Berlin - Wien - Warschau
Tour de Lauder in Mitteleuropa
Anton Legerer /
anton@hagalil.com
Ronald S. Lauder, 55, Nachkomme
Estée Lauders, selbst - vor allem in der Telekommunikation und Medienbranche
und in den ehemaligen kommunistischen Staaten Osteuropas - erfolgreicher
Geschäftsmann sowie Repräsentant und Förderer zahlreicher internationaler
jüdischer Organisationen, kam zu einem Eröffnungsmarathon nach Europa.
Begleitet wurde er dabei von
zahlreichen Repräsentanten jüdischer Organisationen in den USA, unter ihnen
Israel Singer vom Jüdischen Weltkongress und Michael Berenbaum von Steven
Spielbergs Shoa Foundation. Der Einweihung von "Lauder Jüdisches Lehrhaus",
einem Bet Midrasch, in Berlin letzten Sonntag folgte jene des "Lauder Chabad
Campus" am Montag in Wien sowie die Widmung der "Lauder Morasha Schule" am
Dienstag in Warschau.
Alle drei Projekte wurden mit den
Mitteln der 1987 gründeten Ronald S. Lauder Stiftung, die eine Vielzahl von
jüdischen Projekten in 15 mittel- und osteuropäischen Staaten unterstützt,
finanziert. Nicht zuletzt deshalb wurde Ronald Lauder überschwänglicher Dank
zuteil: in Berlin erhielt er den Raoul-Wallenberg-Preis für seine Verdienste
um die Wiederbelebung jüdischen Lebens in Mittel- und Osteuropa, in Warschau
eine Verdienstmedaille von Präsident Aleksander Kwasniewski für seine
einzigartigen Bemühungen um den Wiederaufbau jüdischer Gemeinden in Polen,
und in Wien wurde Lauder von Bundespräsident Thomas Klestil mit dem "Großen
Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich"
ausgezeichnet.
Lauder war von Präsident Ronald
Reagan 1986 zum Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika in
Österreich bestellt worden - im gleichen Jahr, in dem Kurt Waldheim zum
österreichischen Bundespräsidenten und Jörg Haider zum Obmann der FPÖ
gewählt wurden. Für Österreich hat Lauder über seine geschäftlichen sowie
religiös-kulturellen Aktivitäten hinaus auch Bedeutung als Vorsitzender
eines internationalen Steering Comittes, das im Vorjahr von den fünf mit der
Restitution seitens Österreich befassten Organisationen in Israel, USA und
Österreich gegründet wurde. Lauder finanziert zudem das Europabüro der
amerikanischen Bürgerrechtsorganisation Anti-Defamation League in Wien.
Die ihm am Montag verliehene
Auszeichnung ist unter den insgesamt 21 Abstufungen am oberen Ende der
Ehren-Skala anzusetzen. Am unteren Ende findet sich ein anderer prominenter
Name: 1997 erhielt der Vater des österreichischen Rechtspopulisten Jörg
Haider, der ehemals aktive und bis heute öffentlich nicht bereuende
Nationalsozialist Robert Haider eine "Goldene Medaille für Verdienste um die
Republik Österreich" - als Ortsgruppenobmann des Oberösterreichischen
Seniorenrings.
Lauder-Chabad Wien
Das größte der drei von Lauder
finanzierten Gebäude befindet sich in Wien: ein großzügiger und
lichtdurchfluteter Neubau von Architekt Adolf Krischanitz (in den
Presseunterlagen der Lauder Stiftung wird Krischanitz' Vorname verschämt mit
A. abgekürzt) inmitten einer Parkanlage im zweiten Wiener Gemeindebezirk,
dem ehemaligen jüdischen Getto.
Die jüngere Geschichte der Stadt in
Nazi-Deutschland ist durch einen der unzerstörbaren Flaktürme im Hintergrund
auch architektonisch gegenwärtig. Der Schulneubau bietet Platz für 400
Kinder und umfasst Kinderkrippe und Kindergarten, Volks- und Mittelschule
sowie die Jüdische Religionspädagogische Akademie zur Ausbildung jüdischer
Lehrer. Derzeit zählt die Schule 240 Kinder, vorwiegend aus Familien, die
seit den 70er Jahren aus der UdSSR bzw. deren Nachfolgestaaten eingewandert
waren. Zur Eröffnung der Schule war das offizielle Österreich mit seinen
höchsten Repräsentanten vertreten. Angeführt von Bundeskanzler Viktor Klima
und seinem Vorgänger Franz Vranitzky kamen Unterrichtsministerin Elisabeth
Gehrer, der Wiener Bürgermeister Michael Häupl, mehrere Stadträte sowie die
Parteichefs der Grünen und der Liberalen. Ebenfalls anwesend war
US-Botschafterin Kathryn Hall sowie die Frau des Bundespräsidenten, Margit
Löffler-Klestil.
Zeit, Geld und mehr Herz!
Bundeskanzler und Bürgermeister
(beide SPÖ) nahmen Bezug auf das Ergebnis der Nationalratswahlen vom 3.
Oktober. Klima stellte einen Bezug zwischen den aus Österreich vertriebenen
Juden und der Aufbaugeneration nach dem Krieg her, deren Erinnerung
einerseits bzw. deren Leistungen andererseits durch den Wahlerfolg von
Haiders FPÖ nicht beeinträchtigt werden dürften. Häupl verwies auf die
Einrichtung des jüdischen Museums, Ausgrabung der mittelalterlichen Synagoge
sowie die Restitution für den SC haKoah hin und plädierte für ein Österreich
der Demokratie und der Toleranz.
Sowohl Bundeskanzler Klima als auch
Bürgermeister Häupl wurden von IKG-Präsident Muzicant mit den konkreten
Problemen der IKG konfrontiert: die restriktiven Einwanderungsgesetze würden
auch die jüdische Zuwanderung unterbinden und damit langfristig zu einem
Verschwinden der jüdischen Bevölkerung in Wien beitragen. Generell gelte:
Wenn die österreichischen "Inländer ein Problem mit den Ausländern" hätten,
so Muzicant an die österreichischen Politiker gewandt, dann müsse man "Zeit,
Geld und mehr Herz" in die Integration investieren.
Ronald Lauder selbst, der unmittelbar
vor seiner Ansprache von Schulleiter Rabbiner Jacob Bidermann durch eine
Hommage gewürdigt worden war, betonte sein Anliegen, jüdisches Leben durch
jüdische Erziehung der Kinder wiederbeleben zu wollen. Es wären die Kinder,
so Lauder, die ihren dem Judentum entfremdeten Eltern wieder die Tradition
zurückbrächten. Lauder verwies auch darauf, dass er seine Affinität zum
europäischen Judentum während seiner Botschaftertätigkeit in Wien entdeckt
habe.
Jüdische Rundschau
Nr. 41 vom 14. Oktober 1999