Aufruf zum antifaschistischen Mahngang
am 30. Januar 1999 in Weimar
Eine Mitteilung der
LAG AntiFa/Antirassismus
Am 30.01.1999 jährt sich zum 66.Male die
Machtübergabe an Adolf Hitler: Hitler wird als gewählter Volksvertreter
Reichskanzler. Am 27.02.1933 brennt der Reichstag. Am 23. 03. 1933 werden
die Ermächtigungsgesetze erlassen Eine schlechte Demokratie des
Nationalstaates gebiert eine faschistische Diktatur, die Krieg und
Zerstörung, Verfolgung und Gaskammer bringt.
Wir wollen kein Schweigen und kein Verdrängen. Wir sind
nicht schuldig an den Verbrechen durch Großeltern und Eltern, aber wir
stehen in Verantwortung vor den Menschen dieser Welt!
An sechs Stationen: Baudertplatz (Bahnhofsvorplatz), Buchenwaldplatz,
ehemaliges Gauforum, Marstall, Platz der Demokratie und Theaterplatz
wird die alltägliche Verstrickung und die totale Beanspruchung Weimars
durch die nationalsozialistische Diktatur aufgezeigt und deutlich
gemacht.
Dieser antifaschistische Mahngang gedenkt den Toten und den Opfern der
faschistischen Verfolgung, der Diktatur, sowie des Krieges und mahnt den
Tendenzen der gewöhnlichen Faschisierung und Terrorisierung in der
Gegenwart.
Beginn des Mahngangs: 14 Uhr Baudertplatz (Bahnhofsvorplatz) Ende: 16
Uhr Theaterplatz Danach Mahnwache am Theaterplatz.
Ab Februar werden durch den Infoladen Weimar antifaschistische
Stadtführungen angeboten: Jeden ersten Sonntag 14 Uhr ab Gerberstraße 1,
sowie nach Vereinbarung.
Kontakt und Informationen: Infoladen Weimar, Gerberstr.1, 99423 Weimar,
Tel.: 03643 - 515468, Fax: 03643 - 512714
Weitere Auskünfte: LAG AntiFa/Antirassismus: 0361 6599813 oder 0172
3662472
Offener Brief
An den Bundesminister für Arbeit und
Sozialordnung
Walter Riester Rochusstraße 1 53123 Bonn
11. Dezember 1998/14. Januar 1999
Gleiche soziale Rechte für
Flüchtlinge
Sehr geehrter Herr
Arbeitsminister, lieber Kollege Walter Riester!
Auch in Thüringen sind in den letzten Monaten viele
GewerkschafterInnen für ein neues Parlament, eine neue Regierung und
eine neue Politik aktiv geworden. Mit der Koalitionsvereinbarung wurden
viele positive Schritte eingeleitet. Eine herbe Enttäuschung sind für
uns jedoch die Nicht-Vereinbarungen im Bereich der Flüchtlings- und
Asylpolitik, für die wir - als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter -
ebenfalls eingetreten sind.
Viele der offenen Fragen betreffen das Innenressort der
neuen Regierung. Einige Fragen betreffen jedoch das Ressort des Arbeits-
und Sozialministers, weshalb wir uns mit diesem Offenen Brief an Dich
wenden.
In den 16 Jahren der Ära Kohl wurde ein
verhängnisvolles Prinzip etabliert: Einschnitte in das soziale Netz
wurden zunächst bei den Schwächsten in der Gesellschaft begonnen, um
dann auf andere Gruppen ausgeweitet zu werden. Wie keine andere
Personengruppe waren Flüchtlinge und Asylsuchende davon betroffen. Dies
war existenziell gefährdend für die Betroffenen, verhängnisvoll jedoch
für alle, die sich zunächst in Sicherheit wogen: ArbeitnehmerInnen,
Erwerbslose, RentnerInnen und SozialhilfeempfängerInnen. Auch ihre
Rechte konnten schließlich nicht mehr gesichert werden.
Unsere Erwartungen an die neue Regierung betrafen nicht
nur Beträge auf Kontoauszügen. Unsere Erwartung war auch, daß das
Prinzip der Spaltung, der Entsolidarisierung und der Illusion, auf
Kosten der noch Schwächeren die eigene Position absichern zu können, zu
den Dokumenten einer vergangenen Ära gelegt werden möge.
