M. Marburg
ISR-97665 Jerusalem
Israel
Juden im Iran:
Der Weg nach Schiraz
Vier Jahre lang unterhielt der
iranische Geheimdienst inoffizielle Kontakte zu einem Vertreter der
iranisch-jüdischen Gemeinde Londons. Versuche, über diesen Kanal zu einer
Freilassung der dreizehn in Schiraz inhaftierten Juden zu gelangen,
scheiterten jedoch bislang. Ein anberaumtes Treffen zwischen einem hohen
Vertreter der jüdischen Gemeinde (WELCHER?) und dem Sohn des ehemaligen
iranischen Präsidenten Rafsanjani erscheint dagegen vielversprechend.
Mitte August wurde in den iranischen
Medien die Nachricht vom Abschluß der polizeilichen Untersuchungen gegen die
13 im iranischen Schiraz inhaftierten Juden verbreitet. Den Verhafteten wird
Spionage und Schmuggel zur Last gelegt. Der Versuch, zu verstehen, was
wirklich hinter den Festnahmen steht, führen, unter anderem, vier Jahre
zurück. Damals begann der iranische Geheimdienst, Kontakt mit Führern
persisch-jüdischer Gemeinden in aller Welt zu suchen. Noch heute rätseln
israelische Agenten, wer den Befehl dazu gab. Vermutungen führen zu Ali
Palahian, der zu jener Zeit Leiter des Geheimdienstes war und heute den
geistigen Führer Irans, Ali Hameni, in nachrichtendienstlichen
Angelegenheiten berät.
Ein hoher Geheimdienstoffizier,
Hussein Sadersadan, wurde mit der Kontaktaufnahme beauftragt. Sein erstes
Ziel war die größte persisch-jüdische Gemeinde der Welt in Los Angeles. Der
Versuch scheiterte, aber über einen Mittelsmann wurde der Kontakt zu einem
Londoner Rechtsanwalt namens Hamid Sabi hergestellt. Sabi werden gute
Beziehungen zu einflußreichen Juden weltweit nachgesagt.
Die beiden trafen sich mehrere Male
pro Jahr, während sich Sadersadan beruflich in London aufhielt. Während
dieser Zusammenkünfte, die entweder im Büro des Iraners oder in gehobenen
Restaurants stattfanden, gelang es Sabi nicht, den Grund für die
Kontaktaufnahme des iranischen Geheimdienstes mit den jüdischen Gemeinden
der Welt zu erfahren. Bis heute gibt es über den wahren Grund nur
Vermutungen. Vielleicht erhofften sich die Iraner, wie einst Erich Honecker
in den letzten Tagen der DDR, mit Hilfe der vermeintlich "einflußreichen
jüdischen Lobby" in Washington die bilateralen Beziehungen zu den USA zu
verbessern, vielleicht sollten die Kontakte zu einer Entspannung zwischen
der jüdischen Gemeinde im Iran und der Staatsführung beitragen. Die
Spekulationen in Israel gehen sogar soweit, die Angst der regierenden
Politiker vor einem Sturz und dem Ende der islamischen Republik und den
damit verbundenen Wunsch nach guten Beziehungen zu westlichen Kreisen als
Grund zu vermuten.
Die wenigen Diplomaten, die in die
geheimen Beziehungen involviert waren, bezeichnen diese als "teilweise
effektiv". Bis vor vier Jahren war es jüdischen Familien verboten, aus dem
Iran auszuwandern. Auf Bitten Sabis erteilte Sadersadan einigen Mitgliedern
der jüdischen Gemeinde die Erlaubnis, den Iran zu verlassen, um sich um
Ausland mit ihren Familien zu vereinigen. Auch trug sein Einfluß zur
Verbesserung der Lebensqualität vieler Juden bei. Trotzdem wurden in den
vier Jahren, während der der Kontakt andauerte, vier oder fünf Juden im Iran
wegen diverser Vergehen, wie Spionage oder unerlaubtem Grenzübertritt, zum
Tode verurteilt und hingerichtet. Die Beziehungen, die selbst vor den
jüdischen Gemeinden Englands verheimlicht wurden, konnten ihnen nicht
helfen.
