Kommentar:
Haiders Österreich
anton legerer, Jr. /
anton@hagalil.com
Jüdische Rundschau Nr. 10 vom 11.3.1999, Seite 7
Bei der ersten Hochrechnung zur Kärntner Wahl
blieb selbst dem Fernsehmoderator kurz die Sprache weg: damit hatte man
nicht gerechnet. Besser gesagt: nicht rechnen wollen. Denn Österreichs
Innenpolitik wird bereits seit Haiders Übernahme der FPÖ von den ausländer-
und minderheitenfeindlichen Schlachtrufen und Haiders Liegäugeln mit dem
nationalsozialistischen Erbe, das kein anderer Politiker anzutreten bereit
war, bestimmt. Daß da irgendeinmal das Original gewinnt, war zu erwarten.
SPÖ und ÖVP sind nicht Haiders Inhalten entgegengetreten
sondern seinen Taktiken. Und damit war er stets einen Schritt voraus:
Haiders Wandlungsfähigkeit übertrifft das Vorstellungsvermögen der Strategen
und Taktiker von SPÖ und ÖVP bei weitem.
Österreich zählt zu den zehn reichsten und produktivsten Ländern der
Erde. Es gibt keine objektiv nachvollziehbare Bedrohung. Daß
rechtpopulistische Politik in Österreich überhaupt möglich ist, kann nur
auf das verleugnete Erbe des Nationalsozialismus zurückgeführt werden.
Die tiefe Verstrickung in die Schuld der nationalsozialistischen
Verbrechen, die erst 1991 durch ein Bekenntnis zur "Mitverantwortung"
durch den damaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ), wenigstens
ansatzweise eingestanden wurde, wirkt nach. Mitverantwortung alleine und
nur verbal zu übernehmen reicht aber nicht aus. Werden den Millionen
ermordeter oder vertriebener und enteigneter Opfern nicht die Täter im
Land gegenübergestellt, wird Geschichte belanglos.
Die Frage an Jugendliche, ob die Befreiung Österreichs 1945 (vom
Nationalsozialismus) oder 1955 (von den alliierten Besatzungsmächten)
anzusetzen ist, wird mit rund fifty-fifty beantwortet.
Fehlendes Geschichts- und Unrechtsbewußtsein verbinden sich zu einem
Amalgam neuer potentieller rechtsextremer Gefahr. So falsch der
Vergleich von Haider und Hitler sein möge - begonnen hatten beide mit
der systematischen Herabsetzung der menschlichen Würde eines als -
gegnerische - Gruppe definierten Bevölkerungsteils. Hatte Hitler "die
Juden" als erstes Ziel seiner Angriffe, so sind es bei Haider "die
Ausländer".
Relative Mehrheit für Rechtspopulisten im
Bundesland Kärnten:
Haiders unaufhaltsamer
Aufstieg
haGalil onLine -
Montag 15-03-99 |