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Der größte Geiger des Jahrhunderts ist tot
Yehudi Menuhin starb mit 82 Jahren in Berlin

Begnadeter Geiger von Kindheit an - Die Suche nach eigener Identität

Ein bedeutender Geiger und Dirigent, aber auch ein großer Humanist und Philantrop ist mit Yehudi Menuhin gestorben. Er setzte sich für Menschenrechte in der UdSSR und in China ein, als das unpopulär war. Mit seinen mehr als 500 Konzerten während des Zweiten Weltkriegs half er Kriegsopfern und Flüchtlingskindern, trat 1945 vor den Befreiten des KZ Bergen-Belsen auf, im zertrümmerten Berlin spielte er demonstrativ unter Wilhelm Furtwängler, Hitlers Lieblingsdirigenten.

Der wohl berühmteste Geiger des 20. Jahrhunderts erlag im Alter von 82 Jahren in einem Berliner Krankenhaus nach einer fiebrigen Bronchitis einem akuten Herzversagen.

Bundespräsident Roman Herzog würdigte Yehudi Menuhin als einen der größten Musiker dieses Jahrhunderts. "Mit seinem Tod ist die Welt ärmer geworden," sagte Herzog in Berlin. "Wir trauern um einen der briliantesten Musiker diese Jahrhunderts, einen großen Humanisten und einen engagierten Kosmopoliten."
Der Pianist und Gründer des Schleswig-Holstein Justus Frantz sagte. "Ich habe Yehudi wirklich sehr geliebt." Er erinnert sich sehr gerne an viele gemeinsame Konzerte. "Als Mensch hat Yehudi Menuhin alle berührt. Jeder, der mal mit ihm zu tun hatte, ging ein bißchen verwandelt aus dieser Begegnung hervor."

Beethoven

Begnadeter Geiger von Kindheit an

Menuhin wurde am 22. April 1916 in New York als Sohn russisch-jüdischer Einwanderer geboren. Der Vater, ein Mathematiker, war Nachkomme chassidischer Rabbiner aus dem weißrussischen Ghetto von Gomel. Schon als Kind verfügte Yehudi Menuhin über eine intuitive Sicherheit, und sein Kollege Jascha Heifetz sagte einmal, es sei reines Glück, daß er nicht ein Opfer der "Wunderkindkrankheit" geworden sei.

Im Alter von sieben Jahren debütierte der junge Genie vor 9000 Besuchern in San Francisco mit einer einfühlsamen Interpretation von Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert. Mit zehn spielte er in Paris, mit elf in der New Yorker Carnegie Hall, später auch mit Toskanini, Busch und Karajan.

"Nun weiß ich, daß es einen Gott im Himmel gibt!" soll Albert Einstein gerufen haben, als er in der Berliner Filharmonie den gerade 13jährigen Yehudi Menuhin umarmte. Der Dirigent Bruno Walter nannte das formvollendete und überiridsch schöne Spiel "ein Wunder". Heute heißt es, das "Konzert der drei B" (Bach, Beethoven, Brahms) sei legendär.

Seine ehrgeizige Mutter schützte ihren Sohn von einem "richtigen Leben" mit der Schule und Mädchen fern, das Wunderkind wurde auf seinen Tourneen von einem Privatlehrer begleitet."Auf gewisse Weise bedeutet mein Mangel an üblicher Ausbildung auch, das ich mich von Details distanzieren kann und einen breiteren Blick auf die vor uns liegenden Probleme habe," sagte Menuhin in einem der Gespräche mit Journalisten.

So vermittelte er Inhalte, die er unmöglich selbst erfahren haben konnte; er erzählte von tiefsten musikalischen Geheimnissen. Beethovens Kreuzer-Sonate geriet etwa dem erst 17jährigen mit kraftvoll männlichem Ton zum gespenstischen Furioso.

Seine monströse, 110 Konzerte umfassende Welttournee im Jahre 1935 war möglicherweise der Anlaß für eine tiefe Krise des 19jährigen. Danach fühlte er sich ausgebrannt und leer und zog sich eineinhalb Jahre zurück. Statt intuitiver Sicherheit sollen manche Kritiker danach technische Perfektion beobachtet haben.

Die Suche nach eigener Identität

Der Jude Menuhin hatte eine besonders freundliche Beziehung zu Deutschland und den Deutschen. Er war der erste jüdische Künstler von Weltrang, der nach Ende des Zweiten Weltkriegs wieder in Deutschland Konzerte gab, und der erste, der nach dem Krieg in Jerusalem mit Werken deutscher Komponisten auftrat. Nach dem Fall der Berliner Mauer spielte Yehudi Menuhin bereits im Dezember 1989 mit der Ost-Berliner Staatskapelle.