In dem kleinen Bundesland Thüringen erleben wir - durch
die aktive Mitarbeit zahlreicher GewerkschafterInnen in
Flüchtlingsinitiativen teilweise sehr konkret - was es bedeutet, wenn
Flüchtlinge als "Menschen zweiter Klasse" leben. Wir erleben es in
Supermärkten, wenn Flüchtlinge mit Gutscheinen bezahlen müssen, sich
hinter den Kassen Schlangen bilden, die ersten Aggressionen entstehen
und die Verkäuferinnen zu Kontrollinstanzen werden, die den Inhalt der
Einkaufswagen inspizieren müssen. Wir erleben, daß Asylsuchende mit 80,-
DM Taschengeld im Monat nicht mehr in der Lage sind, ihren Rechtsanwalt
zu bezahlen, den sie für das Asylverfahren unabdingbar benötigen. Wir
erleben, wie Kinder in Armut und unter desolaten Bedingungen aufwachsen.
Die Menschenwürde wird seit Einführung des
Asylbewerberleistungsgesetzes mit zweierlei Maß gemessen. Asylsuchende
erhalten nur 80% der als Existenzminimum definierten Leistungen des
Sozialhilfegesetzes. Medizinische Leistungen werden nur noch in
Notfällen und bei akuten Schmerzzuständen gewährt. Am 1. Juli 1998
verstarb im thüringischen Altenburg ein junger kurdischer Asylbewerber,
weil man ihn aus Kostengründen nicht zu einem Facharzt überwies. Ein
17jähriger Asylbewerber aus Sierra Leone wird aus dem selben Grund seit
einem Jahr nicht an einer Unterschenkelfraktur operiert und deshalb vor
Schmerzen fast verrückt.
Flüchtlinge haben fast keine Möglichkeit zu arbeiten.
Selbst die Arbeitsaufnahme eines kurdischen Asylbewerbers in einem
kurdischen Imbiß in Eisenach wurde durch das Arbeitsamt untersagt, da
auch deutsche Arbeitskräfte für diese Tätigkeit zur Verfügung stünden.
Durch den ‘Blüm-Erlaß’ ist Flüchtlingen, die nach Mai 1997 nach
Deutschland einreisten, eine Erwerbstätigkeit generell untersagt. Für
uns GewerkschafterInnen gilt indes immer noch: alle Menschen haben ein
Recht auf Arbeit!
Lieber Kollege Walter Riester,
wir sind der Auffassung, daß zahlreiche Regelungen im
bundesdeutschen Arbeits- und Sozialrecht grundlegend korrigiert werden
müssen, um Ungleichbehandlungen und Diskriminierungen von Flüchtlingen
und AusländerInnen zu stoppen. Zu nennen ist hier besonders das SGB III,
nach dem vielen AusländerInnen nur dann eine Arbeitserlaubnis erteilt
werden kann, wenn deutsche oder ihnen rechtlich gleichgestellte
ArbeitnehmerInnen nicht zur Verfügung stehen.
Konkret möchten wir Dich hiermit zu zwei Initiativen
auffordern:
Gesetzesinitiative zur Abschaffung des
AsylbewerberleistungsgesetzesDas
Asylbewerberleistungsgesetz verstößt aufgrund der oben genannten Folgen nach
unserer Auffassung im Grundsatz gegen das Gleichheits- und
Menschenwürdegebot. Seine Novellierung im Jahr 1997 führt in einigen
Bundesländern dazu, daß Flüchtlinge aufgrund der willkürlichen Vermutung von
Behörden keine Leistungen zum Lebensunterhalt, keine Unterbringung und keine
medizinische Versorgung erhalten. Die Abschreckungslogik des Gesetzes können
wir nicht akzeptieren.
Wir hoffen deshalb darauf, daß das
Asylbewerberleistungsgesetz vollständig aufgehoben und das für uns
selbstverständliche Prinzip wieder eingeführt wird, nach dem es nur ein
Existenzminimum für Menschen und einen Standard für medizinische
Versorgung gibt.
