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Kontingentflüchtlinge:
An der Sisyphusarbeit nicht verzweifeln

Kontingentflüchtlinge. Nach einigen Monaten Ruhe, kommen sie nun wieder nach Weiden. Der Grund für die Ruhe: die Regierungsaufnahmestelle im ehemaligen Camp Pitman ist für Flüchtlinge aus dem Kosovo gebraucht worden. Nun gehen diese wieder in ihre Heimat zurück.

Gabi Brenner ist im Endjahres-Stress. Die jüdische Gemeinde feiert am 12. September das Neujahrsfest. Und so kurz vor Jahresende sind nun erneut Kontingentflüchtlinge in das "Lager" an der Frauenrichter Straße gebracht worden. Lager nennt es Brenner deshalb, weil sie "Regierungsaufnahmestelle für Flüchtlinge" als Euphemismus empfindet und sie die "Situation" dort als "einfach furchtbar" einschätzt.


Wie Feuer und Wasser
Als im April dieses Jahres die Kosovo-Albaner in die Regierungsaufnahmestelle kamen, waren dort noch einige Kontingentflüchtlinge. In den Augen der Albaner sind dies Russen, die bekanntlich mit den Serben, den Todfeinden der Kosovaken, sympathisieren. Brenner organisierte eilends einen Gesprächskreis und verhinderte so eine mögliche und wahrscheinliche Eskalation.

Doch auch die Regierung versuchte, Problemen aus dem Weg zu gehen, indem sie einen Großteil der Kontingentflüchtlinge schnellstens in das Übergangswohnheim an der Gabelsberger Straße umsiedelte. Im Juni haben viele Kontingentflüchtinge Weiden verlassen. Die meisten gingen in Großstädte. Hier hat Brenner, die in regem Schriftwechsel mit dem bayerischen Innenminister Dr. Günter Beckstein steht, bereits angemahnt, dass sich in Großstädten, wie beispielsweise in Nürnberg, regelrechte "Russen-Ghettos" bilden.

Dass die Menschen aus den unterschiedlichsten Landstrichen kommen, macht die Sache nicht einfacher. Flüchtlinge, die beispielsweise aus Moskau kommen oder aber aus Usbekistan haben eine völlig andere Mentalität. Alle Kontingentflüchtlinge kommen aus Metropolen - "und dann nach Weiden. Das ist ein Schock!". Und darin sieht Brenner auch den Grund, dass sehr viele Menschen versuchen, nach dem Erledigen der Formalitäten etc. möglichst bald in Großstädte abzuwandern. Aber das machen nicht alle - zumindest nicht freiwillig. Vielen gefiele es hier durchaus, nachdem sie sich über einige Zeit eingelebt hätten, aber sie haben in unserem Landstrich kaum eine Chance, einen Beruf zu bekommen.


Monatsarbeit in einer Woche

Die 27 Menschen, die am Mittwoch in Weiden angekommen sind, werden derzeit vom Vorstand der jüdischen Gemeinde betreut. Die beiden Sozialarbeiterinnen, welche die jüdische Gemeinde zu jeweils einem Drittel selbst finanziert, sind derzeit in Urlaub. Und auch bei der Stadt Weiden, beim Sozialamt, war die Nachricht, dass nun erneut Kontingentflüchtlinge kommen, kein Anlass zum Freundenschrei. "Wie? So viele", so berichtet Brenner, haben auch die gefragt, warum nun in den Ferien die jüdische Gemeinde die Flüchtlinge "nach Weiden holt". Doch das sei ein Denkfehler, denn die jüdische Gemeinde hole bei weitem nicht die Flüchtlinge, sondern sie werden ihr zugewiesen. Und in den kommenden Wochen wird es damit weitergehen. Wie Brenner mitteilte, habe ihr ein Beamter der Regierung gesagt, dass die Oberpfalz im Hintertreffen mit der Aufnahme von Kontingentflüchtlingen sei und die weiteren Aufnahmelager in Regensburg und Amberg seien bereits gefüllt . . .30 weitere Menschen sollen kommen.

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Gabi Brenner, die Vorsitzende der
Jüdischen Gemeinde Weiden, hat
viel zu tun: Am Mittwoch kamen,
nach einer Pause, bedingt durch
die Aufnahme von Kosovo-Albanern
in die Regierungsaufnahmestelle
an der Frauenrichter Straße, erst-
mals wieder sogenannte Kontingent-
flüchtlinge. In den nächsten Tagen
werden weitere Flüchtlinge erwartet. 

