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Trittbrettfahrer der Bubis-Walser-Kontroverse:
Ein wertloser Rhetorik-Preis für Martin Walser

Der Tübinger Jens-Nachfolger Gert Ueding als Trittbrettfahrer der Bubis-Walser-Kontroverse. Rhetorik-Preis jetzt auch für Joschka Fischer.

Von Thomas Ziegner

Zu lange offenbar musste der höchst mittelmäßige Ernst-Bloch-Schüler Gert Ueding ertragen, dass sein Vorgänger auf dem Chefstuhl des Tübinger Universtäts-Instituts für Allgemeine Rhetorik, Walter Jens, noch Jahre nach seiner Emeritierung größere öffentliche Beachtung und Achtung fand und findet. Beim großen "Walser-Gargel-Margel" (Willi Winkler) witterte Ueding Publicity für sich selbst und sein wacker-solid vor sich hin forschendes Institutle, und fütterte die Agenturen und Feuilletons vor einem Jahr mit der sensationellen Pressemitteilung, eben habe das "einzige Institut seiner Art in Deutschland" Walsers süddeutsch-biedermännischer, ressentiment-geladener Friedenspreis-Schwadronage den Titel "Rede des Jahres verliehen.

Noch heute führt das als verlässlich geltende Munzinger-Archiv den Walser-Martin als Preisträger, unter Berufung auf die ebenfalls als verlässlich geltende Süddeutsche Zeitung, die halt auf Ueding hereinfiel, wie die Frankfurter Allgemeine und andere, darunter auch die Welt. Dort bringt der Tübinger Rhetorik-Präzeptor gelegentlich Artikel unter, stilblütenreich das, was einmal ein Bloch’scher Gedanke war, zum Ruhme des Heinz G. Konsalik und dessen Schmarren "Der Arzt von Stalingrad", zur Phrase umformend – unter der Schlagzeile: "Liebe, Blut und weiße Kittel". (Genau das ist die Sphäre, in der Ueding sich bescheiden sollte; da kennt er sich aus, fühlt sich wohl und formuliert nicht einmal ungeschickt). Übrigens meldete auch haGalil am 15. Dezember 1998 die Preis-Verleihung, mit leichtem Befremden zwar, aber der Pressemitteilung des Ordinarius Ueding - Ordentlicher Professors – Glauben schenkend.

Ohne Recherchen mochte Hans-Joachim Lang, Redakteur des linksliberalen Tübinger "Schwäbisches Tagblatt", die Meldung über die wissenschaftlich autorisierte Weihe Walsers damals nicht abdrucken, und er griff zum Telefon, Näheres in Erfahrung zu bringen; möglich, dass er nur dem Leiter Ueding, nicht aber dem gesamten Instituts-Stab eine derartig dumm-dreiste, schlagwort-salatige Diktion zutraute: Walsers Rede sei gewählt worden, weil sie "in der Tradition der großem humanistischen Beredsamkeit in Deutschland für die ideologisch verfestigten Meinungsschranken unserer Mediengesellschaft die Augen öffnet, sich gegen das organisierte Zerrbild von Gewissen, Moral, Schuldbewusstsein wehrt..." und noch weiter bramarbarsiert’s beflissen, dass es nur so seine Art hat, von der sich denn doch die Walsersche Beredsamkeit – wenn auch "tellement petit-bourgeois (kleinbürgerlich)", wie hellsichtig Richard von Weizsäcker diagnostizierte – leuchtend abhebt.

Redakteur Lang also recherchierte, mühevoll. Außer dem zweiten Professor des Instituts, Joachim Knape, hatte keiner seiner Gesprächspartner den Mut, die Preis-Verleihung als das zu enttarnen, was sie war: ein schamloser Medien-Hype, vulgo Trittbrettfahrerei, vom Emeritus Jens später als Mischung aus "Nonsens und Wichtigtuerei" abgekanzelt, und damit gelinde verharmlost – denn Uedings schamloser Bluff verschaffte den Walser’schen "Rodomantaden" (Süddeutsche Zeitung) bei arglosen Lesern Renommee. Ueding log, der Jury hätten "alle hauptamtlichen Mitarbeiter des Instituts angehört", und die Wahl sei einstimig erfolgt.

