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Pnina Nave Levinson:
Ein Kommentar zum Nachruf der Schlangenbrut

Die jüdische Religionsphilosophin und Theologin Pnina Nave Levinson ist im August dieses Jahres in Jerusalem gestorben. In der neuesten Ausgabe der Zeitung Schlangenbrut (Nr. 63/Nov.'98) veröffentlichte Frau Friedel Geisler an hervorgehobener Stelle, nämlich anstelle des Editorials, den folgenden Nachruf:

Liebe Pnina Nave Levinson,

nie mehr werde ich eine Antwort auf den Brief bekommen, den ich Dir vor längerer Zeit geschrieben habe - nie mehr!

Du warst es, die mich sogleich in die Arme schloß, als ich Dich - innerlich zitternd - zum ersten Mal sah.

Ich kannte keine deutschen Juden, obwohl ich Deiner Generation angehöre. Viele Jahre schon hatte ich trauernd und weinend nach Deinen Spuren gesucht, meine Schwester. Ach so viele waren ausgelöscht, sechs Millionen. Ich fand wenige in der Literatur. Erst durch eigene Forschungen erfuhr ich immer mehr über den Reichtum in unserer gemeinsamen europäischen Geschichte.

Die jüdische Philosophie und Theologie erschloß ich mir in meinem bescheidenen Rahmen. Du warst es, die in ihrer ganzen schlichten und warmen Art so eindrücklich meine Scham überwandt und mir persönlich begegnete. Nun konnte ich aus Deiner weitgefaßten wissenschaftlichen Arbeit weitere Räume erschließen und mehr jüdische Menschen kennenlernen. Danke, liebe Pnina.

„Nächstes Jahr in Jerusalem", es waren Deine Worte. In Deinem Hause in Israel erlebte ich meinen ersten Vorabend des Sabbat. Geschrieben hatte ich einiges dazu, aber gefeiert habe ich ihn zum ersten Mal mit Dir und Deinem lieben Mann. Ich wollte Dich doch noch so oft treffen!

Von Dir konnte ich lernen, in den europäischen Emanzipationsbewegungen der Frauen die klaren jüdischen Spuren mit zu bedenken und zu finden. Das befreite mich von dem ständigen Rückgriff auf die zweitausend Jahre alten Bildgeschichten und dem uns ChristInnen daraus überlieferten Antijudaismus. Ich habe ihn endlich an dieser Stelle bemerkt, wurde durch Dich für ihn sensibilisiert in allen meinen Auslegungsarbeiten.

Du Wegbereiterin der Verständigung zwischen unserer Generation und der folgenden. Du Heilerin der zerstörten Teile unseres Volkes. Du gabst keine Ruhe, solange Du nur etwas Kraft hattest, zwischen den Kontinenten zu reisen, zu wärmen, zu vermitteln und aus Deiner großen wissenschaftlichen Arbeit weiterzugeben. Du bliebst nicht einfach in Deiner neuen Heimat Israel. Du warst auch bei mir und vielen, vielen Menschen in Deutschland, unermüdlich jedes Jahr!

Deine wunderbaren Bücher bleiben uns. Einen Kaddish für Dich und einen Stein aus meiner Heimat werde ich auf Dein Grab legen bei meinem nächsten Besuch in Jerusalem.

In tiefer Trauer
Deine Friedel Geisler

Die Verfasserin ist Theologin und Religionspädagogin. Sie arbeitet in einer eigenen psychotherapeutischen Praxis.

DIE FUNKTIONALISIERTE VERSÖHNUNGSGESTALT:
Ein Kommentar von Iris Noah

Als ich diesen Nachruf las, blieb mir die Luft weg. Ich war fassungslos, daß in „einer Streitschrift für feministisch und religiös interessierte Frauen" auf Seite 2 - statt des Editorials - ein solcher Artikel unkommentiert abgedruckt wird. Er scheint also nicht nur die subjektive Meinung der Verfasserin, sondern auch noch die Position der Herausgeberinnen zu repräsentieren.

Nun ist es eine Sache, was jemand privat oder halböffentlich in einem Nachruf äußert und eine andere, was öffentlich publiziert wird. Selbst für einen privaten oder halböffentlichen Rahmen finde ich den ganzen Tonfall des Nachrufs reichlich larmoyant, aber das mag Geschmackssache sein.

