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Meldungen aus den Jahren 1995 - 1999 |
Der Leiter des
Wiesenthal Centers in Jerusalem ist einer der aktivsten Nazijäger der
Jetztzeit. "Ich hätte mir nie vorgestellt, mit 51 noch Kriegs-verbrecher des
2.Weltkrieges zu suchen und zu finden" bekennt Efraim Zuroff.
Efraim Zuroff - Wiesenthal Center - Jerusalem:
Eine Warnung an die Mörder von morgen!
[Pressemitteilung]
Der Name Efraim Zuroff ist inzwischen bekannt, vor allem in den
Staaten Osteuropas, die erst jetzt die Gelegenheit gefunden haben, sich mit
ihrer Geschichte auseinanderzusetzen. In seinem Buch Occupation: Nazi
Hunter (erschienen bei KTAV Publishing, eine deutsche Version mit dem
Titel
Beruf: Nazijäger bei Ahriman Verlag, Freiburg, kam im Jahre
1996 kam heraus) gibt Zuroff ausführlich über seine Anfänge Auskunft.
Erst nach dem Sechstagekrieg begann sich der Student intensiv für Israel
zu interessieren. Die Bedrohung durch die arabischen Nachbarn erschien ihm
der zur Zeit der Shoah vergleichbar. Vor dieser Wandlung war Zuroff ein
überdurchschnittlicher, begabter Student der Yeshiva University. Seine
Leidenschaft galt vor allem dem Basketball.
Allmählich begann er sich aber für die Geschichte zu interessieren.
Zunächst galt sein Interesse der Geschichte der eigenen Familie. Zuroffs
Onkel, dessen Name er trägt, kam in Litauen ums Leben. Die Umstände des
Todes konnten nie geklärt werden.
Im Jahre 1979 wurde das Office of Special Investigation (OSI) in den USA
gegründet. Zuroff wurde nach einem Projekt im Wiesenthal Center und
Beendigung seines Magister-Studiums in Israel der israelische Vertreter des
OSI, welches nicht nur durch die Einbeziehung Kurt Waldheims in die WATCH
LIST, die dem ehemaligen Präsidenten Österreichs die Einreise in die USA bis
heute unmöglich macht, Berühmtheit erlangte.
Es waren bis jetzt mehr als 48 Personen, zu deren Ausweisung das OSI
wegen falscher Angaben bei der Einreise in die USA wesentlich beitrug. Ab
dem Jahre 1947 kamen Tausende Einwanderer in die USA, die mit den Nazis
kollaboriert haben könnten. In Kanada und Australien war es ähnlich. In
Grossbritanien war es Mitte der Achtziger soweit. Unter anderem war den
Behörden im Jahre 1947 bekannt, daß bei einigen Leuten die Tätowierung der
SS bei ärztlichen Untersuchungen entdeckt wurde. Das Home Office beschloss
damals, den Mantel des Schweigens darüber auszubreiten.
Zuroff wurde im Vereinigten Königreich Speerspitze des Protests, der zur
Bildung einer Einheit von Scotland Yard zur Erforschung von Kriegsverbrechen
des 2. Weltkrieges führte. "An dem Tag, als im Parlament der Beschluss über
die Verfolgung von Kriegsverbrechen behandelt wurde, erschien in der TIMES
ein Artikel mit offenen antisemitischen Tönen", erinnert sich Zuroff.
Derzeit findet in England erst der zweite Prozess gegen einen
Nazikriegsverbrecher. Sawoniuk wird beschuldigt, an der Ermordung
zahlreicher Juden in Weissrußland beteiligt gewesen zu sein.
Osteuropa
Als seinen Mentor bezeichnet Zuroff eindeutig Simon
Wiesenthal. Sein erstes Treffen mit dem weltberühmten "Nazijäger" fand 1978
statt. Im Rahmen der Premiere des Filmes "Boys from Brazil" kamen Zuroff und
der schon damal anerkannte Wiesenthal ins Gespräch. Es waren die fünf Worte
Wiesenthals als Versprechen an die Opfer der Shoah, die den weiteren
Lebensweg Efraim Zuroff`s kennzeichnen sollten. "Ich habe euch nicht
vergessen", sagte mal Wiesenthal.
