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Dunkle Schatten holen den Helfer der Nazi-Opfer ein:
Graf Lambsdorff soll sich als einstiger FDP-Rechtsaußen vor Kriegsverbrecher gestellt haben

Bonn - Als Regierungsbeauftragter für die Entschädigung von früheren NS-Zwangsarbeitern hilft Otto Graf Lambsdorff deutschen Firmen, ihre Geschichte im "Dritten Reich'' aufzuarbeiten. Jetzt holt den früheren FDP-Chef die eigene Vergangenheit ein.

Von HEINZ-PETER FINKE (Bonner Redaktion)

Überlebende KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter beschuldigen Lambsdorff, nach 1945 NS-Schergen geschützt und sich zum "politischen Helfershelfer von Nazi-Kriegsverbrechern'' gemacht zu haben. Die Wurzeln dieser Vorwürfe reichen bis in die frühen 50er Jahre zurück. Vor dem Hintergrund einer parteiübergreifend befürworteten "Bundesamnestie'' für NS-Straftäter rang die FDP um ihren Kurs.

In Aachen tobte ein Kampf zwischen Konservativen braunen Anstrichs und gemäßigten Liberalen. Otto Graf Lambsdorff hielt es als Bezirksvorsitzender von Aachen-Land mit den National-Konservativen und mit der Landesspitze um den Vize-Bundeschef Friedrich Middelhauve. In Aachen behielt der national-konservative Flügel die Oberhand.

Wie der Historiker Stephan Stracke jetzt durch Dokumente aus dem Koblenzer Bundesarchiv, dem Düsseldorfer Staatsarchiv und dem FDP-Archiv in Gummersbach beweist, schlug Lambsdorffs Herz ganz rechts. So lehnte Ende 1952 ein Teilnehmer einer Parteiversammlung ohne Widerspruch Lambsdorffs einen deutschen Wehrbeitrag mit dem Satz ab: "Solange die Verbrecher vom 20.Juli frei herumlaufen und Hochverräter in der Bundesregierung sitzen, kommt ein Wehrbeitrag nicht in Frage.''

Stracke und die NS-Opfer werfen Lambsdorff vor, mit holländischen Nazi-Kollaborateuren verkehrt zu haben. Nachdem Weihnachten 1952 sieben NS-Kriegsverbrecher aus dem Gefängnis im niederländischen Breda geflohen waren, fand der zu "lebenslänglich'' verurteilte frühere SS-Mann Antoine Touseul in Aachen Zuflucht. Lambsdorff traf ihn. So berichtet es ein Vernehmungsbericht der BKA-Sicherungsgruppe Bonn vom Januar 1953. Vorgeworfen wird Lambsdorff auch, in einer Veranstaltung mit dem Kriegsverbrecher Werner Best zum Thema Generalamnestie aufgetreten zu sein. Best war Stellvertreter Reinhard Heydrichs bei der Gestapo, Chef der Innenverwaltung im besetzten Frankreich und Reichsbevollmächtigter in Dänemark. Der Jurist Best wiederum führte dem FDP-Landtagsabgeordneten und früheren NS-Diplomaten Ernst Achenbach die Feder, der neben Middelhauve die braune Infiltration der FDP betrieb.

Der ehemalige FDP-Chef recherchiert gegenwärtig noch die Vorwürfe, die er in einer ersten Stellungnahme als eine Mixtur aus "Dichtung und Wahrheit'' bezeichnete. Möglicherweise ist dort allerdings mehr Wahrheit als Dichtung enthalten. Denn während er zunächst erklärte, er könne sich an Touseul nicht erinnern, hat er 1953 gegenüber dem BKA das Treffen mit dem Kriegsverbrecher eingeräumt. Zu seiner Entlastung kann Graf Lambsdorff vorbringen, dass er damals mit seiner Haltung in der FDP nicht alleine stand. Die National-Konservativen wurden in NRW erst Mitte der 50er Jahre durch die Jungtürken Walter Scheel und Willi Weyer aus der Spitze entfernt und verloren in der Bundespartei endgültig nach dem Abtritt Erich Mendes als Bundesvorsitzender Ende der 60er Jahre an Einfluss. Dass Lambsdorff, wie jüngst gefordert, als Verhandlungsführer abgelöst wird, gilt als unwahrscheinlich. Der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Kurt Goldstein, relativierte die Rücktrittsforderung inzwischen. Wichtig sei, dass Lambsdorff nicht die Interessen der Industrie, sondern der Opfer vertrete. Insbesondere müsse bis zum 1.September, dem 60. Jahrestag des Überfalls auf Polen, eine Lösung gefunden sein. Für Goldstein ist ein schnelles Ergebnis entscheidend, ¸¸auch mit Graf Lambsdorff, auch mit dem Teufel''.