Keine Geschmacksache ist jedoch, wie hier eine Verstorbene, die sich nicht dagegen wehren kann funktionalisiert wird zur VERSÖHNUNGSGESTALT - eine spezifisch christliche Interessenlage und zu einer „Heilerin".

„Du warst es, die mich sogleich in die Arme schloß, als ich Dich - innerlich zitternd - zum ersten Mal sah"

Chanukah beginnt am 13.12.98!Wovor zitterte die Verfasserin vor dieser ersten Begegnung? Vor dem realen Menschen Pnina Nave Levinson doch vermutlich nicht. Näheres benennt sie nicht, sondern beläßt es im Diffusen, womit sie eine große Projektionsfläche eröffnet. Wovor muß die Verfasserin zittern? Normalerweise ist zittern doch eine Reaktion auf Kälte, Angst, Entsetzen, Panik, emotionaler Erregung! Was wird hier in ein jüdisches Individuum hineinprojiziert, welche übermächtigen Realitäten vertritt Frau Levinson, daß sie eine derartige Reaktion bei der Verfasserin hervorruft?
Aber glücklicherweise war alles überflüssig: PN schloß Frau Geissler in ihre Arme!

Ist das die Rolle, die Juden / Jüdinnen zugedacht ist.
Und was passiert, wenn sie nicht so „entgegenkommend" reagieren.

„Ich kannte keine deutschen Juden, obwohl ich Deiner Generation angehöre"

Wie macht Frau Geisler das? Sie gehört doch der gleichen Generation an wie Frau Levinson, die in den 20iger Jahren in Berlin geboren ist. In ihrer Kindheit hat sie keine Juden und Jüdinnen wahrgenommen? Was ist in ihrem Erwachsenenleben? Kannte sie keine Jüdinnen oder hat sie die Jüdinnen in ihrem Umfeld nicht als solche wahrgenommen. Birgit Rommelspacher hat dieses Phänomen in ihrem Buch „Schuldlos schuldig" erforscht und dargestellt und auch mir ist es hinreichend bekannt. Juden nicht als Juden wahrzunehmen ist auch eine verschleierte Form des Antijudaismus / Antisemitismus.

„Viele Jahre schon hatte ich trauernd und weinend nach Deinen Spuren gesucht, meine Schwester."

Was hat das zu bedeuten? Wer weint hier warum um wen oder was? Ich glaube, hier werden Realitäten verdreht: Pnina Nave Levinson gehört zur Minderheit der Juden, denen es gelungen ist aus Deutschland zu fliehen. Wer hat hier Anlaß wegen der verlorenen Heimat, der Vertreibung, der Ermordung von Angehörigen, dem Verlust von Lebensmöglichkeiten zu trauern und zu weinen.
Die nicht-jüdisch deutsche Verfasserin stellt sich hier auf eine Stufe mit der Vertriebenen. Sie ist auch ein Opfer, das einen Verlust zu beklagen hat - einen unbekannten Verlust, einen Verlust der so groß ist, daß er nicht näher benennbar ist.
Deutschland und die Deutschen als die größten Opfer der Judenvertreibung und Judenermordung?

''Ach so viele waren ausgelöscht, sechs Millionen"

AUSGELÖSCHT - AUSGELÖSCHT: Welche perfide Verharmlosung und Beschönigung. Ein Euphemismus, der die Tragweite des Geschehenen verschleiert!
Ausgelöscht - wird im deutschen Sprachgebrauch eine Kerze, ein Feuer, eine voll beschriebene Tafel
Eine Kerze: weil sie abgebrannt ist, also ihre Zeit vorbei ist - oder lang genug gebrannt hat.
Ein Feuer: weil es Leben oder Besitz bedroht - gefährlich ist
Eine Tafel: weil sie voll beschrieben ist, also das was drauf ist nicht mehr benötigt wird oder Platz für etwas Neues zu Schreibendes geschaffen werden soll.