Foto: Schönberger

Während nun in den vergangenen Monaten von April an die Arbeit relativ ruhig war, scheint es nun so, als ob alles innerhalb von ein paar Wochen nachgeholt werden müsse. "Das, was bisher in zwei Monaten kam, kommt nun in einer Woche", sagt Brenner.

"Mit einer Minderheit kann man keine Mehrheit integrieren", lautet der Standardsatz von Gabi Brenner, den sie bereits zu Zeiten einer Kohl´schen Regierung prägte und der auch unter rot-grün in Bonn weiter uneingeschränkt gelte.

Die jüdische Gemeinde bekommt kaum Einnahmen aus Kirchensteuern. Die Kontingentflüchtlinge sind Sozialhilfeempfänger. Doch der Freistaat greift der jüdischen Gemeinde in Weiden hier unter die Arme. Laut dem Staatsvertrag, den der Freistaat im Jahr 1996 mit der Landesvertretung geschlossen hat, bekommt die jüdische Gemeinde in Weiden einen sechsstelligen Betrag. Doch auch die Gemeindearbeit muss weitergehen. So stehen in diesem Jahr beispielsweise die Kosten für den Friedhof beim Eisstadion an, der auf Erbpachtbasis von der Stadt gepachtet ist, und die Steuern und Abgaben dafür müssen gezahlt werden.


Gemeindehaus muss warten
Deshalb hat Gabi Brenner ihr Projekt, ein neues Gemeindehaus zu bauen, erst einmal eingefroren. Zwar hätte es Gelder von der Bayerischen Landesstiftung gegeben, aber da die Restfinanzierung noch völlig in den Sternen stehe, sei auch aus der vorsichtigen Andeutung einer Finanzierungszusage nichts geworden. "Ich bin darüber gar nicht mehr so unglücklich. Ich würde das auch psychisch nicht mehr schaffen!", sagt die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde.

Im Rückblick auf die vergangenen Jahre (seit dem Jahr 1994 sind über 770 Kontingentflüchtlinge betreut worden) ist Brenner recht zufrieden mit der Arbeit. Auch dass nunmehr Rabbiner Michael Leipziger zumindest halbjährlich in Weiden weilt, auch damit, dass durch Leipziger und dessen Vertretungen viele internationale Kontakte geschaffen worden sind. "Das macht die Arbeit spannend und interessant", sagt Gabriele Brenner. "Da kriegt man viel mehr Strömungen rein."


Konservative Gemeinde
Die Weidener Gemeinde bezeichnet sie als "konservativ" und erzählt den Witz, woran man eine Gemeinde einschätzen könne: "Woran erkennst Du, wenn Du zu einer jüdischen Hochzeit kommst, um welche Art von Juden es sich handelt? Nun, ist die Mutter der Braut schwanger, dann bist Du bei Orthodoxen, ist die Braut schwanger bei Konservativen und ist der Rabbi schwanger, dann bei Fortschrittlichen."

Die Kontingentflüchtlinge, die aus den GUS-Staaten kommen, haben zumeist keinen Kontakt mit dem Judentum. Und auch die in den vergangenen Jahren vermehrt sich bildenden jüdischen Gemeinden in den GUS-Staaten seien für sie zumeist wenig anziehend, da orthodox.


Kaum Berührung mit Glauben
Die Weidener Gemeinde sei für viele ein erster Zufluchtsort in einer neuen, gänzlich unbekannten Welt. Mit einer Reihe von Veranstaltungen versucht Brenner, die Menschen auf das neue Leben vorzubereiten und gleichzeitig versucht sie, beispielsweise mit dem Angebot eines russischen Fernsehabends, den Menschen ihre Wurzel zur alten Heimat aufrecht erhalten zu lassen. Das zeitigt auch Folgen für die Gemeinde: Einige der Menschen bekommen erstmals einen Kontakt zur Religion und engagieren sich peu á peu mehr in der Gemeinde. "Viele sehen in der Gemeinde ein Nest", sagt Brenner.

Trotzdem, das Nest müssen die meisten verlassen - wenn auch schweren Herzens. So hat zum Beispiels jüngst eine Malerin Weiden verlassen müssen, da sie nur in München die Chance hatte, in ihrem Beruf zu arbeiten. Sie sagte: "Weiden ist von der Seele her das Richtige." "Und so etwas", so sagt Brenner "tut mir am meisten weh, wenn ich weiß, die Leute würden am liebsten hier bleiben."

erarbeitet von Dennstedt, Walter

Artikel Aug 26, 1999
MDV-Gruppe Regensburg

haGalil onLine 30-08-1999

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