Stuttgarter Nachrichten 25.8.99

Ehemaligen NS-Chargen Unterschlupf geboten:
Die nordrhein-westfälische FDP und der Neo-Nationalismus

Otto Graf Lambsdorff weist Vorwürfe zurück

Nach anfänglicher Zustimmung ist Otto Graf Lambsdorff als Verhandlungsführer für NS-Entschädigungen ins Zwielicht geraten. Der 72-jährige FDP-Ehrenvorsitzende soll Anfang der fünfziger Jahre als "Helfershelfer'' ehemaliger Nazikriegsverbrecher agiert haben.

Von Werner Birkenmaier

Wahrscheinlich hat es das weit links stehende internationale Auschwitz-Komitee gestört, dass Bundeskanzler Schröder den als industrienah geltenden FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff zum Verhandlungsführer für den Zwangsarbeiter-Entschädigungsfonds berief. Esther Bejarano, die Vorsitzende des Komitees, sowie ehemalige Zwangsarbeiter fordern die Abberufung Lambsdorffs. Aus Archivunterlagen gehe hervor, er habe sich als Bezirksvorsitzender der FDP Aachen 1952 und 1953 "zum politischen Helfershelfer von Nazikriegsverbrechen gemacht''. Lambsdorff sei damals mit dem hochrangigen SS-Führer Werner Best öffentlich aufgetreten und habe eine Amnestie für NS-Kriegsverbrechen gefordert. Außerdem habe er nach einem Bericht des Bundeskriminalamtes den Kollaborateur und Kriegsverbrecher Antoine Touseul getroffen, der in Holland aus dem Gefängnis geflohen war und angeblich die FDP in Aachen um Hilfe gebeten habe.

Lambsdorff entgegnet, die Vorwürfe seien eine Mischung aus Dichtung und Wahrheit. Mit Best sei er nicht öffentlich aufgetreten, und an Touseul könne er sich nicht erinnern. Der Zeitpunkt dieser Attacke ist geschickt gewählt. Die nächste Verhandlungsrunde findet am Donnerstag in Bonn statt. Lambsdorff warnte inzwischen vor einer Gefährdung der Gespräche, die in ein entscheidendes Stadium treten.

Graf Lambsdorff Sympathien für Nationalsozialisten zu unterstellen ist gewiss absurd, aber das Fatale an den Vorwürfen ist, dass sie einen realen Hintergrund haben: Die lange Phase der Unsicherheit über die Regelungen der "Kriegsverbrecherfrage'' und die seit Anfang 1952 überbordende "Amnestiekampagne'' hatten dem Neonationalismus in der Bundesrepublik starken Zulauf beschert. Ehemalige NS-Chargen suchten Unterschlupf in "Kreisen'' und "Clubs'', auch in kleinen, rechtsorientierten Parteien. Vor allem im Umfeld der nordrhein-westfälischen FDP waren die Bemühungen einstiger NS-Eliten um politischen Einfluss weit gediehen. Insbesondere Friedrich Middelhauve versammelte in seinem Landesverband eine Reihe ehemals prominenter Nationalsozialisten um sich.

Im Mittelpunkt stand der ehemalige Staatssekretär im Reichspropagandaministerium, Werner Naumann. Eine enge Verbindung bestand zur Düsseldorfer FDP um Ernst Achenbach, einem Anwalt, der ehemalige Nationalsozialisten verteidigte. Achenbach vermittelte den ehemaligen hauptamtlichen HJ-Führer Heinz Wilke, der als Landesgeschäftsführer angestellt wurde. Siegfried Zoglmann, ehemals Mitglied der Reichsjugendführung, leitete die von Middelhauve herausgegebene rechtslastige Wochenschrift "Die deutsche Zukunft''. Postuliert wurde darin eine "Pflicht nach rechts''. Hinter Achenbach und Middelhauve stand als Geldgeber der Mülheimer Industrielle Hugo Stinnes. Auch Werner Best, bis 1940 Vizechef des Reichssicherheitshauptamtes und später "Reichsbevollmächtigter'' in Dänemark, war diesem Kreis auf besondere Weise verbunden. Er fungierte als "Rechtsberater des Landesverbandes''. Best war Kopf und Organisator der Generalamnestie-Kampagne. In Bests Büro in der Kanzlei Achenbach liefen viele Fäden zusammen. Diese Gruppe innerhalb der Landes-FPD legte sogar ein Programm vor, das eine klare Absage an den demokratischen Liberalismus enthielt. Auf dem Bundesparteitag in Bad Ems im November 1952 konnten sich die Rechten gegen das Hamburger "Liberale Manifest'' nicht durchsetzen. Aber immerhin wurde Middelhauve stellvertretender Parteivorsitzender. Doch erst nach der Verhaftung Naumanns sowie sieben weiterer Angehöriger seines "Kreises'' durch die britische Militärpolizei begann sich der rechte Spuk aufzulösen.