Rücknahme des "Blüm-Erlasses" vom Mai 1997Kurzfristig
und mit Signalwirkung an Flüchtlinge und andere AusländerInnen wünschen wir
uns, daß Du die Weisung des Bundesarbeitsministers vom Mai 1997, die allen
Flüchtlingen, die nach dem 15. Mai 1997 in die Bundesrepublik einreisen,
eine Erwerbstätigkeit grundsätzlich untersagt, aufheben wirst.
Lieber Kollege Walter Riester,
mit der Verlagerung von Zuständigkeiten im Bereich
Sozialhilfe vom Bundesgesundheits- zum Bundesarbeitsministerium liegen
wichtige Entscheidungs- und Initiativrechte nun bei Dir bzw. in Deinem
Ministerium. Wir hoffen sehr, daß das Arbeits- und Sozialministerium mit
Dir als Minister den Weg der Abschreckung von Flüchtlingen mit Mitteln
des Arbeits- und Sozialrechts verlassen und statt dessen zu einem
reformfreudigen Ministerium in Sachen Gleichstellung werden wird.
Die Gewerkschaften stehen spätestens seit
Veröffentlichung der WDR/Infratest-Studie selbst vor der Situation, ihr
Verständnis von Minderheiten-, Gleichstellungs- und
Antidiskriminierungspolitik konkretisieren zu müssen. Das Anwachsen
eines rechtsextremen Potentials auch in Gewerkschaften darf unseres
Erachtens nicht dazu führen, die Rechte von AusländerInnen preiszugeben,
sondern muß Anlaß sein, sie noch entschiedener zu verteidigen. Wir
hoffen, daß diese Entscheidung in den Parteien ebenfalls getroffen wird
und setzen dabei auch auf Deine Unterstützung.
Wir möchten ausdrücklich um eine Antwort bitten, die an
Kollegin Julika Bürgin, c/o DGB-Bildungswerk Thüringen e.V.,
Juri-Gagarin-Ring 150, 99084 Erfurt, zur Weiterleitung an die anderen
UnterzeichnerInnen gerichtet werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
- Jörg Aberger IG Medien, stv. Beisitzer Bundesvorstand Fachgruppe
Journalismus; Leipzig
- Hanna Apel Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Erfurt
- Werner Apel Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands, Vorsitzender
Seniorenkreis 1; Erfurt
- Matthias Beer IG Metall, Gewerkschaftssekretär; Gera
- Helmut Beier Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands;
Neudietendorf
- Klaus Bischoff IG Metall; Worms
- Harald Bodenstein Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Erfurt
- Gerd Brücker IG Metall, 1. Bevollmächtigter; Erfurt
- Willi Büßel-Mautner Gewerkschaft ÖTV, Gewerkschaftssekretär DGB;
Gera
- Julika Bürgin Gewerkschaft hbv, Bildungsreferentin DGB-Bildungswerk
Thüringen; Erfurt
- Wolfgang Collet IG Metall, 2. Bevollmächtigter; Melsbach
- Rolf Düber IG Metall, Gewerkschaftssekretär DGB; Erfut
- Michael Ebenau IG Metall, Gewerkschaftssekretär; Jena
- Christoph Ellinghaus Gewerkschaft hbv, Jugendbildungsreferent DGB;
Erfurt
- Fritz Filß Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Neudietendorf
- Manfred Friedel Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands;
Sülzenbrücken
- Ulrike Galander Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft; Erfurt
- Sigrid Gluche Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft; Erfurt
- Günter Gras Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Udestedt
- Hans-Jürgen Heinemann Gewerkschaft hbv, Gewerkschaftssekretär DGB;
Erfurt
- Peter Heß Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands;
Erfurt-Friedstedt
- Günter Heßland Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Erfurt
- Gudrun Hintermeier IG Metall, Ortsfrauenausschuß; Sömmerda
- Peter Hintermeier IG Metall, Ortsverwaltungsmitglied; Sömmerda
- Günter Hoetzl IG Metall, Gewerkschaftssekretär; Frankenthal
- Martina Hofmann Gewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt; Friedrichroda
- Sigurd Hoppe IG Metall; Eisenach
- Harro Hort Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Erfurt
- Martina Kattein Gewerkschaft ÖTV; Erfurt
