tu boz
sta escura
di bezus qui a mí no dieras
la nochi es polvo dest’ixiliu |
tu voz está oscora
de besos que no me diste
la noche es polvo de este exilio |
Staub des Exils:
Juan Gelmans
sephardisches Gedicht
Der argentinische Lyriker Juan
Gelman, geboren 1930, gilt als Klassiker der modernen Dichtung
Lateinamerikas. Sein Werk hat dort und in Spanien wohl auch deshalb eine so
große Verbreitung gefunden, weil wesentliche Teile Gelmans
politisches Engagement und sein Schicksal spiegeln. Seit 1975 lebte er
hauptsächlich im Exil in Europa.
Zunächst hatte die berüchtigte
"Alianza Anticommunista Argentina" 1976 mehrmals gedroht, Gelman zu töten.
Unter der letzten Junta Argentiniens (1976 bis 1983) wurden sein Sohn
Marcelo und seine spanische Schwiegertochter entführt, die im siebten Monat
schwanger war. Beide wurden ermordet. Gelman sucht seit Jahren verzweifelt
nach seinem Enkelkind, das von kinderlosen Angehörigen des Militärs geraubt
wurde. Beteiligt an diesem Verbrechen war offenbar auch die damalige
Militärdiktatur Uruguays. Jedenfalls haben jetzt zahlreiche Schriftsteller,
unter ihnen auch der portugiesische Nobelpreisträger José Saramago, Uruguays
Präsidenten Sanguinetti um Aufklärung gebeten. Ihr Brief wurde unter anderem
in der spanischen Zeitung El País veröffentlicht. Gelman war Anhänger
der linksperonistischen Montaneros. Das argentinische Gerichtsverfahren
gegen ihn konnte erst auf internationalen Druck 1988 eingestellt werden.
Aber auch die Verleihung des argentinischen Staatspreises für Lyrik hat ihn
nicht nach Argentinien zurückgeführt. Er lebt sei 1989 in Mexiko.
Bei uns ist Juan Gelman leider ein
fast Unbekannter. 1978 erschien einmal eine kleine Auswahl seiner Gedichte
in Berlin: So arbeitet die Hoffnung. In neuester Zeit waren in
Rowohlts Literaturmagazin 42 und in Literatur und Kritik, Heft
337/338 Gedichte von Gelman zu lesen. Der jetzt bei Edition 350
edierte Zyklus Darunter, ein Nebenwerk zwar, aber ein interessanter
Versuch Gelmans, hat seinen besonderen Reiz wohl im
Hinundherlesen zwischen dem Sephardischen und dem mit ihm so stark
verwandten Spanischen. Die 1492 aus Spanien vertriebenen Juden sprachen noch
jahrhundertelang im Osmanischen Reich ihr Sephardisch. Der Zyklus
Darunter nimmt in der Form eines 29-teiligen Liebesgedichts die Suche
nach der Sprache und zugleich nach den Ursprüngen auf. Die Zeit, die
Erinnerung, das Vergessen sind die Emblemata des Gedichts, die der zur
Geliebten hin Sprechende mit Leben erfüllen will: Sephardisch: "tu boz sta
escura – spanisch: "tu voz está oscora", "di bezus qui a mí no dieras – de
besos que no me diste; la nochi es polvo dest’ixiliu – la noche es polvo de
este exilio." Und auf deutsch lautet die Strophe: "deine Stimme ist dunkel /
von Küssen die du mir nicht gabst / von Küssen, die du mir nicht gibst / die
Nacht ist Staub des Exils."
deine Stimme ist
dunkel
von Küssen die du mir nicht gabst
von Küssen, die du mir nicht gibst
die Nacht ist Staub des Exils."
HANS-JÜRGEN SCHMITT
JUAN GELMAN: Dibaxu /
Debajo / Darunter.
Aus dem Sephardischen ins Spanische vom Autor;
Deutsch von Tobias Burghardt.
Edition 350 im Verlag Kooperative, Dürnau 1999.