Neue Beweise zum Mord in Litomerice:
SS-Mann Julius Viel inhaftiert!
Stuttgart - Die AP berichtet,
dass nach Angaben der Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen den 81-jährigen
ehem. SS-Mann Julius Viel aus Wangen im Allgäu am Mittwoch Haftbefehl
erlassen wurde. SS-Unterscharführer Viel soll im tschechischen
Litomerice sieben jüdische Häftlinge des KZ Terezín (Theresienstadt)
erschossen haben. Viel sitzt inzwischen in Ravensburg hinter Gittern.
Erst vor wenigen Tagen habe man neue
Dokumente bekommen, die aus dem einfachen Tatverdacht einen dringenden
gemacht hätten, erklärte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Sabine
Mayländer. "Diese Dokumente stützen die Aussage des Augenzeugen, der bezeugt
habe, dass der ehem. SS-Untersturmführer Viel an den Panzergraben trat und
"willkürlich" sieben Menschen erschoss".
Das Massaker soll sich in den letzten
Kriegsmonaten nahe Leitmeritz abgespielt haben. Der damals 28-jährige Viel
soll Lehrer an der SS-Führerschule der tschechischen Kleinstadt gewesen
sein. Nach einem Durchbruchversuch der Roten Armee wurden die jüdischen
Häftlinge von Viels Einheit aus dem KZ Theresienstadt nach Leitmeritz
geführt, wo sie unter Aufsicht von Kadetten und Offizieren der SS-Schule
einen Panzersperrgraben ausheben sollten.
Viel, so sagt ein damals 19-jähriger
Zeuge klipp und klar, trat aus einer Gruppe von SS-Offizieren heraus, nahm
ein Gewehr und hat sieben Häftlinge willkürlich erschossen. Danach ging er
ohne Kommentar zu den anderen zurück und hat sich mit ihnen weiter
unterhalten.
SS-Mann und Träger vom
Bundesverdienstkreuz am Bande
Viel sah nach 1945 keinen Grund, in der
Bundesrepublik Deutschland seine Identität zu verbergen. Er arbeitete als
Redakteur in Stuttgart. Als begeisterter Freund deutscher Lande machte der
Wanderfreund mit seinen Tourenvorschlägen das Wandern in Baden-Württemberg
populär. Von einem anderen Wanderfreund, Bundespräsident Carl Carstens,
wurde dem damals 65-Jährigen Viel 1983 das Bundesverdienstkreuz am Bande
verliehen.
An seinem idyllischen Altersruhesitz in
Deuchelried bei Wangen war der Redakteur weitgehend unbekannt. Er lebte
zurückgezogen mit seiner Frau. Mit seiner Enttarnung hatte er nicht mehr
gerechnet, obwohl nicht zum ersten Mal in dieser Sache gegen Viel ermittelt
wird. Schon in den 60-er Jahren gab es ein Ermittlungsverfahren gegen ihn.
Damals hatte ein anderer SS-Offizier, gegen Viel ausgesagt, dann aber seine
Beschuldigungen zurück genommen. Der Zeuge ist inzwischen tot, die Sache
schien für Viel ausgestanden. Doch dann tauchte der neue Zeuge aus Kanada
auf.
Der Zeuge ist Professor der Universität
Montreal und war damals Soldat der SS. Im Frühjahr 1998 lief aufgrund seiner
Aussage das neue Ermittlungsverfahren an. Stichhaltige Beweise konnte die
Staatsanwaltschaft inzwischen vorlegen: "Wir haben Dokumente erhalten, die
die Aussage des Zeugen stützen", so Sabine Mayländer, Sprecherin der
Stuttgarter Staatsanwaltschaft. "Aus dem einfachen Tatverdacht ist ein
dringender geworden."
Dass die Ermittlungen überhaupt in Gang
kamen, ist dem US-amerikanischen Nazi-Jäger Steven Rambam zu verdanken. Auf
einer Liste, die dem jüdischen Privatdetektiv zugespielt wurde, war auch der
Name des deutsch-kanadischen Professors aus Montreal. Der Professor gab
gegenüber Rambam seine SS-Mitgliedschaft zu. In seiner neuen Heimat sollte
das aber niemand erfahren. Rambam schwieg. Sein Wissen teilte der Professor
nun der Ludwigsburger Zentralstelle
zur Ermittlung von Verbrechen des Nationalsozialismus mit. Inzwischen hat
die Stuttgarter Staatsanwaltschaft 900 Zeugen in Deutschland und Österreich
ausfindig gemacht, 300 wurden bereits vernommen.