Die Tätigkeit Zuroffs beim OSI hatte - und hat bis heute - ein
Hauptthema: Es sind die Teilnehmer an Mordkommandos, die aus Litauen,
Lettland, Estland, Weissrussland und der Ukraine geflüchtet sind. Es sind
diejenigen, die Juden auf Befehl und Geheiss der Deutschen Besatzer in den
Jahren 1941-45 erschossen, noch bevor die eigentliche Besatzung eintraf.
Seine feinste Stunde als Historiker hat Efraim Zuroff, der erst vor zwei
Jahren promovierte, mit der Entdeckung von umfangreichen Listen in Yad
Vashem, die als Grundlage für die Nachforschungen der letzten zwei
Jahrzehnte gelten. Auf diesen Listen sind Personen verzeichnet, die als
Diplaced Persons weiter in die Vereinigten Staaten, Kanada oder Australien
reisten. Zuroff fand heraus, dass nicht nur Opfer der Shoah auf den Listen
waren.
Der Fall Demyanyuk ist wohl einer der bekanntesten. Der Ukrainer wurde
nach einer Verurteilung des Gerichtes vom Obersten Gerichtshof in Jerusalem
freigeprochen, obwohl seine Beteiligung an Naziverbrechen fasr zweifelsfrei
erwiesen wurde - aber eben nur fast zweifelsfrei.
Wo fand Wiesenthal Optimismus?
Es wird die Frage hinter vorgehaltener Hand
gestellt, manchmal tritt diese sogar offen auf: Wer führt Simon Wiesenthals
Wirken ins 21.Jahrhundert? Die Arbeit Zuroffs kann zum Teil eine Antwort
sein.
In den letzten Jahren sind umfangreiche Datenbestände in Osteuropa
aufgetaucht, die früher verschlossen waren. Der Fall des Kommunismus hat
Archive zugänglich gemacht, die früher für Forscher aus dem Westem tabu
waren. Und so verlagerte sich die Tätigkeit Zuroffs auch mehr nach
Osteuropa. In Ländern wie Litauen, Lettland oder Kroatien ist Efraim Zuroff
heute wesentlich bekannter als in Israel.
Efraim
Zuroff wurde zum Beispiel "zum lebenden Gleichnis für die
Jüdisch-litauischen Beziehungen," wie die Zeitschrift VEIDAS in Wilna im
letzten Jahr schrieb. In Kroatien haben die Oppositionszeitungen Zuroff zu
einer Figur stilisiert, die ein Hoffnungsträger für gesellschaftliche
Veränderungen sein könnte. Dies hat die Anhänger der Ustascha, deren Felle
durch den Prozess gegen den Lagerleiter von Jasenovac Dinko Sakic
davonschwimmen dazu veranlasst, zu direkten Angriffen gegen Zuroff
aufzurufen.
"Der Leiter des Wiesenthal Centers in Jerusalem geht unbewacht durch
Zagreb", hiess es da. "In seiner Aktentasche sind neue Beweise gegen Nada
Sakic". Die Ehefrau des Lagerleiters und ehemalige KZ-Aufseherin wurde vor
einigen Wochen "aus Mangel an Beweisen" freigelassen.
"Ich bin heute weniger optimistisch als vor acht Jahren", gibt der
"Nazijäger" eine gewisse Ernüchterung zu. Der Prozess gegen Dinko Sakic in
Kroatien wird wahrscheinlich der letzte große Prozess gegen einen
Nazi-Kriegsverbrecher. Was dann? Was machen Nazijäger, nachdem der letzte
Nazi-Kriegsverbrecher tot ist?
Die Tätigkeit des Wiesenthal Centers in Los Angeles ist ein Teil dieser
Zukunft. Mit zwei Oscars für Dokumentationen und dem Museum of Tolerance ist
das Wiesenthal Center ein nichtwegzudenkender Teil im Bewahren und Aufklären
gegen die Massenmörder der Zukunft.