Genau die Realitäten, die diese Metapher vom „auslöschen" umschreibt, haben die Nazis propagiert! Deswegen wurden Millionen von Juden und anderen umgebracht.
Sie wurden nicht ausgelöscht, sondern ERMORDET - ERMORDET

Weiter bezieht sich Frau Geisler darauf, daß sie einiges zum Schabbat geschrieben habe, ihn aber zum erstenmal DANACH mit Familie Levinson gefeiert habe. Ich bin immer wieder erstaunt, mit welcher Selbstverständlichkeit einzelne christliche Theologinnen sich zu jüdischen Themen äußern ohne einen entsprechenden Erfahrungsbezug zu haben. Wenn mir etwas entsprechendes unterlaufen wäre, würde ich zumindest den Mund darüber halten, aber nicht auch noch darauf verweisen.
Aber die meisten Angehörigen der christlich weißen Dominanzkultur wissen noch nicht einmal, was Juden / Jüdinnen überhaupt meinen, wenn sie dieses Verhalten kritisieren.

''Erst durch eigene Forschungen erfuhr ich immer mehr über den Reichtum in unserer gemeinsamen europäischen Geschichte."

Auf welche Gemeinsamkeiten bezieht sich die Verfasserin? Soweit mir die europäische Geschichte bekannt ist, war das Verhältnis zwischen Juden und nichtjüdischen Umweltkulturen größtenteils das von Verfolgten und Verfolgern! Mit welchem Recht maßt sich die Verfasserin an, hier eine gemeinsame Geschichte zu konstruieren. Diese Äußerung verrät mehr über die Bedürfnislage der Nachrufenden als über die Realitäten der europäischen Geschichte. Die einzige Gemeinsamkeit, die ich erkennen kann, ist der territoriale Aspekt. Die europäische Geschichte sieht aus der Sicht der Minderheiten völlig anders aus, als aus der Perspektive der Mehrheitskultur.

''Das befreite mich von dem ständigen Rückgriff auf die zweitausend Jahre alten Bildgeschichten und dem uns ChristInnen daraus überlieferten Antijudaismus."

Die zugegebenermaßen polemische Rückfrage sei mir gestattet, auf was Frau G. noch alles zurückgreifen würde, wenn sie Pnina Nave-Levinson nicht begegnet wäre.

''Du Wegbereiterin der Verständigung zwischen unserer Generation und der folgenden. Du Heilerin der zerstörten Teile unseres Volkes."

Zu was wird Pnina Nave Levinson hier hochstilisiert? Mir lief es kalt den Rücken runter bei dieser Stelle „Du HEILERIN der zerstörten Teile unseres Volkes".
Ich dachte daran daß in Deutschland vor 60 Jahren geschrien wurde: „Die Juden sind unser Unglück". Anscheinend sind Juden nur für Extrempositionen gut: „Unglück" oder „Heilerin". Was gibt es dazwischen? Und was, wenn sie da nicht mitmachen?
Heilerin - was drückt das für einen Anspruch, für eine Anforderung - eine ÜBERforderung aus. Pnina Nave Levinson - ein Übermensch - vor 60 Jahren wurde sie vertrieben, weil sie zu den UNTERmenschen gerechnet wurde: früher Dämonisierung - heute Idealisierung!

„Heilerin der zerstörten Teile unseres Volkes": Was wird ihr da für eine Funktion zugeschoben und welches Volk ist hier mit „unserem Volk" gemeint? Wieder eine Gemeinsamkeit, die konstruiert wird. Welche Volkszugehörigkeit haben Frau Geisler und Frau Levinson gemeinsam?
Das deutsche Volk kann ja nicht gemeint sein, das jüdische auch nicht, das israelische auch nicht, das christliche Gottesvolk auch nicht - die Enterbungstheologie läßt grüßen: Die besagte nämlich, daß der alte Bund - das alte Gottesvolk Israel in Jesus durch den Neuen Bund - das neue Gottesvolk der Christen abgelöst wird. Die Gemeinsamkeit macht von der Sachlogik und der Sprachlogik her nur Sinn, wenn man eine Art gemeinsamen Nenner zwischen dem jüdischen und dem christlichen Volk sehen würde. Wer vereinnahmt hier wen für was?

Wenn ich solche Ausführungen, wie diesen Nachruf von Frau Geisler lese, dann frage ich mich, welchen Sinn ein christlich-jüdisches Gespräch - ganz zu schweigen von einem Dialog (der hat noch nicht mal angefangen) - eigentlich hat.

Iris Noah

Im Forum: Stellungnahme der Redaktion der Schlangenbrut / 20-12-98
01-99

haGalil onLine - Freitag 11-12-98 / Mittwoch 27-01-99

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