Redakteur Lang ließ nicht locker, erreichte zwei wissenschaftliche Mitarbeiter, die einen Tag nach der Preisverleihung vorgaben, sich nicht erinnern zu können, welche rhetorischen Meisterreistungen denn in Konkurrenz zur Walsers Rede streng rhetorisch-wissenschaftlich begutachtet wurden. (Nicht-erinnern-können, scheint immer noch ein besonders in Deutschland grassierendes Syndrom zu sein). Immerhin Professor Knape redete "Klartext". Er kenne die preiswürdige rhetorische Meisterleistung nicht einmal im Wortlaut, wisse nichts von einer Jury, könne aber bestätigen, dass tatsächlich über Walsers Rede geredet wurde: "Auf der Weihnachtsfeier des Instituts, beiläufig bei einem Glas Wein."

Wiewohl entlarvt, gab Ueding nicht auf, versicherte Josef-Otto Freudenreich, Autor der Stuttgarter Zeitung, es habe sehr wohl eine Jury gegeben, und sehr wohl konkurrierende Texte zur Auswahl. Leider fragte Freudenreich nach, und als erstes fiel dem nunmehr gestressten Rhetoriker Schröders Regierungserklärung ein, nach weiterem Nachdenken eine Rede von Jutta Limbach, Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts ('Missbraucht die Politik das BVG ?') und eine des Althistorikers Christian Meier ('Warum rasten die Worte nicht mehr ein ?').

Wiederum hatte Ueding Pech. Freudenreich recherchierte, und fand eine schöne Schlusspointe für seine Glosse: "Fürwahr, allesamt gewichtige Reden, vor allem jene des Kanzlers, aber die anderen beiden sind in der Eile offensichtlich nicht gründlich gelesen worden. Beide taugen zur "Rede des Jahres 1998" nicht – Limbach und Meier haben nämlich schon 1997 gesprochen".

Just 1997, Ende Januar, las Ueding in seinem Hausblatt "Die Welt", dass der "Förderkreis für politische Rhetorik" schon jahrelang ein "Goldenes Mikrofon" verleiht, aktuell an Oskar Lafontaine. "Das kann ich auch", sagte er sich, kostet mich nicht mehr als eine Pressemitteilung. Im Dezember 1998 war’s dann soweit, er vergab den mit nix dotierten Preis im Wortsinn einstimmig, im Alleingang, und es wäre unbillig, von Walser zu erwarten, er möge ihn – weil pure Fiktion - zurückgeben. Wahrscheinlich gibt’s nicht einmal eine Urkunde. Im August 1999 legte Ueding nach, vergab wiederum einstimmig eine Auszeichnung, diesmal Hörbuchpreis, im Namen der Tübinger Universität und des Instituts. Wiederum recherchierte TAGBLATT-Redakteur Lang, wiederum entfuhr nur Knape ein fassungsloses: 'Ein Preis jagt den nächsten...'

Die "Rede des Jahres 1999" ist, wirklich und wahrhaftig, gekürt, noch vor der Weihnachtsfeier des Instituts, von einer leibhaftigen Jury, wie, wiederum Lang, herausbekam. Joschka Fischer erhielt die wertlose Ehrung, für seine Parteitagsrede zum Krieg im Kosovo. Schon im Mai dieses Jahres hatte Ueding, naturgemäß in der "Welt", den neudeutschen Übergang von der Friedens- zur Kriegsrhetorik begrüßt, unter mißbräuchlicher Verwendung des Worts von Ernst Bloch: "Nur sanft sein heißt nicht gut sein".

Sich selbst und seine einstimmige Ernennung von Walsers Rede verteidigte Ueding vor einem Jahr mit der kühn-absurden Vermutung: "Ernst Bloch hätte genauso gesprochen wie ich". Blochs Sohn Jan Robert verwahrte sich gegen den Versuch, "die Bekanntheit Blochs heranzuziehen, um einer Schlussstrich-Mentalität dass Wort zu reden...", nannte Uedings Diktum, viel zu vornehm "rufschädigend und maßlos".

Mag also Fischer den Preis behalten, Walser ihn nicht zurückgeben – empfangen hat er ja fast nix – obwohl: "Besser wie nix is," sagte Karl Valentin, befragt, warum er eine Brille ohne Gläser trage. Wenigstens das Munzinger-Archiv aber sollte seinen Walser-Eintrag bereinigen, auch im Sinne Uedings, der sich bisher wohl bloß bißl genierte, solches zu verlangen. Im Sommersmester 1997 hielt er ein Hauptseminar, mit dem schönen Titel: "Wahrheit und Lüge in rhetorischer Absicht / Ethik in den Massenmedien".

NACHTRAG:
Professor Knape schämt sich nicht

haGalil 12-99

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