Im Jahre 1995 beriet Zuroff die Regierung in Ruanda, als diese die
Massenmorde im Kampf Tutsis gegen Hutu aufarbeiten wollte. Seither sind
viele der Vorhaben wieder in sich zusammengefallen.
Der Frust des Nazijägers
So schlüssig und erfolgreich die Tätigkeit Dr.
Zuroffs wirkt, so oft gab es auch Frust. Am Tag der Eröffung des Prozesses
gegen Dinko Sakic, drohte dieser zu platzen. Dies schien ein Deja Vu zu
Litauen, wo die mangelnde Gesundheit und die fehlende Bereitschaft der
Justizbehörden die Wahrscheinlichkeit erhöhten, daß der 91-jährige
Aleksandras Lileikis und sein Stellvertreter als Leiter der litauischen
Sicherheitspolizei der Jahre 1941-44 Kazys Gimzauskas, 92, friedlich im Bett
sterben werden. Zuroff schien das drohende Ende im Prozess Sakic sehr
nahezugehen.
Auf die Frage des TV-Journalisten Jens Monath, der gerade eine
Dokumentation um und mit Efraim Zuroff (Ausstrahlung voraussichtlich im Mai
in ZDF und später in Arte), ob er es denn je bereut hätte, Nazijäger
geworden zu sein, antwortete Zuroff entschieden: "NIE".
Toleranz
Die wichtigste Sendung, die Zuroff aussenden
möchte, ist Aufklärung und Toleranz. Diese Botschaft hat er aus der Arbeit
Simon Wiesenthals, des Centers in Los Angeles, und vor allem seiner eigenen
Arbeit (unter anderem zwischen Jerusalem, Zagreb, Minsk, Riga
und......Reykjavik), gezogen und er versucht, diese Werte
weiterzuvermitteln.
Im Buch beschreibt Zuroff den Fall eines estnischen Kriegsverbrechers,
der ihn nach Island führte. Dieser Fall führte zu einer Auseindersetzung
einer Gesellschaft mit der Shoah, die so nicht zu erwarten gewesen wäre, so
Zuroff.
Wege in die Zukunft
Der
immer tiefer werdende Riss in der israelischen Gesellschaft zwischen
religiösen und säkularen Juden macht dem im Sinne der Bnai Akiva moderat
erzogenen Zuroff sehr zu schaffen. Auch das Wiedererstarken nazistischer
Bewegungen und die immer umfangreichere und agressivere Verbreitung
antisemitischer Propaganda - nicht zuletzt mit Hilfe neuer Technologien und
modernster Medien - in immer mehr Ländern der Welt, ist ein weiterer
Bereich, der Zuroff Sorgen bereitet. Am schlimmsten aber ist die
Gleichgültigkeit, mit der die Mehrheit diesen Entwicklungen begegnet.
"Ich habe vor kurzem 'haGalil onLine' entdeckt. Es ist kaum zu glauben, mit
welch hohem persönlichen Einsatz - und welch vergleichsweise geringen
Finanzmitteln, hier eine hervorragende Antwort auf viele der angesprochenen
Probleme geschaffen wurde. Was das Internet angeht steht haGalil onLine für
mich weltweit an der Spitze. Selbst im viel umfangreicheren
englischsprachigen Angebot habe ich nichts vergleichbares gefunden", so
Zuroff im Gespräch mit SLW. "Es werden immer Einzelne sein, die eine
notwendige Arbeit erkennen - und tun - und es werden immer viele sein, die
versuchen werden diese Arbeit zu verhindern, zu vereinnahmen, zu
boykottieren und verächtlich zu machen".
So offenbart sich hinter der Fassade des manisch die Untersuchungen
treibenden Erforschers von Kriegsverbrechern des 2.Weltkrieges, ein durchaus
gegenwärtigen Entwicklungen zugewandter Integrator. Die Worte Wiesenthals,
der seine Tätigkeit als "eine Warnung an die Mörder von morgen" verstanden
wissen will, scheint in einer Welt, in der ethnische Säuberungen und Mord
die Nachrichten beherrschen, aktueller denn je. Zuroff scheint ein Garant,
daß diese Botschaft weitergetragen wird.
haGalil
onLine
- Dienstag 27-04-99 |
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