Mit Kipoth können wir uns nicht
abfinden
Im August 1998 kam es zu heftigen
Auslassungen des Iraners während eines Treffens der beiden in London. "Wir
haben ein Problem mit der jüdischen Gemeinde in Schiraz",
berichtete Sadersadan, "die 3.000 Juden dort sind weitaus religiöser
als die restlichen 25.000 Juden des Landes. Sie tragen ihr Judentum offen
zur Schau, so penetrant, daß wir uns nicht damit abfinden können. Sie laufen
mit ihren Kippot (Kopfbedeckung religiöser Juden, d.V.) herum, beten
mehrmals am Tag in der Synagoge und stehen in Verbindung mit
jüdisch-persischen Gemeinden in Israel und den USA. Diese schicken ihnen
Gebetbücher und anderes mehr. Wenn Ihr sie nicht zügelt, werden wir das tun."
Zu den Namen die er damals nannte gehörten auch vier, die acht Monaten
später unter Spionagevorwurf verhaftet wurden. Sabi übermittelte die Drohung
an die Gemeinde in Los Angeles, von wo aus sie an den Präsidenten der
jüdischen Gemeinde in Teheran, Pervis Yashya, weitergeleitet wurde.
Yashya traf sich daraufhin mit
Vertretern der Synagogengemeinde aus Schiraz, die der Warnung allerdings
keine Beachtung schenkten. Der Grund dafür lag in der umstrittenen Person
Yashyas. Das israelische Außenministerium prüft derweil Vorwürfe aus den
Reihen der jüdischen Gemeinde Irans, nach denen Yashya mit dem iranischen
Geheimdienst kollaboriert haben soll. Außerdem wird er des Verrats an einer
Jugendgruppe verdächtigt, die in einer nächtlichen Aktion die Grenze zur
Türkei überschreiten wollten. Yashya wies damals wie heute alle Vorwürfe
strikt zurück, aber das Vertrauen der Juden Irans hat er verloren.
Im April diesen Jahres wurden dann 13
Juden in Schiraz verhaftet. Die Nachricht erreichte innerhalb weniger
Stunden die Verwandten der Gefangenen in Israel und die Gemeinde in Los
Angeles. Dort begannen sofort hektische Aktivitäten. Auf Drängen aus Los
Angeles, bat Sabi Sadersadan zu einem dringenden Treffen in London. "Sie
wollten nicht auf unsere Warnung hören, deshalb wurden sie verhaftet. Jetzt
werden sie angeklagt." Sabi konfrontierte ihn mit Vorwürfen, das der
eigentliche Grund für die Verhaftungen der andauernde Machtkampf zwischen
dem als liberal geltenden Präsidenten des Iran, Hatami, und seinen
fundamentalistischen Widersachern ist, in dem letztere mit der Festsetzung
der 13 Juden ein Zeichen gegen religiöse Toleranz und Liberalismus setzen
wollten.
Wachsender Einfluss
antisemitischer Kreise
Auch die Untersuchungen Frank
Nickbechts, eines Mitarbeiter des in Los Angeles beheimateten "Komitees zur
Wahrung der Minderheitenrechte im Iran", präsentierte Sabi während der
Unterredung. Dieser untersuchte in den vergangenen Jahren die Situation der
jüdischen Gemeinde im Iran. "Ich entdeckte zahlreiche antisemitische
Veröffentlichungen, sowohl private als auch offizielle. Einige waren dem
Antisemitismus der Nationalsozialisten nachempfunden, andere können als
"normaler moslemischer Judenhass" bezeichnet werden." In einer von
ihm veröffentlichen Studie führt Nickbecht vieler dieser Fälle auf. Seine
Schlußfolgerung: die Juden wurden wegen des wachsenden Einflusses
antisemitischer Kreise verhaftet. Sadersadan stritt alle diese Vorwürfe ab
und versprach seinem Gegenüber, die verhafteten Juden würden mit einer
leichten (???) Strafe davonkommen, wenn die internationalen Medien nicht
über die Affäre berichteten. Im Mai fanden zwei weitere Treffen statt, bei
denen Sadersadan sogar eine baldige Freilassung der Juden zugesagt haben
soll. Sabi wollte während eines Telefonates aus London, keine Einzelheiten
über seine Kontakte zu iranischen Politikern preisgeben.
