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M. Marburg
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Israel

Juden im Iran:
Der Weg nach Schiraz

Vier Jahre lang unterhielt der iranische Geheimdienst inoffizielle Kontakte zu einem Vertreter der iranisch-jüdischen Gemeinde Londons. Versuche, über diesen Kanal zu einer Freilassung der dreizehn in Schiraz inhaftierten Juden zu gelangen, scheiterten jedoch bislang. Ein anberaumtes Treffen zwischen einem hohen Vertreter der jüdischen Gemeinde (WELCHER?) und dem Sohn des ehemaligen iranischen Präsidenten Rafsanjani erscheint dagegen vielversprechend.

Mitte August wurde in den iranischen Medien die Nachricht vom Abschluß der polizeilichen Untersuchungen gegen die 13 im iranischen Schiraz inhaftierten Juden verbreitet. Den Verhafteten wird Spionage und Schmuggel zur Last gelegt. Der Versuch, zu verstehen, was wirklich hinter den Festnahmen steht, führen, unter anderem, vier Jahre zurück. Damals begann der iranische Geheimdienst, Kontakt mit Führern persisch-jüdischer Gemeinden in aller Welt zu suchen. Noch heute rätseln israelische Agenten, wer den Befehl dazu gab. Vermutungen führen zu Ali Palahian, der zu jener Zeit Leiter des Geheimdienstes war und heute den geistigen Führer Irans, Ali Hameni, in nachrichtendienstlichen Angelegenheiten berät.

Ein hoher Geheimdienstoffizier, Hussein Sadersadan, wurde mit der Kontaktaufnahme beauftragt. Sein erstes Ziel war die größte persisch-jüdische Gemeinde der Welt in Los Angeles. Der Versuch scheiterte, aber über einen Mittelsmann wurde der Kontakt zu einem Londoner Rechtsanwalt namens Hamid Sabi hergestellt. Sabi werden gute Beziehungen zu einflußreichen Juden weltweit nachgesagt.

Die beiden trafen sich mehrere Male pro Jahr, während sich Sadersadan beruflich in London aufhielt. Während dieser Zusammenkünfte, die entweder im Büro des Iraners oder in gehobenen Restaurants stattfanden, gelang es Sabi nicht, den Grund für die Kontaktaufnahme des iranischen Geheimdienstes mit den jüdischen Gemeinden der Welt zu erfahren. Bis heute gibt es über den wahren Grund nur Vermutungen. Vielleicht erhofften sich die Iraner, wie einst Erich Honecker in den letzten Tagen der DDR, mit Hilfe der vermeintlich "einflußreichen jüdischen Lobby" in Washington die bilateralen Beziehungen zu den USA zu verbessern, vielleicht sollten die Kontakte zu einer Entspannung zwischen der jüdischen Gemeinde im Iran und der Staatsführung beitragen. Die Spekulationen in Israel gehen sogar soweit, die Angst der regierenden Politiker vor einem Sturz und dem Ende der islamischen Republik und den damit verbundenen Wunsch nach guten Beziehungen zu westlichen Kreisen als Grund zu vermuten.

Die wenigen Diplomaten, die in die geheimen Beziehungen involviert waren, bezeichnen diese als "teilweise effektiv". Bis vor vier Jahren war es jüdischen Familien verboten, aus dem Iran auszuwandern. Auf Bitten Sabis erteilte Sadersadan einigen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde die Erlaubnis, den Iran zu verlassen, um sich um Ausland mit ihren Familien zu vereinigen. Auch trug sein Einfluß zur Verbesserung der Lebensqualität vieler Juden bei. Trotzdem wurden in den vier Jahren, während der der Kontakt andauerte, vier oder fünf Juden im Iran wegen diverser Vergehen, wie Spionage oder unerlaubtem Grenzübertritt, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die Beziehungen, die selbst vor den jüdischen Gemeinden Englands verheimlicht wurden, konnten ihnen nicht helfen.