Eine Episode aus dem Leben von Yehudi Menuhin ist bestens geeignet, den einen Teil seiner Identitätssuche zu illustrieren. Als die Mutter Menuhin mit ihrem zukünftigen Wunderkind schwanger war, ging sie auf Wohnungssuche in New York. In Mannhattan wurde sie fündig. Die zuständige Dame des "Hausvertrauensrates" zählte ihr alle Vorteile des Hauses auf. Frau Menuhin schien ziemlich beeindruckt zu sein. Als letztes sagte die zukünftige Vermieterin: "Wissen Sie, unser größter Vorteil ist, daß wir keine Juden in diesem Haus haben."

"Da beschloss meine Mutter, mich Yehudi zu nennen," erinnerte sich der Sohn in einem der unzähligen Interviews. Seine Mutter fragte ihn später, ob er je Schwierigkeiten mit seinem Namen gehabt hätte. "Nie", replizierte das in die Jahre gekommene Wunderkind.

Diese Geschichte zeigt eine Facette von Menuhins Identität: Yehudi -- der Jude schlechthin schon vom Namen her -- versuchte sein Leben lang die eindeutige Identität zu hinterfragen, zeitweise sogar zu konterkarieren. Viele Überlebende der Shoa haben ihm sein frühes Zugehen auf Deutschland, auf Furtwängler, nie verziehen. Es gab sogar einen Versuch, in den 50er Jahren seine Hand zu verletzen.

Sein Verhältnis zu Israel blieb ein Leben lang zwiespältig. Es paßt durchaus in die Nachbarschaft der Lords, deren einer er wurde. Seit 1985 war Yehudi Menuhin brischer Staatsbürger und von Königin Elisabeth II. in den Adelstand erhoben. Er war immer nach der Suche nach neuen Erkenntissen über die klassischen Musikkonventionen hinaus und nahm Musik zusammen mit dem französischen Jazz-Geiger Stéphane Grappelli auf. Seit den 60er Jahren dirigierte er immer häufiger.

Mehrere Schulen und Musikstiftungen hat der Künstler ins Leben gerufen, um den Nachwuchs zu fördern. Gesonderte Projekte, um Behinderten, Alten und Sozialschwachen Zugang zu Musik zu verschaffen sind unter seiner Initiative entstanden. Mit Musik glaubte Yehudi Menuhin eine Atmosphäre von Hoffnung, Vertrauen und Freude, ein Mittel gegen Kriminalität und Gewalt zu schaffen.

Manche Kritiker behaupten jedoch, der stets umarmungsfreudige Weltbürger wollte sich mit seinen vielen Nebenbeschäftigungen als begehrter Pädagoge, Autor und Festivalgründer den Mühen und Zumutungen eines stets beäugten Solisten entziehen. Auf die Kritik reagierte der Künstler gelassen. Seine unbestreitbare Aura und Engagement wurden durch unzählige Preise gewürdigt, u. a. 1979 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 1984 mit dem Siemens-Musikpreis, mit dem Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik und mit der Otto-Hahn-Friedensmedaille.

Es war Berlin, wo Yehudi Menuhins Stern 1929 aufging. Nun ist er ebenda verstorben. Der Kreis hat sich geschlossen. Die Welt trauert um ihr musikalisches Gewissen.

SLW

  • Menuhin. Von Humphrey Burton, Euro 25,90
  • Durch Dur und Moll - Menuhin, Diana
  • Kunst als Hoffnung für die Menschheit - Menuhin, Yehudi
    Die hier vorgelegten Reden und Schriften zeigen den weltberühmten Geiger und Dirigenten als scharf beobachtenden Zeitgenossen, als verantwortungsbewußten Weltbürger, als unentwegten Aufklärer und Mahner in unserer unfriedlichen Zeit. Aus dem Inhalt: Der Mensch in der Natur - Wie drückt der schöpferische Künstler den Geist seiner Zeit aus? - Kreativität in der Konsumgesellschaft - Vom Wert des Schweigens - Musik - Was ist Friede? - Kunst als Hoffnung - Indien - Sacharow - Biographisches - Über Kreativität in den Künsten - Über Meditation.
  • Unterwegs - Menuhin, Yehudi
  • Unvollendete Reise - Menuhin, Yehudi

haGalil onLine - Montag 15-03-99

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