JR: Wäre es nicht vertretbarer gewesen,
mehr internationale Experten in der Kommission zu bestellen? Hätte dies
international nicht einen beseeres Bild für Österreich vermittelt?
Klima. Ich glaube, daß hier doch sehr klar
und deutlich der Wille Österreichs durch die Art, wie wir diesen Vorgang
konstruiert haben, zu Tage kommt; nämlich objektiv, transparent und sehr
gründlich dieses dunkle Kapitel der österreichischen Geschichte
aufzuarbeiten.
Wie die JR aus Beamtenkreisen erfahren konnte,
waren mehrere internationale Wissenschaftler im Gespräch . So Saul
Friedländer , der aber schon in der Schweiz "besetzt" war. Auch der Name
R. Wistrich fiel in den Vorschlägen. Der junge Schriftsteller Doron
Rabinovic brachte den aus Wien stammenden Doyen der Holocaustforscher
Raul Hilberg ins Spiel . Ein nicht genannt werden wollender Beamter
meinte zur JR: "Man muß aufpassen, daß der genannte Wissenschaftler
nicht woanders engagiert ist , zum Beispiel bei einer schweizer
Kommission (so wie Saul Friedländer). Von einigen wurde Yehuda Bauer aus
Yad Vashem vorgeschlagen. Je nach Vorlieben und Einstellung bringen
verschiedene Organisationen ihre Kandidaten in Stellung. Der junge
österreichische Historiker Bertram Perz würde z.B gerne Jonathan
Steinberg aus dem Trinity College in Cambridge ernannt sehen, der sich
bei der Kommission über die Deutsche Bank seinen Ruf mehr als
bestätigte.
Klima. Es kristallisierte sich der Modus
von sechs Teilnehmern , der Vorsitzende ist ein herrvorragender Jurist,
Clemens Jabloner, der als honorig, seriös und objektiv bekannt ist.
Jabloner ist der Vorsitzende des Verwaltungsgerichtshofes in Wien.
Jabloner garantiert durch seine Erfahrung Unhabhägigkeit. Es wäre nicht
sehr klug, jemanden aus der Schweizer Kommission in namhafter Position
in der österreichischen Kommission mitarbeiten zu lassen. So hat sich
der Vorschlag durchgesetzt, aus einem Vorschlag von Jad Vashem,
Washington Holocaust Museum und dem Wiesenthal Center eine Person zu
benennen.
Dies ist doch ein ziemlich pragmatischer
Vorschlag. Auch bei den österreichischen Experten wurde im höchsten
Masse versucht, die Auswahl zu objektivieren. "Es soll nicht der
Eindruck entstehen, daß hier irgendeine politische Packelei dahinter
steckt". Die Institute für Zeitgeschichte machen vier Vorschläge, aus
denen die Bundesregierung zwei auswählt. Die Institute für
Wirtschaftgeschichte werden zwei Vorschläge einreichen, einer davon wird
gewählt.
"Glauben Sie mir, das ist gut so," lächelt Klima
beschwörend.
JR: Wird das Budget der Kommission , ein
wichtiges Indiz für ihre Bedeutung, ähnlich wie das der Schweizer
Kommission sein? Wie sieht der Zeitrahmen für die Arbeit der Kommission
aus?
Klima: Die Finanzierung steht noch nicht
fest. Dies hängt von den Bedürfnissen der Kommission ab. Ich erwarte
einen Voranschlag , den wir dann zustimmen müssen. Wir sind uns der
Größe der Aufgabe bewusst. Die sechs Mitglieder können Helfer
beanspruchen. Die Dimensionen der Aufgabe sind noch nicht im Detail
absehbar. Es gibt einen Zeitplan und einen Rahmen, alles andere hängt
von den Wünschen der Kommission ab.
Diese sechs Menschen haben innerhalb der nächsten
Monate eine konkrete Bitte von uns auf den Weg bekommen. Erstens den
Vorschlag über die Struktur zu machen: Wieviele Experten (20-25-30?),
die eine Menge konkreter Arbeit zu leisten haben, brauchen sie noch?
Welcher Zeitrahmen wird angestrebt? Wann können Zwischenberichte
erwartet werden? Uns ist klar, daß die sechs Mitglieder nicht alles
sind. Sie können die Arbeit nicht alleine bewältigen. Die Frage nach
Budget und Zeitrahmen kann man deshalb nicht beantworten. Es soll aber
der Eindruck nicht entstehen, die Regierung macht zuviel Zeitdruck, oder
schiebt es auf die lange Bank.
JR: Ist für sie die Einrichtung der
Wissenschaftlerkommission ein Art von Schlusstrich der Bemühungen
Österreichs, mit seiner Vergangenheit und Involvierung während des
Naziregimes ins Reine zu kommen?
Klima: Dies ist nur ein kleiner Teil. Wir
haben zum Beispiel vor wenigen Tagen im Ministerrat beschlossen, als
einer der ersten Staaten, das Gold der Tripartite Gold Commission SOFORT
den Holocaustopfern über den im Parlament angesiedelten Nationalfonds
zugute kommen lassen. Bei den Kunstgütern haben wir uns auf Initiative
der Ministerin Gehrer um Restitution, Rückgabe und Aufklärung bemüht.
Ähnlich wie bei der "Mauerbachaktion" wird herrenloses Gut am Ende
versteigert. Der Reinerlös kommt, wie bei der damaligen Aktion unter
Federführung meines Amtsvorgängers Franz Vranitzky Holocaustopfern
zugute (ein Großteil der Erlöse aus den unter der Beteiligung von
Sothebys versteigerten Kunstgegenständen wurden inzwischen ausgezahlt).
Ich glaube, daß hier Österreich sehr ordentlich mit diesem Kapitel aus
der Vergangenheit vorgeht.
Warum hat es 53 Jahre gedauert, bis es eine
solche Kommission geben konnte (erregte Nachfrage eines ungarischen
Kollegen) ? Ist es nicht etwas zu spät?
Klima. Ich glaube, daß es nie zu spät ist.
Den Weg meines Amtsvorgängers Vranitzky, der eine ordentliche und
ehrliche Auseinandersetzung begonnen hat, werde ich mit vollen
Engagement fortführen. Ich kann Ihnen aber die Frage nicht richtig
beantworten, da ich erst nach dem Krieg geboren wurde. Natürlich könnten
wir darüber diskutieren, warum nicht 1955, als Österreich durch den
Staatsvertrag wieder frei von ausländischen Besatzern (US, GB, UdSSR,
Frankreich, Anm. d. red.) wurde. Damals war die Stimmung jedoch
möglicherweise eine andere. Vielleicht war es doch nötig, dass wir eine
Generation überspringen, bis dies heute möglich wurde.
SLW
Jüdische Rundschau, Basel, veröffenlicht am 22.10.98