Während sich Sabi noch um Sadersadan
bemühte, brach in der iranisch-jüdischen Gemeinde der USA ein Streit darüber
aus, wie man in der Affäre verfahren solle. Einige forderten, die
Angelegenheit zu veröffentlichen, um dann durch Medien,
Menschenrechtsorganisationen und Politiker Druck auf die iranische Führung
auszuüben. In diese Diskussion schaltete sich sogar Yashya aus Teheran ein,
der um Geheimhaltung der Verhaftungen bat. Die zwei Dachorganisationen
iranischer Juden in den USA waren über das weitere Vorgehen zerstritten. Die
Föderation iranischer Juden sprach sich für stille Diplomatie aus, der Rat
iranisch-jüdischer Organisationen votierte für eine Veröffentlichung der
Affäre. Poya Daynim ist Sprecher des Rates: "Es ist nicht möglich, über die
Verhaftung von 13 Juden stillschweigend zur Tagesordnung überzugehen. In den
letzten Jahren haben wir auf diese Weise versucht, inhaftierten Juden im
Iran zu helfen. Vier oder gar fünf sich hingerichtet worden. Es hat also
keinen Sinn, länger stillzuhalten."
Einer endgültigen Entscheidung kam
die französische Nachrichtenagentur zuvor, die am 30. Mai von der Verhaftung
der Juden in Schiraz berichtete. Möglicherweise steht eine jüdische
Organisation in Frankreich hinter der Publikmachung. Am gleichen Tage rief
Sadersadan bei Sabi in London an und teilte ihm mit, daß er aufgrund der
Veröffentlichung nun keinen Weg mehr sehe, den 13 Juden zu helfen, sie nun
im Gegenteil der Gefährdung der nationalen Sicherheit angeklagt würden. Ein
Vergehen, auf das im Iran die Todesstrafe steht. Seitdem hatte Sabi keinen
Kontakt mehr zu dem Geheimdienstler.
Der Rat der iranisch-jüdischen
Organisationen der USA begann nun seinerseits, den Kontakt zu führenden
iranischen Politikern in dieser Angelegenheit zu suchen. Als Erfolg der
Bemühungen wertet der Rat eine Rede des Präsidenten Hatami, die dieser
einige Tage nach Bekanntmachung der Affäre hielt. Er ging mit keinem Wort
auf die Verhaftungen ein, unterstrich allerdings, daß alle Minderheiten im
Iran das Recht hätten, in Frieden und Gerechtigkeit zu leben. Nach Ansicht
westlicher Beobachter wollte Hatami mit seinen Worten andeuten, daß er sich
der Angelegenheit bewußt ist, ihm aber die Hände gebunden sind. Auch die
iranischen Kontaktmänner des Rates betonten, daß sie keinen Einfluß auf den
Verlauf des Prozesses haben.
Nach der erstmaligen Veröffentlichung
entschied sich die jüdische Gemeinde der USA, dem Iran zu signalisieren, daß
man über die Verhaftungen eben nicht zur Tagesordnung übergehen, sondern im
Gegenteil internationalen Druck initiieren werde. Brad Sherman, Mitglied des
Jewish Congress, warnte die iranische Führung vor den Folgen ihres Handelns
in einem Interview der persischen "Voice of America", ebenso Poya Daynim in
der BBC. Zwei Tage nach Daynims Interview wurden die 13 Juden der Spionage
angeklagt und die Affäre erhielt weltweite Aufmerksamkeit.
Die Föderation beschuldigte daraufhin
den Sprecher des Rates iranisch-jüdischer Organisationen, für die
Verschärfung der Lage der Inhaftierten verantwortlich zu sein. Dieser
streitet dies ab. Vielmehr sei die Anklage zur Zeit des Interviews bereits
vorbereitet gewesen, nachdem die iranischen Sicherheitskräfte nach Angaben
von Familienmitgliedern der Inhaftierten mit Hilfe physischer und
psychischer Folter Geständnisse erpresst hatten. Ein Mann erzählt, daß sein
inhaftierter Bruder ihn nicht sehen wollte, weil er ein "Agent des
Zionismus" sei.
Die Fortsetzung ist bekannt: die
Presse weltweit schenkte der Affäre große Aufmerksamkeit, die die
Einmischung vieler Staaten, auch solche, denen gute Beziehungen zum Iran
nachgesagt werden, wie Deutschland, Japan und Italien, nach sich zog. Aber
neben den öffentlichen Demonstrationen jüdischer Studenten in Paris und der
Petition der Repräsentenhauses der USA, die die sofortige Freilassung der 13
fordert, wurde auch die Geheimdiplomatie verstärkt, um zu einer Lösung zu
kommen. Von jüdischer Seite wurden viele Wege beschritten, um mit der
Revolutionsregierung des Iran in Kontakt zu gelangen, die meisten damit
verliefen im Sand.
