Ghettohäftlinge. Eines der Lieder ist "Litauen, blutiges Land". Die umfangreiche Beteiligung von Litauern am Judenmord führte zu der Textvariation, die in Litauen zu heftigen Reaktionen führte.

In der Sendung von "Lietuvos rytas TV", bei der diese Parodie der Hymne gespielt wurde, kam die Frage auf: Wie würden amerikanische, französische oder israelische Offizielle und Bürger auf so etwas reagieren, das zwar als authentische Ghetto-Folklore bezeichnet wird, aber erst vor fast zwei Jahren aufgenommen wurde und öffentlich verbreitet wird?

"Jedes Volk erhält in den Augen eines anderen Volkes die Behandlung, die es verdient. Solche Tatsachen oder ihre Verheimlichung werden wohl kaum dazu beitragen, das Image unseres Landes zu verbessern, das im Kontext des Holocausts ohnehin nicht das beste ist," so der Urheber der Sendung über den massenhaften Mord an den Juden in Litauen.

Nach Ansicht von Bruzas darf nicht die ganze Nation für die Sünden einiger Tausender zu büßen haben, erst recht seit sich der damalige Präsident Algirdas Brazauskas von der Tribüne der israelischen Knesset 1995 beim jüdischen Volk für jeden von uns entschuldigt hat.

Kein Schlußstrich vom Präsidenten

Nach Ansicht des früheren Präsidenten Brazauskas sollten die litauischen Politiker reagieren, denn schließlich liegt eine Entwürdigung der litauischen Hymne vor. "Unsere Staatsmänner sollten dieses Museum nicht besuchen. Das ist eine Frage des Prinzips. Der Bogen ist überspannt. Wir brauchen uns nicht zu erniedrigen...", so der sichtlich betrübte Präsident. Brazauskas ist überzeugt, daß Gerechtigkeit schließlich den Sieg davontragen muß. "Wer ein Verbrechen begangen hat, muß sich dafür verantworten. Ich bin nicht dafür, daß der wegen Genozids an Juden angeklagte Aleksandras Lileikis ins Gefängnis gebracht wird - dafür ist er zu alt. Aber ein Urteil muß gesprochen werden. Nur so kann Gerechtigkeit wieder hergestellt werden", so Brazauskas. In seinen Augen haben litauische Politiker keine sichtbaren Schritte zur Umsetzung von Gerechtigkeit unternommen. Moral und Gewissen stehen über allem anderen. Der größte Teil der Finanzmittel weltweit liegt in jüdischen Händen, so Brazauskas zur TV-Beilage der Tageszeitung LIETUVOS RYTAS . In Litauen liegt kein einziger Cent jüdischen Kapitals. Das, so Brazauskas, sei die praktische Seite. Schuldgefühle für das, was im Zweiten Weltkrieg in Litauen geschah, sollte seiner Meinung nach jeder Litauer empfinden.

"Hätten die Macher der CD eine alte Kaunasserin gefunden und sie gebeten, eines der Lieder aus ihrer Jugend zu singen, und es wäre "Litauen, blutiges Land" gewesen, wäre es nicht weiter schlimm gewesen", so Journalist Bruzas von "Lietuvos rytas TV". "So aber ist das Lied neu herausgegeben worden, und ein Volk von Mördern wird von schönen Chorstimmen besungen."

Die 17 Lieder aus dem Kaunasser Ghetto wurden von Robert De Cormier neu arrangiert und von dem Chor "Noble voices" eingespielt.

Ein Entschuldigungsbrief von der Museumsdirektorin

Der Botschafter Litauens in Washington Stasys Sakalauskas schrieb in seiner Erklärung an die Adresse der Direktorin des US Holocaust Memorial Museum: "In dem Souvenirgeschäft Ihres Museums wird eine CD "Lieder aus dem Kaunasser Ghetto" verkauft, die Ihr Museum herausgegeben hat. Unter den Liedern ist eines, in dem die Hymne der Republik Litauen verächtlich gemacht wird... Nach 55 Jahren ist dies besonders wichtig für die neue Generation von Litauern, die am Holocaust nicht beteiligt war und die den Juden Mitgefühl und Mitleid entgegenbringt für alles, was sie während des Zweiten Weltkrieges verloren haben."