Mit Kipoth können wir uns nicht abfinden

Im August 1998 kam es zu heftigen Auslassungen des Iraners während eines Treffens der beiden in London. "Wir haben ein Problem mit der jüdischen Gemeinde in Schiraz", berichtete Sadersadan, "die 3.000 Juden dort sind weitaus religiöser als die restlichen 25.000 Juden des Landes. Sie tragen ihr Judentum offen zur Schau, so penetrant, daß wir uns nicht damit abfinden können. Sie laufen mit ihren Kippot (Kopfbedeckung religiöser Juden, d.V.) herum, beten mehrmals am Tag in der Synagoge und stehen in Verbindung mit jüdisch-persischen Gemeinden in Israel und den USA. Diese schicken ihnen Gebetbücher und anderes mehr. Wenn Ihr sie nicht zügelt, werden wir das tun." Zu den Namen die er damals nannte gehörten auch vier, die acht Monaten später unter Spionagevorwurf verhaftet wurden. Sabi übermittelte die Drohung an die Gemeinde in Los Angeles, von wo aus sie an den Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Teheran, Pervis Yashya, weitergeleitet wurde.

Yashya traf sich daraufhin mit Vertretern der Synagogengemeinde aus Schiraz, die der Warnung allerdings keine Beachtung schenkten. Der Grund dafür lag in der umstrittenen Person Yashyas. Das israelische Außenministerium prüft derweil Vorwürfe aus den Reihen der jüdischen Gemeinde Irans, nach denen Yashya mit dem iranischen Geheimdienst kollaboriert haben soll. Außerdem wird er des Verrats an einer Jugendgruppe verdächtigt, die in einer nächtlichen Aktion die Grenze zur Türkei überschreiten wollten. Yashya wies damals wie heute alle Vorwürfe strikt zurück, aber das Vertrauen der Juden Irans hat er verloren.

Im April diesen Jahres wurden dann 13 Juden in Schiraz verhaftet. Die Nachricht erreichte innerhalb weniger Stunden die Verwandten der Gefangenen in Israel und die Gemeinde in Los Angeles. Dort begannen sofort hektische Aktivitäten. Auf Drängen aus Los Angeles, bat Sabi Sadersadan zu einem dringenden Treffen in London. "Sie wollten nicht auf unsere Warnung hören, deshalb wurden sie verhaftet. Jetzt werden sie angeklagt." Sabi konfrontierte ihn mit Vorwürfen, das der eigentliche Grund für die Verhaftungen der andauernde Machtkampf zwischen dem als liberal geltenden Präsidenten des Iran, Hatami, und seinen fundamentalistischen Widersachern ist, in dem letztere mit der Festsetzung der 13 Juden ein Zeichen gegen religiöse Toleranz und Liberalismus setzen wollten.

Wachsender Einfluss antisemitischer Kreise

Auch die Untersuchungen Frank Nickbechts, eines Mitarbeiter des in Los Angeles beheimateten "Komitees zur Wahrung der Minderheitenrechte im Iran", präsentierte Sabi während der Unterredung. Dieser untersuchte in den vergangenen Jahren die Situation der jüdischen Gemeinde im Iran. "Ich entdeckte zahlreiche antisemitische Veröffentlichungen, sowohl private als auch offizielle. Einige waren dem Antisemitismus der Nationalsozialisten nachempfunden, andere können als "normaler moslemischer Judenhass" bezeichnet werden." In einer von ihm veröffentlichen Studie führt Nickbecht vieler dieser Fälle auf. Seine Schlußfolgerung: die Juden wurden wegen des wachsenden Einflusses antisemitischer Kreise verhaftet. Sadersadan stritt alle diese Vorwürfe ab und versprach seinem Gegenüber, die verhafteten Juden würden mit einer leichten (???) Strafe davonkommen, wenn die internationalen Medien nicht über die Affäre berichteten. Im Mai fanden zwei weitere Treffen statt, bei denen Sadersadan sogar eine baldige Freilassung der Juden zugesagt haben soll. Sabi wollte während eines Telefonates aus London, keine Einzelheiten über seine Kontakte zu iranischen Politikern preisgeben.