- Ramona Klein IG Metall, Verwaltungsangestellte; Jena
- Jörg Köhlinger IG Metall Bezirksleitung Frankfurt/Main
- Rolf König Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Erfurt
- Alfred Kuffler IG Metall, 1. Bevollmächtigter; Frankenthal
- Peter Kyncl Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Erfurt
- Gundula Lasch IG Medien, Vorstand Fachgruppe Journalismus
Landesbezirk Südost, Hauptvorstandsmitglied; Leipzig
- Hildegard Laufer Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Erfurt
- Wolfgang Lemb IG Metall, 1. Bevollmächtigter; Gera
- Renate Licht IG Metall, stv. DGB-Landesbezirksvorsitzende; Erfurt
- Bernd Löffler Gewerkschaft hbv; Erfurt
- Angelo Lucifero Gewerkschaft hbv, stv. Landesleiter; Erfurt
- Christiane Maurer IG Metall
- Gundula Mehner IG Metall, Verwaltungsangestellte; Jena
- Rudolf Menzel Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Erfurt
- Jochen Merten Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Erfurt
- Walter Metzner Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Erfurt
- Detlef Klein Gewerkschaft hbv, Landesbezirksvorstand; Trierweiler
- Uwe Klemens Gewerkschaft hbv, Landesvorsitzender; Mainz
- Brigitte Kreutzer IG Metall, Verwaltungsangestellte; Jena
- Jutta Nauert IG Metall, Ortsverwaltungsmitglied,
Schwerbehindertenvertrauensfrau; Erfurt
- Jürgen Neubert Gewerkschaft ÖTV; Hayn
- Hartwig Oertel IG Medien, freier Journalist; Hofheim
- Gisela Pietsch IG Metall; Erfurt
- Matthias Plhak Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Erfurt
- Anneliese Preuße Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Erfurt
- Bodo Ramelow Gewerkschaft hbv, Landesvorsitzender; Erfurt
- Jürgen Rieder Gewerkschaft hbv, stv. Landesvorsitzender,
Betriebsratsvorsitzender; Suhl
- Jeanette Riedl Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft,
Jugendbildungsreferentin DGB; Erfurt
- Juan-Carlos Rio Antas IG Metall, Gewerkschaftssekretär; Koblenz
- Dagmar Rüdenburg Gewerkschaft hbv, Gewerkschaftssekretärin; München
- Cornelia Runge IG Metall, Vorsitzende Ortsfrauenausschuß; Erfurt
- Beate Schatzschneider IG Metall, Verwaltungsangestellte; Jena
- Martin Schommer Deutsche Postgewerkschaft; Erfurt
- Heinz Schröder Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Erfurt
- Erwin Schüttler Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Weimar
- Helga Schulz Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Erfurt
- Günther Stein Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Erfurt
- Inge Stein Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Erfurt
- Ralf Tänzer IG Metall, 1. Bevollmächtigter; Jena
- Stefan Thalheim IG Metall, Gewerkschaftssekretär; Jena
- Holger Timmer IG Metall; Darmstadt
- Dieter Tippach Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Erfurt
- Rudolf Töpfer Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Leinefelde
- Bernd Unbescheid Gewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt, Landessekretär;
Vippachedelhausen
- Monika Varga IG Metall, Vertrauensfrau, Referentin; Frankfurt
- Horst Wächter Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands;
Neudietendorf
- Walther Warmuth Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands, stv.
Vorsitzender Seniorenkreis 1; Erfurt
- Karl-Heinz Werner Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Weimar
- Ingeborg Wildenhayn Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands;
Erfurt
- Klaus Wuggazer IG Medien, Pressesprecher DGB Thüringen; Eisenach
- Undine Zachlot Gewerkschaft hbv, Gewerkschaftssekretärin; Erfurt
- Jörg Zimmermann IG Metall, Gewerkschaftssekretär; Erfurt
- Frank Zwicker Gewerkschaft hbv, Gewerkschaftssekretär; Erfurt
haGalil
onLine - Freitag 29-01-99 |