Die Direktorin des Holocaust Museum, Sarah Bloomfield, bat zwar, allen Litauern ihre Bitte um Entschuldigung zu übergeben, versprach aber nicht, die weitere Verbreitung der CD zu unterbinden. Seimas-Mitglied Emanuelis Zingeris schwor in der Sendung von "Lietuvos rytas TV", er habe nie gehört, daß Juden in schweren Zeiten dieses Lied gesungen hätten. Zingeris zufolge sind die Worte des Liedes kein Spiegel die Haltung der 16 Millionen Juden gegenüber dem litauischen Volk.

Vor der deutschen Invasion lebten über 250 000 Juden in der damalige Litauischen SSR, zu der fast das gesamte Gebiet des unabhängigen Vorkriegslitauen und das kurz zuvor angeschlossene Vilniusser Gebiet gehörte. Nur wenige von ihnen schafften es, vor dem Juni 1941 von zu Hause wegzugehen.

"Ist das die Wahrheit, oder ist es bewußte Geschichtsfälschung? Waren die Litauer selbst als Organisatoren an den Pogromen gegen die Juden beteiligt, oder haben die Deutschen die Glut mit fremden Händen angefacht?" so Bruzas in seiner Reportage für "Lietuvos rytas TV". Er als Vertreter der jungen Generation der Litauer möchte nicht als "Judenschießer" bezeichnet werden. Eben darum machte er sich daran, in den Geschichten herumzuwühlen, die ein halbes Jahrhundert zurückliegen. Es gelang Bruzas, den einzigen Überlebenden des Massakers an Juden in der Kaunasser "Lietukis"-Garagenanlage am 27. Juni 1941, den 74-jährigen Vaclovas aus Kaunas Vodzinskas zu finden. Vodzinskas bestritt vor der Fernsehkamera, daß junge Litauer 75 Juden mit Stangen und Metallbändern zu Tode geprügelt hätten und anschließend auf den Leichenberg geklettert seien, um auf dem Akkordeon die litauischen Hymne zu spielen. Vodzinskas sagte, er habe mit eigenen Augen gesehen, wie man den von der Eisenbahn herankommandierten betrunkenen Männern befohlen habe, den "Marsch der Juden von Slobodka" zu spielen. Die Männer, so Vodzinskas, hätten "irgendsoeine Polka gespielt und sind weitergegangen".

Jüdische Gemeinde empört über Geschichtsleugnung.

Simon Alperovic, Vorstand der Litauischen Jüdischen Gemeinde, hörte das von dem jüdischen Chor gesungene "Litauen, blutiges Land" in der Sendung von "Lietuvos rytas TV".

"Ich bin zwar Jude, aber auch litauischer Bürger. Das Bild Litauens in der Welt bedeutet mir so viel wie jedem anderen Litauer auch. Niemand hat das Recht, die Hymne verächtlich zu machen. Hier aber ist die Sache zu sehr aufgeblasen. Denken wir daran, in welcher Situation das Lied geschrieben wurde. Nur wenige Ghettohäftlinge konnten darauf hoffen zu überleben. Die ins Ghetto gelangenden Gerüchte über den blutigen Tanz und die Hymne auf dem Leichenhaufen in der "Lietukis"-Garage hat sie dazu veranlaßt, das Lied "Litauen, blutiges Land" zu verfassen und wenigstens so Rache an den Mördern zu nehmen," so Alperavicius im Original zur TV-Antena von Lietuvos Rytas.

Aus einem Lied kann man ebensowenig einzelne Worte streichen wie aus der Geschichte selbst. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde will nicht diejenigen rechtfertigen, die auf die Idee gekommen sind, die Lieder neu einzuspielen. Das Notizbuch aber, in dem der Text des Liedes notiert ist, ist Geschichte.

"Der Journalist war in seiner Reportage nicht ganz objektiv", so Alperavicius vorsichtig . "In den litauischen Medien ist eine Tendenz zu beobachten, die Ereignisse nicht so darzustellen, wie sie sich zugetragen haben. Man versucht, eine Rechtfertigung zu finden. Unserem Volk ist in der ganzen Welt Unumkehrbares angetan worden, und nun versuchen bestimmte Leute, Aleksandras Lileikis zu verteidigen."

SLW / haGalil 05-12-99

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