Während sich Sabi noch um Sadersadan bemühte, brach in der iranisch-jüdischen Gemeinde der USA ein Streit darüber aus, wie man in der Affäre verfahren solle. Einige forderten, die Angelegenheit zu veröffentlichen, um dann durch Medien, Menschenrechtsorganisationen und Politiker Druck auf die iranische Führung auszuüben. In diese Diskussion schaltete sich sogar Yashya aus Teheran ein, der um Geheimhaltung der Verhaftungen bat. Die zwei Dachorganisationen iranischer Juden in den USA waren über das weitere Vorgehen zerstritten. Die Föderation iranischer Juden sprach sich für stille Diplomatie aus, der Rat iranisch-jüdischer Organisationen votierte für eine Veröffentlichung der Affäre. Poya Daynim ist Sprecher des Rates: "Es ist nicht möglich, über die Verhaftung von 13 Juden stillschweigend zur Tagesordnung überzugehen. In den letzten Jahren haben wir auf diese Weise versucht, inhaftierten Juden im Iran zu helfen. Vier oder gar fünf sich hingerichtet worden. Es hat also keinen Sinn, länger stillzuhalten."

Einer endgültigen Entscheidung kam die französische Nachrichtenagentur zuvor, die am 30. Mai von der Verhaftung der Juden in Schiraz berichtete. Möglicherweise steht eine jüdische Organisation in Frankreich hinter der Publikmachung. Am gleichen Tage rief Sadersadan bei Sabi in London an und teilte ihm mit, daß er aufgrund der Veröffentlichung nun keinen Weg mehr sehe, den 13 Juden zu helfen, sie nun im Gegenteil der Gefährdung der nationalen Sicherheit angeklagt würden. Ein Vergehen, auf das im Iran die Todesstrafe steht. Seitdem hatte Sabi keinen Kontakt mehr zu dem Geheimdienstler.

Der Rat der iranisch-jüdischen Organisationen der USA begann nun seinerseits, den Kontakt zu führenden iranischen Politikern in dieser Angelegenheit zu suchen. Als Erfolg der Bemühungen wertet der Rat eine Rede des Präsidenten Hatami, die dieser einige Tage nach Bekanntmachung der Affäre hielt. Er ging mit keinem Wort auf die Verhaftungen ein, unterstrich allerdings, daß alle Minderheiten im Iran das Recht hätten, in Frieden und Gerechtigkeit zu leben. Nach Ansicht westlicher Beobachter wollte Hatami mit seinen Worten andeuten, daß er sich der Angelegenheit bewußt ist, ihm aber die Hände gebunden sind. Auch die iranischen Kontaktmänner des Rates betonten, daß sie keinen Einfluß auf den Verlauf des Prozesses haben.

Nach der erstmaligen Veröffentlichung entschied sich die jüdische Gemeinde der USA, dem Iran zu signalisieren, daß man über die Verhaftungen eben nicht zur Tagesordnung übergehen, sondern im Gegenteil internationalen Druck initiieren werde. Brad Sherman, Mitglied des Jewish Congress, warnte die iranische Führung vor den Folgen ihres Handelns in einem Interview der persischen "Voice of America", ebenso Poya Daynim in der BBC. Zwei Tage nach Daynims Interview wurden die 13 Juden der Spionage angeklagt und die Affäre erhielt weltweite Aufmerksamkeit.

Die Föderation beschuldigte daraufhin den Sprecher des Rates iranisch-jüdischer Organisationen, für die Verschärfung der Lage der Inhaftierten verantwortlich zu sein. Dieser streitet dies ab. Vielmehr sei die Anklage zur Zeit des Interviews bereits vorbereitet gewesen, nachdem die iranischen Sicherheitskräfte nach Angaben von Familienmitgliedern der Inhaftierten mit Hilfe physischer und psychischer Folter Geständnisse erpresst hatten. Ein Mann erzählt, daß sein inhaftierter Bruder ihn nicht sehen wollte, weil er ein "Agent des Zionismus" sei.

Die Fortsetzung ist bekannt: die Presse weltweit schenkte der Affäre große Aufmerksamkeit, die die Einmischung vieler Staaten, auch solche, denen gute Beziehungen zum Iran nachgesagt werden, wie Deutschland, Japan und Italien, nach sich zog. Aber neben den öffentlichen Demonstrationen jüdischer Studenten in Paris und der Petition der Repräsentenhauses der USA, die die sofortige Freilassung der 13 fordert, wurde auch die Geheimdiplomatie verstärkt, um zu einer Lösung zu kommen. Von jüdischer Seite wurden viele Wege beschritten, um mit der Revolutionsregierung des Iran in Kontakt zu gelangen, die meisten damit verliefen im Sand.

