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"Ich auch! Ich
auch!" (Oder: "Ich-Auch-ismus")
Angeblich hielt Ze´ev Jabotinsky einmal
in einer juedischen Stadt in Polen eine Rede, als ihn jemand durch eine
Zwischenfrage in die Enge zu treiben versuchte: "Was war gestern in
Petach-Tikvah los?" Jabotinsky hatte keine Ahnung, was in Petach-Tikvah
passiert war. Aber ohne mit der Wimper zu zucken, fragte er zurueck: "Ja,
aber was war vorgestern in Rosh-Pinah los?" In Wirklichkeit war ueberhaupt
nichts in Rosh-Pinah passiert, aber der Zwischenrufer verstummte und
Jabotinsky fuhr mit seiner Rede fort.
Das illustriert eine der kardinalen Regeln
der politischen Propaganda: Gehe niemals in die Defensive. Rechtfertige Dich
niemals. Greife immer selbst an.
Ehud Barak ist gut versiert in der Geschichte
der Kriegsfuehrung. Er kennt die Maxime: "Defensive ist staerker als
Offensive". In anderen Worten, die Seite, die eine befestigte Linie
durchbrechen will, braucht viel mehr Soldaten, als die verteidigende Seite.
Wie auch immer, in der politischen Arena ist das Gegenteil der Fall: das
Offensive ist stark, waehrend das Defensive ganz einfach nicht existent ist.
Wer sich defensiv verhaelt, verliert.
Aus diesen Gruenden darf man dem Gegner nicht
erlauben, das Schlachtfeld zu bestimmen. Derjenige, dem es gelingt, das
Schlachtfeld festzulegen und seinen Widersacher zu zwingen, den Kampf dort
auszutragen, hat schon halb gewonnen. Ausserdem versucht jeder Kandidat sein
Lieblingsthema zum Kernstueck der Wahl zu machen, naemlich genau das Thema,
das dem Gegner den groessten Nachteil bringt.
In dieser Hinsicht erwecken die Plakate von
Ehud Barak Mitleid. Armer Kerl.
Zum Beispiel: "Ehud Barak – der Mann, der
Jerusalem schützen wird." Was soll das mit Jerusalem? War es nicht Binyamin
Netanyahu, der Jerusalem zum Zentralthema seiner Agenda machen wollte, weil
dort seine Macht liegt, weil er dort eine Mehrheit hat, weil er dort eine
schreckliche Explosion mit "Har Homa" oder mit Ras al-Almud ausloesen wird,
mit der Zerstoerungen von Haeusern und palaestinensischen Unruhen, was
zeigen wird, wie patriotisch und stark er ist? Er gewann mit dem Slogan
"Peres wird Jerusalem teilen" die letzten Wahlen.
Barak´s Slogan "Barak wird Jerusalem
schuetzen" ist eine totale Kapitulation vor Netanyahu. Das riecht unangenehm
nach Defensive und Selbstrechtfertigung. Netanyahu passt auf Jerusalem auf?
Ich werde es auch. Ich bin nicht schlechter als Netanyahu! Ich werde es
genauso machen wie er!
Oder der Slogan "Ehud Barak – der richtige
Mann zur Bekämpfung des Terrorismus!" – ein dummer Slogan. Befuerchtet etwa
jemand, dass Barak den Terrorismus nicht bekaempfen wird? Aber seitdem
Netanyahu die Linke beschuldigt hat, den Terrorismus herbeigefuehrt zu
haben, sieht Barak die Notwendigkeit, sich zu verteidigen und zu
rechtfertigen, und zu versprechen, genau wie Netanyahu zu handeln. Ich auch!
Ich auch!
Und auch wenn Barak versucht, anders zu sein,
dann tut er es nur halbherzig. "Ehud Barak – Bildung vor Siedlungen!" Das
geht vielleicht in die richtige Richtung, aber ist zu schwach. "Vor
Siedlungen?" Warum nicht "Statt Siedlungen?" Barak will keine einzige Stimme
der Siedler verlieren. Seine Anhaenger sehen jedoch die Siedler sowieso als
gefaehrliche Fanatiker die der Gesellschaft nur zur Last fallen und zum
Aufbau und Erhalt des Staates nichts positives beitragen. Warum also keine
schlagkraeftige und offensive Linie einschlagen?