Achenbach übernahm die Verteidigung Naumanns. Als ihm vorgeworfen wurde, als Botschaftsangehöriger in Paris Judendeportationen mit organisiert zu haben, endete auch Achenbachs Karriere. Der Versuch, eine nationalistische Sammlungspartei auf der Grundlage einer scharf nach rechts verlagerten FDP zu schaffen, war damit endgültig gescheitert. Aber dies war das Umfeld, in dem sich der junge FDP-Politiker Lambsdorff damals zwangsläufig bewegte. Als ein Anhänger des rechten Flügels ist er nicht hervorgetreten, wenn man davon absieht, dass er sich gegen Pauschalurteile über die Waffen-SS wehrte.

Stuttgarter Zeitung 25.8.99

Gerüchte aus brauner Vorzeit:
Otto Graf Lambsdorff soll in den fünfziger Jahren mit Alt-Nazis paktiert haben - Belege für diesen Vorwurf finden sich nicht

Die Verhandlungen über die Entschädigung der Holocaust-Opfer werden noch schwieriger: Das Auschwitz-Komitee fordert die Entlassung von Otto Graf Lambsdorff, der seit Juli als deutscher Koordinator bei den Verhandlungen fungiert. Der frühere Wirtschaftsminister habe sich als Bezirksvorsitzender der FDP 1952/53 "zum politischen Helfershelfer von Nazi-Kriegsverbrechen gemacht": Er sei mit dem früheren SS-Führer Werner Best öffentlich aufgetreten, habe einen flüchtigen NS-Kriegsverbrecher getroffen und eine Amnestie für NS-Kriegsverbrecher verlangt. Lambsdorff erklärte im Spiegel, die Vorwürfe seien eine "Mischung aus Dichtung und Wahrheit". Er sei nicht mit Best aufgetreten und könne sich an das Treffen mit dem Kriegsverbrecher nicht erinnern.

Es sind Gerüchte und Geschichten aus einer alten Zeit. Historisch belegt ist, dass die nordrhein-westfälische FDP, in der damals Lambsdorff seine Karriere begann, ein Hort der Nationalkonservativen war. Mit dem "Deutschen Programm" sollte auch die äußerste Rechte eingebunden werden. Der US-Historiker Kurt P. Tauber schätzt, dass "fast 90 Prozent" der Düsseldorfer Parteifunktionäre eine führende Rolle bei den Nazis gespielt hatten.

Als Spinne im Netz fungierte der ehemalige SS-Führer Werner Best - einst rechte Hand von SS-Chef Himmler und dem Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, Heydrich. Best hatte das Amt mit aufgebaut, die Morde der Einsatzgruppe in Polen koordiniert und gehörte zu den Ideengebern der Endlösung. Während der letzten zweieinhalb Jahre des Zweiten Weltkrieges war er Reichsbevollmächtigter in Kopenhagen. Dort wurde er 1950 zu zwölf Jahren Haft verurteilt, kam aber auf Drängen einflussreicher deutscher Kreise 1951 frei. Auf Vermittlung des Mülheimer Industriellen Hugo Stinnes Jr. war Best von dem damaligen FDP-Landtags- und späteren Bundestagsabgeordneten Ernst Achenbach verteidigt worden. Der Gestapo-Organisator Best wurde Rechtsberater des FDP-Landesverbandes und organisierte im Schulterschluss mit der NRW-FDP eine Amnestiekampagne - "zur Liqidation der politischen Strafsachen einer abgeschlossenen Epoche". Er kämpfte aus Achenbachs Büro gegen die "Siegerjustiz", förderte die Wiedereingliederung von Gestapo-Beamten in den Öffentlichen Dienst und organisierte "Kameradenhilfe" für SS-Offiziere. Der furchtbare Jurist Best wurde später Direktor bei Stinnes. Als die Berliner Entnazifizierungskammer 70 000 Mark "Sühnegeld" gegen ihn verhängte und Best nicht zahlte, verweigerte das FDP-geleitete Düsseldorfer Finanzministerium den Berlinern die Amtshilfe.

Und Lambsdorff? In den Büchern der Historiker, wie im Standardwerk von Ulrich Herbert über Best, spielt er keine Rolle. Als Best die FDP heimsuchte, war Lambsdorff erst 25 Jahre alt. Er trat im Mai 1951 in die Partei ein, erhielt 13 Monate später seinen Doktortitel und die Aachener FDP wählte ihn rasch in den Vorstand. Als im Januar 1953 der britische Hochkommissar sieben NS-Geheimbündler festnehmen ließ, weil sie versucht hätten, die FDP zu unterwandern, konnte die damals rechte Aachener FDP von der Bundespartei nur mühsam davon abgebracht werden, eine Protestkundgebung zu organisieren. Der im Krieg schwer verletzte Graf Lambsdorff stand aber in seiner späteren politischen Karriere nie im Ruch, mit den Ewiggestrigen zu paktieren.

Hans Leyendecker

Süddeutsche Zeitung 23.8.99

haGalil 08-99

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