Islamische Gerechtigkeit?

Schließlich konzentrierten sich die Anstrengung auf den ehemaligen Präsidenten des Iran, Rafsanjani, der noch heute Schlüsselpositionen innerhalb des Teheraner Machtapperates besetzt und als Vertrauter Haminais gilt, der grauen Eminenz des Justiz- und Sicherheitssystem des Iran. Seine Intervention könnte das Los der 13 Juden entscheidend erleichtern. An Rafsanjani hoffte man mit Hilfe einer nichtjüdischen Iranerin zu gelangen, die in Los Angeles wohnt und durch ihren Teppichimport geschäftliche Beziehungen zu dessen Sohn unterhält. Außerdem gilt sie als Vertraute von Dr. Sadatyan, einem langjährigen Mitarbeiter Rafsanjanis. Über die Geschäftsfrau wurde ein Brief an den früheren Präsidenten geschickt, in dem ihm die negativen Folgen der Affäre dargelegt wurden. Dies sei die Gelegenheit, zu beweisen, daß es "islamische Gerechtigkeit" wirklich gäbe. Sollten die Juden freigelassen werden, würden die Absender des Briefes die Angelegenheit für erledigt erklären.

Die Antwort, die die iranischen Juden in Los Angeles im Namen Rafsanjanis erhielten, war knapp und kühl. "Was Sie vorschlagen, ist nicht das, was wir wünschen. Sie sollten sich überlegen, was Sie wirklich für das Land Ihrer Geburt tun können." Was genau er damit meinte, elaborierte der iranische Politiker nicht. Experten schätzen, daß es in seiner Absicht lag, die "jüdische Lobby" in den USA zu einem stärkeren Eintreten zugunsten Irans zu bewegen. In Teheran sieht man nämlich Juden hinter der Verzögerung der Auszahlung eines Kredites der Weltbank an die Islamische Republik. Aber auch der iranischen Regierung war klar, daß sie die Freilassung der Juden nicht mit der endgültigen Auszahlung der Mittel verbinden könne. Ansonsten wären die Minderheiten im Iran bei jeder weiteren Verzögerung Geisel der Regierung, ein Geschäft, auf das sich niemand einlassen würde. Rafsanjani deutete allerdings an, die Juden könnten freikommen, sollten "jüdische Kreise im Westen" beim Aufbau eines direkten Kontaktes zwischen iranischer Regierung, dem Weißen Haus und der Leitung der Weltbank behilflich sein.

Die nächste Nachricht erreichte die jüdisch-iranische Gemeinde Los Angeles am 2. August. Darin kündigten der Sohn Rafsanjanis und einer seiner Vertrauten einen Besuch in Belgien zwei Tage später an und schlugen dort ein Treffen mit zwei hohen Vertretern der jüdischen Gemeinde der USA vor. Ziel der Unterredung, die letztendlich nicht zustande kam, war die Klärung der beiderseitigen Forderungen und Angebote. Nun wird fieberhaft nach einem Termin für ein neues Treffen gesucht, auf das sich viele Hoffnungen konzentrieren.

Poya Daynim: "Mitte August hörten wir aus dem Iran, daß innerhalb weniger Tage die Anklageschrift gegen die 13 Juden vorgelegt werden soll. Für uns ist es sehr wichtig, daß sie von guten und unabhängigen Rechtsanwälten vertreten werden und daß internationale Beobachter bei dem Prozeß zugegen sind. Wir müssen den offiziellen Druck auf den Iran verschärfen, denn die Vergangenheit hat gezeigt, daß sich die iranische Regierung von internationalem Druck beeindrucken läßt. Vor wenigen Jahren organisierten Iraner in den USA einen Protest gegen die grausame Behandlung der Haustiere im Iran, die sich seitdem gebessert hat. Die internationale jüdische Gemeinde kann es sich nicht erlauben, in dieser Affäre zu verlieren. Das würde die Angst der iranischen Regierung vor der "mächtigen jüdischen Lobby" verringern und die Situation der Juden im Land weiter verschlechtern."

Hintergrundinformationen:
[Petition] - [Aufruf zur T'filah] - [A farewell gift from Yazdi]

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