Erinnert Ihr Euch an den Barak, der die
Einberufung Zehntausender Yeshiva-Studenten vorschlug? Dieser Barak ist
Vergangenheit. Jetzt sagen die Plakate: "Geld fuer die Wohngegenden und
nicht fuer fiktive Organisationen." Welche fiktiven Organisationen? Ein
delikater Seitenhieb, gemeint sind religioese Organisationen. Warum es also
nicht auch so benennen? Und was ist mit den nicht so fiktiven religioesen
Organisationen, die dem Staat das Geld aus der Tasche ziehen? Was ist mit
den Zehntausenden von Yeshiva-Studenten, die auf Kosten der arbeitenden
Bevoelkerung leben?
Dieses Poster, wie auch alle anderen, gibt
den Eindruck von fehlendem Selbstvertrauen, fehlender Entschlussfaehigkeit
und fehlendem Mut. Sie alle stammen aus der Feder eines cleveren
Werbetexters, der offensichtlch keine Ahnung von den Mechanismen einer Wahl
hat. Und wenn er Amerikaner ist, dann hat er kein der israelischen
Wirklichkeit entsprechendes Konzept.
Netanyahu auf der anderen Seite zoegert nicht
fuer einen Moment. Er greift an. Er bestimmt die Agenda. Er zeigt
Entschlussfaehigkeit, Macht und Selbstvertrauen.
Er hat einen Feind: Die Linke. Die Linke kann
er fuer alle Disater verantwortlich machen. Die Linke wird das Land
verkaufen. Er muss nur den Namenszusatz "Linker", beispielsweise Yitzhak
Mordechai oder Amnon Lipkin-Shahak anhaengen, um diese auszuschalten.
Barak laeuft vor seinem gefuerchteten
Namenszusatz davon. Er ist kein Linker. Um Himmels Willen. Tatsaechlich ist
die Arbeitspartei im Moment die wahre Mitte.
So werden sie die Wahl verlieren. Nichts kann
die Arbeitspartei von dem linken Makel befreien. Daher waere es besser den
Fehdehandschuh aufzuheben:
Links meint Fortschritt. Die Linke
baute den Staat auf. Die Linke schuf die ZaHaL (IDF).
Das Herz ist auf der linken Seite. "Nur die Linke schafft es!" (Erinnert
Euch an "Black is beautiful".)
Barak´s Propaganda der Schwaeche ist auf
vielen Levels gefährlich. Zunaechst kann sie zum Verlust der arabischen
Waehlerstimmen fuehren, ohne die er nicht gewinnen kann. Die Macht dieses
Waehlerblocks ist vergleichbar mit dem religioesen Block oder dem Block der
russischen Einwanderer. Ein Kandidat, der es nicht schafft, etwas
entscheidendes zum palaestinensischen Thema zu sagen, und der ins wanken
kommt, sobald es zu einem der Themen kommt, die mit diesem Teil der
Oeffentlichkeit zu tun haben, beschwoert die Niederlage herauf.
Aber es gibt noch eine groessere Gefahr: Dass
das grosse Lager derer, die gegen Netanyahu stimmen wollen, die Hoffnung
verliert. Ein schwaechender Anflug von Verzweiflung scheint diesen Teil der
israelischen Oeffentlichkeit zu erfuellen. Empfindungen wie: "Die sind alle
gleich, da ist kein Unterschied zwischen Netanyahu, Barak und Mordechai"
oder "Es ist vorbei, Netanyahu kann nicht geschlagen werden" oder "Netanyahu
ist ein Genie in Bezug auf den Wahlkampf" – koennen zu einem Desaster
fuehren. Diejenigen, die so empfinden, werden vielleicht am Wahltag zu Hause
bleiben oder eine Reise ins Ausland unternehmen. Bei den Jerusalemer
Kommunalwahlen konnten wir bereits das Phaenomen beobachten, dass von der
religioesen Bevoelkerung jede einzelne Person waehlen ging, während von der
saekularen Bevoelkerung, die immer noch die Mehrheit stellt, nur ein
gewisser Teil. Am Wahltag entsprach deshalb ein Religioeser zwei Saekularen.
Um
zu gewinnen, muss ein politischer Anführer seinem Lager ein Gefuehl des
Vertrauens in seine Kraft einfloessen. Er muss eine sehr klare, scharfe und
unmissverstaendliche Botschaft haben. Derjenige, der die Slogans seines
Gegners uebernimmt und schreit: "Ich auch! Ich auch!" schlaegt sich selbst
k.o. Von allem "-ismus", ist hier der "Ich-Auch-ismus" der schlimmste.
Uri Avnery, Maariv,
02.02.99
haGalil onLine - Montag 21-12-98
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