Islamische Gerechtigkeit?
Schließlich konzentrierten sich die
Anstrengung auf den ehemaligen Präsidenten des Iran, Rafsanjani, der noch
heute Schlüsselpositionen innerhalb des Teheraner Machtapperates besetzt und
als Vertrauter Haminais gilt, der grauen Eminenz des Justiz- und
Sicherheitssystem des Iran. Seine Intervention könnte das Los der 13 Juden
entscheidend erleichtern. An Rafsanjani hoffte man mit Hilfe einer
nichtjüdischen Iranerin zu gelangen, die in Los Angeles wohnt und durch
ihren Teppichimport geschäftliche Beziehungen zu dessen Sohn unterhält.
Außerdem gilt sie als Vertraute von Dr. Sadatyan, einem langjährigen
Mitarbeiter Rafsanjanis. Über die Geschäftsfrau wurde ein Brief an den
früheren Präsidenten geschickt, in dem ihm die negativen Folgen der Affäre
dargelegt wurden. Dies sei die Gelegenheit, zu beweisen, daß es "islamische
Gerechtigkeit" wirklich gäbe. Sollten die Juden freigelassen werden, würden
die Absender des Briefes die Angelegenheit für erledigt erklären.
Die Antwort, die die iranischen Juden
in Los Angeles im Namen Rafsanjanis erhielten, war knapp und kühl. "Was Sie
vorschlagen, ist nicht das, was wir wünschen. Sie sollten sich überlegen,
was Sie wirklich für das Land Ihrer Geburt tun können." Was genau er damit
meinte, elaborierte der iranische Politiker nicht. Experten schätzen, daß es
in seiner Absicht lag, die "jüdische Lobby" in den USA zu einem stärkeren
Eintreten zugunsten Irans zu bewegen. In Teheran sieht man nämlich Juden
hinter der Verzögerung der Auszahlung eines Kredites der Weltbank an die
Islamische Republik. Aber auch der iranischen Regierung war klar, daß sie
die Freilassung der Juden nicht mit der endgültigen Auszahlung der Mittel
verbinden könne. Ansonsten wären die Minderheiten im Iran bei jeder weiteren
Verzögerung Geisel der Regierung, ein Geschäft, auf das sich niemand
einlassen würde. Rafsanjani deutete allerdings an, die Juden könnten
freikommen, sollten "jüdische Kreise im Westen" beim Aufbau eines direkten
Kontaktes zwischen iranischer Regierung, dem Weißen Haus und der Leitung der
Weltbank behilflich sein.
Die nächste Nachricht erreichte die
jüdisch-iranische Gemeinde Los Angeles am 2. August. Darin kündigten der
Sohn Rafsanjanis und einer seiner Vertrauten einen Besuch in Belgien zwei
Tage später an und schlugen dort ein Treffen mit zwei hohen Vertretern der
jüdischen Gemeinde der USA vor. Ziel der Unterredung, die letztendlich nicht
zustande kam, war die Klärung der beiderseitigen Forderungen und Angebote.
Nun wird fieberhaft nach einem Termin für ein neues Treffen gesucht, auf das
sich viele Hoffnungen konzentrieren.
Poya Daynim: "Mitte August hörten wir
aus dem Iran, daß innerhalb weniger Tage die Anklageschrift gegen die 13
Juden vorgelegt werden soll. Für uns ist es sehr wichtig, daß sie von guten
und unabhängigen Rechtsanwälten vertreten werden und daß internationale
Beobachter bei dem Prozeß zugegen sind. Wir müssen den offiziellen Druck auf
den Iran verschärfen, denn die Vergangenheit hat gezeigt, daß sich die
iranische Regierung von internationalem Druck beeindrucken läßt. Vor wenigen
Jahren organisierten Iraner in den USA einen Protest gegen die grausame
Behandlung der Haustiere im Iran, die sich seitdem gebessert hat. Die
internationale jüdische Gemeinde kann es sich nicht erlauben, in dieser
Affäre zu verlieren. Das würde die Angst der iranischen Regierung vor der
"mächtigen jüdischen Lobby" verringern und die Situation der Juden im Land
weiter verschlechtern."
Hintergrundinformationen:
[Petition] - [Aufruf
zur T'filah] - [A
farewell gift from Yazdi]
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